Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs13.11.2003, Paul Kautz
Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs

Im Test:

Pünktlich wie die Maurer bringt Electronic Arts einen guten Monat vor dem Kinostart des finalen Herr der Ringe-Teils das passende Spiel zum Film in den Handel. Der PS2-Vorgänger bot letztes Jahr launige Unterhaltung, verzockte aber durch Designschnitzer die Aufnahme in den Spieleolymp. Hat der neue Teil aus alten Fehlern gelernt? Richtet Euer lidloses Flammenauge auf unsere Review.

Getrennte Gefährten

Als Gandalf verteidigt ihr die Mauern von Helms Klamm gegen heranstürmende Ork-Horden.
Der Einstieg verbreitet gekonnt Atmosphäre: Elbenfürstin Galadriel gibt euch eine Zusammenfassung der Geschehnisse aus den beiden ersten Teilen der HdR-Trilogie. Rasant geschnittene Filmszenen führen euch schließlich zur gigantischen Massenschlacht um Helms Klamm, bei der das Bild meisterlich von Film- über Render- zu Spielegrafik wechselt, wobei die Übergänge diesmal wesentlich sanfter sind. So betrachtet ihr in einem Moment noch die Stelle des Films, in der Gandalf und die Reiter von Rohan Aragorn, Legolas und Co. zu Hilfe eilen, im nächsten Moment steht ihr höchstselbst als Weißhaarzauberer in der Schlacht, und dürft Orks eine Lektion erteilen. Nach diesem kurzen Intermezzo, das gleichzeitig als Tutorial dient, findet ihr euch im stilvoll gestalteten Levelmenü wieder, in dem das eigentliche Spiel beginnt.

Wie in Buch und Film ist die Gemeinschaft getrennt, die Gefährten sind auf gesonderten Pfaden unterwegs. Während sich Gandalf um Isengart kümmert, wo er noch eine alte Rechnung mit seinem ehemaligen Freund Saruman offen hat, treiben sich Frodo und Sam sowie ein stets hinterher dackelnder Gollum in Osgiliath und dunklen, spinnenverseuchten

Die Hobbits flüchten zusammen mit Gollum vor dem angriffslustigen Nazgul.
Höhlen herum. Die längste Wanderstrecke legt der Spieler hingegen mit Aragorn, Legolas oder Gimli zurück – den Pfad des Königs, der sie nicht nur durch Geister-verseuchte Grotten führt, sondern auch zur gewaltigen Schlacht bei Pelennor  und an den schwarzen Toren vorbei.

Anfangs habt ihr noch die Wahl, welchen Weg ihr einschlagen wollt. Doch die Abenteuer Gandalfs und der Hobbits enden bereits nach wenigen Missionen, so dass ihr früher oder später auf jeden Fall mit den drei Waffenbrüdern ziehen müsst. Ferner warten noch drei Bonuscharaktere, die allerdings erst nach dem ersten Durchspielen freigeschaltet werden.

 

Gruppenshopping

Eines der Features, das ohne große Änderungen aus dem Vorgänger übernommen wurde, ist das Kombo-System: für jedes Scharmützel, für jeden toten Ork sammelt ihr unterschiedlich viele Erfahrungspunkte. 

Je schneller ihr die Gegner zu Brei schlagt, desto schneller füllt sich die "Perfect"-Anzeige.
Die Menge richtet sich danach, wie geschickt und wie schnell ihr euren Gegner erledigt, was gleichzeitig auch eine Anzeige füllt, die bei kassierten Treffern oder zu langer Wartezeit auch wieder sinkt. Verhaut ihr besonders viele Gegner besonders schnell, seid ihr für wenige Sekunden im »Perfect«-Modus. In diesem fallen die Gegner wie die Fliegen, außerdem kassiert ihr für jeden dahingerafften Widersacher die höchste Erfahrungspunktezahl.

Nach jeder Mission wird abgerechnet und eure Kampfleistung statistisch bewertet; die dabei gewonnenen Punkte könnt Ihr in Kombos investieren. Mit diesen lassen sich durch mehr oder weniger kontrolliertes Hämmern auf den Angriffsbuttons ganze Gegnerreihen wesentlich effizienter niedermähen, außerdem sehen die Bewegungen einfach cool aus. Ihr kauft entweder für den einzelnen Charakter oder die ganze Gruppe – das hängt vom Level ab. Es gibt insgesamt zehn Stufen, wobei in jeder neue durchschlagskräftige Kombos oder Charakterupgrades warten. So könnt ihr beispielsweise den »Perfect«-Modus verlängern, eurer Standardwaffe zusätzliche Power verleihen oder eure Spezialattacke verbessern. Das ist eine für jede Spielfigur einzigartige Kombo: Gandalf zaubert kurz einen Schutzschild um sich oder der Hobbit wird unsichtbar.

Netterweise könnt ihr jetzt im Gegensatz zum Vorgänger die Kombos im Spiel einsehen, und so schnell auswendig lernen. Spätestens hier sollte klar sein, 

Jeder Kämpfer hat sein eigenes Spezialmanöver - Gandalf beispielsweise zaubert flink einen kurzlebigen Schutzschild herbei.
dass man idealerweise mit einem guten Joypad an die Front sollte. Zwar gibt es auch eine brauchbare Tastatur/Maus-Kombination, die aber schnell zu verknoteten Fingern führen kann.

Dumpfbacken-Begleiter

Wie die Filme setzt auch das Spiel hauptsächlich auf imposant inszenierte Massenschlachten; Ihr seid in den gewaltigen Gefechten der wichtigste Teil: So müsst ihr beispielsweise als Gandalf auf den Mauern von Minas Tirith die Leitern der heranstürmenden Orks umstoßen, die heranrückenden Belagerungstürme von weitem vernichten und dabei stets durchgebrochene Orks bekämpfen, während im Hintergrund ein Nazgul majestätisch seine Runden fliegt. 

Dabei seid ihr zwar von vielen Mitkämpfern umgeben, die allerdings nicht viel sind mehr als bessere Statisten – Leitern wegtreten bekommen sie zum Beispiel nicht auf die Reihe. Auch Eure Haupt-Kampfbegleiter sind bestenfalls eine nette Dreingabe, um den Großteil der Gegnerschaft müsst ihr euch immer selbst kümmern. Gut, dass ihr wie gehabt über mehrere Angriffsmöglichkeiten verfügt: neben

Die Gegner reagieren unterschiedlich auf die verschiedenen Schlagvarianten.
Standardschlag und Finishing Move, der einem am Boden liegenden Gegner den Rest gibt, verfügt  jede Figur auch über eine Fernwaffe, eine Körperattacke und  einen Schildbrecher, der sich hinter Schilden versteckende Gegner wehrlos macht. Als typisches Hack ´n Slay setzt Die Rückkehr des Königs  hauptsächlich auf wildes Buttonsmashing inklusive Kombos. Leider sind die Scharmützel meist extrem unübersichtlich, so dass ihr nicht wirklich seht, was ihr wo tut, sondern einfach nur blind draufloshauen könnt.

Das ist zum größten Teil der verhunzten Kameraführung zu verdanken, die sich nicht manuell korrigieren lässt, und euch somit mehr als ein mal blind in die Schlacht wirft. Neben all der Hauerei müsst ihr auch Maschinen bedienen , um beispielsweise Tore zu öffnen, oder dürft herumstehende Gegenstände benutzen – so könnt ihr beispielsweise in der Höhle der Riesenspinne Kankra Netze verbrennen oder Horden kleiner Krabbler auseinandertreiben. Der geschickte Einsatz von Katapulten und Speeren erleichtert auch so manche Mission: wenn ihr beispielsweise 80 Orks töten müsst, ist jede Hilfe sehr willkommen.

Challenge Everything?

Der Vorgänger durfte sich schon wenig ruhmreich in die Reihe der teuflisch schweren Spiele eingliedern, muss jetzt aber dem Nachfolger Platz machen: Die Rückkehr des Königs ist trotz der sehr linearen Levels eines der fiesesten momentan erhältlichen Spiele! Dabei geht es nicht nur um herausfordernde Kämpfe, sondern auch um schlicht unfaires Spieldesign, ganz besonders bezüglich des Speichersystems: ihr dürft natürlich nicht frei speichern, sondern seid innerhalb der Levels auf sehr wenige Checkpunkte angewiesen, teilweise gibt es in den extrem langen Abschnitten auch überhaupt keine!

Wie auch im Film dominieren im Spiel Massenschlachten - ihr bekommt es meist mit Dutzenden Gegnern zu tun.
Und die wenigen scheinen sehr oft willkürlich platziert zu sein –  so werdet ihr des Öfteren die Ehre haben, sehr lange und harte Kämpfe gegen wirklich viele Gegner wieder und wieder zu bestehen, nur weil ihr irgendwo kurz vor dem Ziel draufgegangen seid – das sind nämlich die Plätze, an denen die Designer entweder Riesenrudel Feinde oder einen besonders dicken Obermotz platziert haben. Ob König der Toten oder Gigantospinne Kankra, die Endgegner sind nicht nur sehr widerstandsfähig, sondern  verlangen auch noch nach spezieller Taktik, während sie ihre Schergen zusätzlich auf uns hetzen. Dass Heiltränke sehr selten gesät sind, braucht wohl kaum noch erwähnt zu werden – Electronic Arts hat hier das firmeneigene Motto »Challenge Everything« eindeutig ein wenig zu wörtlich genommen.

 

Auf Dauer setzt sich so unweigerlich Frust durch – obwohl ihr jederzeit unter drei Schwierigkeitsgraden wählen dürft. Eine weitere Möglichkeit der Schmerzlinderung stellt die Mehrspieleroption dar: endlich dürft ihr den größten Teil des Spiels (nämlich den Pfad des Königs) mit einem Freund angehen, sofern ein Gamepad angeschlossen ist. Das Ganze spielt sich wie seinerzeit bei Golden Axe

Die kraftvollen Explosionen sind ein Markenzeichen des Spiels.
auf einem Bildschirm ab, ihr seid also stets zusammen unterwegs. Mit mindestens zwei Klingen sieht die Sache schon ein wenig anders aus, da ihr gerade die fieseren Schergen Saurons von mehreren Seiten in die Mangel nehmen könnt.

Die Hölle auf Mittelerden

Bereits The Two Towers  brachte speziell den PS2-Grafikchip zum Dampfen, und lieferte eine umwerfende Optik. Für den Nachfolger legten die Entwickler noch eine Kohle auf: neben den nahtlosen Übergängen zwischen Film- und Spielegrafik, sorgt besonders Letztere immer wieder für erstauntes Kinnladenklappen. Die Schlachtfelder sind dicht besiedelt und hoch detailliert, die Figuren sehen ihren Film-Pendants sehr ähnlich - besonders Gimli erinnert nicht mehr an einen Zwerg-förmigen Haufen. Weiche Animationen lassen Freund und Feind rasant durch die Levels rennen und kämpfen, großartige Spezialeffekte verzaubern das Bild. Speziell die wuchtigen und farbenprächtigen Explosionen sowie die fabelhaften Partikeleffekte wie Staub, Funkenregen oder Wassergischt harmonieren mit dem actionreichen Geschehen, und versetzen den Spieler tatsächlich nach MittelerdeVon dort wird er nur durch sehr irdische Probleme wie hohe Hardwareanforderungen, etwas grobe Texturen und den bereits angesprochenen Kameraproblemen zurückgeholt. Darüber hinaus erwarten euch noch vielerlei Interviews und Bonus-Artwork.

Natürlich protzt das Spiel mit massig Filmmaterial aus allen drei Kinoabenteuern. Die Videos sind am PC hochauflösend, flüssig,  und der Atmosphäre sehr zuträglich. Dazu gibt es noch vielerlei Zwischensequenzen in Echtzeit, die spezielle Ereignisse

Die Spielfiguren sehen ihren Film-Pendants sehr ähnlich.
innerhalb der Levels verdeutlichen, und vielerlei gescriptete Ereignisse wie explodierende Wände  oder eindrucksvoll zusammenstürzende Türme. Außerdem muss man den Entwicklern zugute halten, dass sie Wert auf Details legten – so trägt Sam beispielsweise in Kankras Höhle Frodos Schwert »Stich« bei sich, während er in anderen Levels mit normaler Waffe kämpft.

Natürlich wurde auch bei der Akustik geklotzt: sämtliche Stimmen entstammen den Original-Schauspielern bzw. in der deutschen Version ihren Synchronsprechern – falls ihr den Vorträgen nicht immer folgen könnt, dürft ihr auch Untertitel dazuschalten. Dazu trägt euch der grandiose Filmsoundtrack wie auf einem Klangteppich durch die Levels, während um euch herum dank krachender Soundeffekte, Ork-Grunzen und viel Geschrei die Hölle in Mittelerde ausbricht – entweder in Stereo oder 3D-Sound via EAX. Was Besitzer teurer Soundsysteme freuen wird: auch dieses Spiel ist offiziell THX-zertifiziert.

 

Fazit

Ein Spiel, mich zu knechten: Der Schwierigkeitsgrad kommt direkt aus Mordor, und treibt das Game in Verbindung mit dem prinzipiell unbrauchbaren Speichersystem immer wieder an die Grenze der Unspielbarkeit. Klar, es sieht toll aus, es hört sich toll an, es hat einen hohen Wiedererkennungswert und die Kombination aus allem baut eine großartige Atmosphäre auf. Und ich habe weißgott nichts gegen anspruchsvolle Spiele. Doch wenn ich mich gleichzeitig um einen tobenden Olifanten, herumgeisternde Ork-Hundertschaften und einen in regelmäßigen Abständen heranschwirrenden Nazgul kümmern muss, und dabei noch zwei Personen im Auge behalten darf, die über eine kümmerliche Lebensenergieleiste verfügen, dann pfeffer´ ich spätestens beim vierten Anlauf das Joypad mit Schmackes in die Ecke! Eine verdammte Schande, denn sonst wurden fast alle Fehler des Vorgängers behoben: es gibt einen Multiplayermodus, das Kombo-System ist im Spiel einsehbar, die Grafik wurde verfeinert etc. – nützt aber kaum was, wenn der typische Lizenz-Käufer nie viel mehr als den zweiten Level zu sehen bekommt. Falls ihr euch zu dieser Zielgruppe zählt, dürft ihr die Wertung beliebig nach unten verändern. Falls ihr jedoch der Fraktion der Zähne fletschenden Hardcore-Schnetzler angehört, ist die Rückkehr des Königs genau euer Fall – endlich mal wieder ein richtig schön frustrierendes Hack ´n Slay zum immer-wieder-Versuchen, idealerweise mit einem Freund.

Pro

tolle Grafik
gute Animationen
wiedererkennbare Filmcharaktere
massig Bonusmaterial
versteckte Figuren
viele Filmsequenzen
tolle Spezialeffekte
massig Kombos
einfaches Upgrade-System
Original-Sprachausgabe
grandioser Soundtrack
Koop-Modus
anspruchsvolle Boss-Kämpfe
unterschiedliche Charaktere
Massenschlachten

Kontra

eklig schwer
mistiges Speichersystem
massig unfaire Stellen
schwammige Steuerung
ständig gleiche Gegner
nicht veränderbare Kameraführung
oftmals unpassende Perspektiven
nicht abbrechbare Zwischensequenzen
auf Dauer abwechslungsarmes Spielprinzip
mäßige Freund-KI

Wertung

PC

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