Little Inferno22.11.2012, Jörg Luibl
Little Inferno

Im Test:

Feuer frei: Einfach die linke Maustaste gedrückt halten und schon lodert es am Zeiger! Aber bevor daraus ein echtes Kaminfeuer entsteht, braucht man brennbares Material. Und davon gibt es in Little Inferno reichlich: Egal ob Bauklötze, Sushi, Toaster, Planeten, Würstchen oder Batterien – alles lässt sich spektakulär abfackeln. Moment mal: Warum soll man das eigentlich machen?

Das Spiel mit dem Feuer

Weil es Spaß macht! Das haben sich jedenfalls die Entwickler von Tomorrow Corporation (World of Goo) gedacht, die in diesem Arcade-Puzzler einfach nur einen Bildschirm mit Kamin präsentieren. Und dort kann man per Drag&Drop all den Kram hinein ziehen, den man sich mit der virtuellen Währung gekauft hat – etwas Mausfeuer darunter und los geht das Knistern, das auch mal in Explosionen oder giftgrüne Wolken übergehen kann.

Für das Verbrennen bekommt man wiederum Geld zurück, so dass man weitere Sachen erwerben kann. Hört sich wie eine pyromanische Endlosschleife an? Ist es auch. Und ich kam zunächst nicht vom simplen Zündeln los – das muss irgendwie ein Urinstinkt sein. Nicht nur, weil dabei so viel Überraschendes passieren kann: Käfer springen aus Gläsern, Instrumente spielen Musik, ein Gameboy sorgt für grobes Pixelfeuer, ein Lüfter hinterlässt  Funkenströme, Spinnen krabbeln aus Eiern, ein Tanker spuckt Öl. Neben kleinen Kettenreaktionen gibt es auch physikalische Spielereien, wenn man etwa einen Mond verbrennt, der nach oben schwebt und alles an sich heran zieht.

Die mysteriöse Nachbarin

Man sitzt vor einem Kamin und zündelt: Wer mehr als vier Gegenstände verheizen will, kann weitere Plätze hinzu kaufen; die kosten erst 30, dann 100 und irgendwann 450 Geld.
Man sitzt vor einem Kamin und zündelt: Wer mehr als vier Gegenstände verheizen will, kann weitere Plätze hinzu kaufen; die kosten erst 30, dann 100 und irgendwann 450 Geld.
Dass man zunächst neugierig weiter zündelt liegt auch an der charmanten Präsentation der Story, die kleine Comic-Zwischensequenzen zeigt und von witzigen Dialogen lebt: Die Welt scheint in einem ewigen Winter zu schlummern, so dass überall auf der Welt fleißig geheizt wird. Man bekommt zwischendurch Briefe von einem Wettermann, der Katalogfrau sowie einer Nachbarin namens „Sugar Plumps“, die irgendwann gegen die Kaminwand klopft und einem kleine Aufträge erteilt – mal braucht sie dies, mal jenes. Und das kann man ihr per Post zusenden, um von ihr wiederum ein Geschenk zu erhalten. Man wird also durchaus neugierig, wohin dieser erzählerische Pfad führt.

Auch das Verbrennen von Gegenständen beruht auf einem Zustellungsprinzip: Man ordert Dinge per Katalog, die eine gewisse Zeit brauchen, bis man sie von der Leiste in den Kamin schmeißen kann – dabei läuft eine kleine Uhr ab. Je nach Material sowie Beschaffenheit lodert es rasend schnell oder länger. Es lohnt sich auch, die Dinge geschickt zu türmen, damit das Feuer nicht umgehend ausgeht. Wer etwas schneller verheizen will, kann je nach Zeit unterschiedliche viele Briefmarken aktivieren, die es wiederum für gelungene Kombinationen gibt. Nur wer das zeitgleiche Verbrennen von zwei, drei oder mehr Dingen koordiniert, kann diese Kombos meistern.

Katzenwäsche und Dinosaurier

In den sechs Katalogen gibt es bizarre Gegenstände, die man am besten in den richtigen Kombinationen verbrennt.
In den sechs Katalogen gibt es bizarre Gegenstände, die man am besten in den richtigen Kombinationen verbrennt.
Ab einer bestimmten Zahl schaltet man mit Kombos wiederum einen neuen der sechs Kataloge mit ihrem skurrilen Angebot freischalten, das von Fotos, Pillen und Bauklötzen bis hin zu Haushaltsgeräten, Spielzeug und Lebensmitteln reicht – natürlich wird alles ein wenig teurer. Zunächst reichen drei, dann braucht man acht, dann fünfzehn und mehr erfolgreiche Kombos für frische Gegenstände. Was man zusammen verheizen muss, kann man nur aufgrund kleiner Hinweise in der jederzeit einblendbaren Liste der 99 Kombos erahnen.

Was braucht man wohl für Katzenwäsche, Seefahrer oder Herz und Seele? Für die Kombo „Eingerahmt“ braucht man z.B. ein Poster, ein Portrait und ein Ölgemälde. Vieles lässt sich sehr einfach erraten, nur ab und zu muss man etwas länger grübeln, was schade ist. Letztlich hilft auch immer das Alles-verbrennen-Prinzip: Möglichst viel gleichzeitig trocken stapeln und dann entzünden – irgendeine Kombo wird schon dabei sein. So wirkt das recht beliebig und irgendwann ist die Luft raus aus dem Spielprinzip.

Keine Gefahr, keine Herausforderung

Irgendwann trifft man auf eine Nachbarin, die man per Briefpost beschenken kann.
Irgendwann trifft man auf eine Nachbarin, die man per Briefpost beschenken kann. Im Laufe der Zeit entwickelt sich daraus die überraschende Story des Spiels.
Hinzu kommt, dass einem nichts passieren kann, dass man also weder etwas falsch machen noch in Gefahr geraten kann. Selbst dann nicht, wenn es plötzlich im Kamin regnet oder Dinge zu Eis werden. Wer also gar nicht zum Heizen hat, kann auch nicht erfrieren. Zu früh bemerkt man auch, dass man selbst mit extrem gefährlichen Kombinationen und Explosionen nichts an seinem Kamin kaputt machen oder gar jemanden gefährden kann. Die Entwickler verfolgen einen ähnlichen Spieldesignansatz wie  Journey oder Unfinished Swan, der nicht den Wettbewerb und Skills, sondern das Erlebte und Emotionen in den Vordergrund stellt.

Das Problem: Die Immersion ist hier nicht stark genug, also das Verschmelzen und Abtauchen mit dem Spielerlebnis. Little Inferno versucht über das Atmosphärische sowie die Andeutungen der Story zu punkten, die einen mit erzählerischer Wärme durch eine kalte Welt ziehen soll, wo alle Menschen nur noch vor dem Kamin sitzen, um sich gegen den Dauerwinter zu wappnen. Steckt da eine Botschaft dahinter? Die Verzweiflung des abgeschotteten digitalen Individuums, das sich in soziale Netze flüchtet? Wie auch immer: Diese metaphorische Ebene ist nicht stark genug. Selbst wenn es aufgrund der Briefwechsel zu einer gewissen Beziehung mit der zunächst nervigen, aber immer liebenswerter und irgendwann verzweifelten Nachbarin kommt, vermisst man nach den drei Stunden einfach mehr spielerische Entwicklung und mehr erzählerische Tiefe.

Fazit

Little Inferno ist ein charmanter Arcade-Puzzler mit einem interessanten Storytelling-Ansatz. Es riecht aufgrund der skurrilen Gegenstände und witzigen Erzählweise ein wenig nach LittleBigPlanet, so dass man sich in der ersten Stunde neugierig vorwärts heizt, während man in Katalogen stöbert und mit einer bizarren Nachbarin kommuniziert. Aber dann bemerkt man, dass einem trotz der Eiseskälte in der Welt nicht passieren kann, dass weder Kamin noch Wohnung gefährdet sind, dass es zu wenig Rätselanspruch gibt und dass es eher um das atmosphärische Erlebnis geht. Allerdings will das explosive Arcade- & Freischalt-Prinzip nicht so richtig zu dieser metaphorischen Ebene passen, die nur in Ansätzen für emotionale Bindung, erzählerische Überraschungen und etwas Nachdenklichkeit sorgt. Kaum war ich neugierig und hatte keine Lust mehr, weitere Gegenstände auszuprobieren, weil das Verheizen so beliebig wirkte, war das Spiel nach knapp drei Stunden auch schon vorbei. War das alles, Leute? Angesichts der Klasse von World of Goo wirkt Little Inferno wie eine kreative, aber nicht  zu Ende gedachte Fingerübung. Für die Mittagspause und kleine Feuerteufel trotzdem ein unterhaltsamer Snack, der übrigens auch zum Wii U-Start erscheint.

Pro

interessante Spielidee
motivierendes Freischaltprinzip
Kombosuche mit Puzzlecharakter
feurige Kettenreaktionen & Physikspielereien
kleine Storyüberraschungen
witziges Artdesign, lustige Dialoge
eigene Fotomotive hochladen & verbrennen

Kontra

lediglich ein Schauplatz
keine Gefahren beim Verheizen
sehr einfache Komborätsel
zu wenig spielerische Entwicklung & Überraschungen
Storytelling beißt sich mit Arcade-Freischaltprinzip
drei Stunden Spielzeit

Wertung

PC

Ein charmanter Arcade-Puzzler mit interessanten Storytelling, dem spielerisch viel zu früh die Luft ausgeht.

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