Schiff-Simulator 2012 - Binnenschifffahrt 09.08.2012, Mourad Zarrouk
Schiff-Simulator 2012 - Binnenschifffahrt

Im Test:

Vor  drei Jahren begannen wir mit den Tests von Alltags- und Berufssimulationen. Den Anfang machte seinerzeit der Schiff-Simulator Gold. Es folgte noch eine „extreme“ Variante, dann wurde es sehr ruhig um das Thema. Aber jetzt geht es weiter und diesmal werden Flüsse befahren.

Unterwegs auf  Rhein und Main

Wie der Test des Werksfeuerwehr-Simulators gezeigt hat, steht und fällt eine Simulation

Mer losse de Dom in Kölle: Mit dem Ausflugsdampfer unterwegs.
Mer losse de Dom in Kölle: Mit dem Ausflugsdampfer unterwegs.
mit dem Entwickler; Rondomedia hatte dort arg daneben gegriffen. Wird man diesen wichtigen Titel auch derart vor die Wand fahren oder beweist  die Schwesterfirma Astragon diesmal das bessere Händchen? Nachdem der ursprüngliche Entwickler Vstep nicht mehr an Bord ist,  vertrauen die Mönchengladbacher die Binnen-Schifffahrt  „Weltenbauern“ an. Ein  kleines Wiesbadener Studio ,das im letzten Jahr mit dem Bau-Simulator 2012  einen Achtungserfolg landen konnte. Wie schlagen sie sich auf dem Wasser? Der komplette Rhein von Duisburg bis nach Mainz und ein Stück Main bis Frankfurt hat seinen Weg ins Spiel gefunden. Sämtliche der 20 wichtigsten Häfen sind dabei und sechs Binnenschiffe stehen zur Auswahl.

Erfahrungspunkte statt Karriere

Nach der Installation steht mir mit dem Frachtgutschiff zunächst nur eines der sechs Schiffe zur Verfügung. Weitere werden durch Erfahrungspunkte freigeschaltet die mir nach erfolgreichem Abschluss eines Auftrages winken. Effektiv müssen etwa vier bis sechs Aufträge absolviert werden, bis ein neues Schiff angewählt werden kann. Das wäre sehr mühsam und ein großer Kritikpunkt, wenn es nicht die wunderbare Option gebe, die reinen Fahrten zu überspringen und sogar das Beladen und Löschen der Ladung automatisiert durchführen zu lassen.

Zunächst widme ich mich dem für meinen aktuellen Schiffstyp verfügbaren Tutorial. In schon fast traditioneller Ermangelung einer Sprachausgabe bei den Alltagssimulationen klicke ich mich so durch elf  Registerkarten und erfahre alles Notwendige zum Thema Laden/Löschen von Gütern, Steuern des Schiffes sowie Auftragsannahme. Ein echtes Tutorial ist dies freilich nicht, eher eine Erweiterung des Handbuchs. Danach geht es frisch ans Werk. Es gilt Schüttgut von Bonn nach Düsseldorf zu transportieren. Also auf in die ehemalige Bundeshauptstadt.

Was ist es am Rhein so schön...

Wie schon bei ihrem Erstlingswerk begeistern die Entwickler zwar nicht hinsichtlich der

Auf der Brücke eines Tankschiffes.
Auf der Brücke eines Tankschiffes.
Kulisse, lassen aber eine durchaus ansehnliche und realistische Spielwelt entstehen. Das Wasser des Rheins spiegelt sich im Sonnenlicht, das Ufer ist gesäumt von den typischen Weinbergen sowie Schlössern und auch Städte und Dörfer entlang des Stromes sind glaubwürdig inszeniert. Auf den Straßen fahren PKW und LKW; über die Bahnlinien zischen regelmäßig Güter- oder Personenzüge. Das trägt alles zu einer glaubwürdigen Spielwelt bei, genau wie sich das für eine Simulation gehört. Die Steuerung meines Frachters erweist sich als eingängig: Es wird Schub auf die Schraube gegeben, anschließend kann ich per Zeitsteuerhebel vorgeben ob und wie steil mein Kahn eine Kurve zieht (wichtig bei den zahlreichen Windungen des Rhein), für kurzfristige oder scharfe Manöver steht mir der Wegsteuerhebel zur Verfügung und für feine Manöver beim An- und Abdocken gibt es das Querstrahlruder. Die Steuerung ist optional direkt per Tastatur möglich oder aus der Führerhaus-Ansicht per Mausbedienung der abgebildeten Hebel und Knöpfe. Die Schubverzögerung durch Wasser und Strömung ist glaubwürdig und so ziehe ich gemütlich meine Runden über den Rhein...etwas zu gemütlich für meinen Geschmack. Gottlob haben die Weltenbauer an eine Zeitraffer-Funktion gedacht. Wahlweise bis zu fünf-oder zehnfache Beschleunigung ist möglich und schon kann mein Fluss-Frachter gefühlt mit Motorbooten mithalten. Trotzdem kann so eine Reise noch immer sehr, sehr lange dauern und da kommt der „Autopilot“ wie gerufen. Mit einem Klick auf der Karte werde ich direkt vor den Hafen meines Zielortes gebeamt. Einlaufen und andocken muss ich indes schon noch selber, sonst wäre es ja auch zu einfach.

Kranführer-Sim inklusive

Freunde von Bagger-Simulationen wird es freuen: „Hier läuft die Ware nicht vom Band,

Das steuern einer Fähre gehört zu den anspruchsvolleren Aufgaben.
Das Steuern einer Fähre gehört zu den anspruchsvolleren Aufgaben.
hier schafft man noch mit Herz und Hand“. Tatsächlich kann und soll ich mein Schüttgut am Start- und Zielhafen per Lastkran und Schaufel selbst laden und löschen. Dazu steige ich in die Kanzel des Krans und bediene das Ungetüm. Das funktioniert besser als bei manch einem XY-Maschinen-Simulator! Macht es aber dauerhaft Spaß, Kubiktonnen an Schüttgut ein und wieder auszuladen? Mir eher nicht und so weiß ich die automatische Be- und Entladefunktion sehr zu schätzen. Im weiteren Spielverlauf fahre ich dann Containertransporter Öltanker und auch dort wird die Be- und Entladung erfreulich realistisch inszeniert. Chapeau! Eine Roll-on- Roll-off-Fähre für PKW, ein Ausflugsdampfer und ein Schubschiff (das allerdings sonderbarerweise keine abtrennbaren Lastkähne vorzuweisen hat) komplettieren das halbe Dutzend an Schiffen. Nach dem Download des ersten Updates kommt dann noch ein Sportboot hinzu, mit dem sich „just for fun“ über den Rhein heizen lässt. Positive Erwähnung hat auch die Geräuschkulisse verdient: Zwar gibt es keine einzige Note Spielmusik (man kann und soll eigene MP3's einbinden), aber die schweren Diesel der Binnenschiffe wissen akustisch zu überzeugen und tragen zur glaubwürdigen Kulisse bei. Alles in allem ein solides Paket.

Licht und Schatten

So viel zum Haben, im Soll steht indes auch einiges: Im Grunde steuern und spielen sich

Das Betanken eines Öltankers ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.
Das Betanken eines Öltankers ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.
insbesondere die vier Güterschiffe alle sehr ähnlich. Lediglich die Fähre unterscheidet sich in ihrer  Steuerungsmethode quer zum Strom von den anderen Schiffen. Wenngleich es dunkle Szenarien gibt, konnte ich keine stockfinstere Nacht ausmachen. Gleiches gilt für Regen, Nebel oder gar Schnee. Wenn dies stattfinden sollte, dann hatte ich nie das Glück, es zu erleben. Dass es kein echtes Tutorial (mit Sprachausgabe) gibt, sondern nur eine Erweiterung des Handbuchs innerhalb des Spiels ist ebenfalls schade. Als wirklich bedauerlich empfinde ich den Rückschritt den der Entwickler bei Karriere und Charakterbildung gegangen ist. Beim Bau-Simulator 2012 erlebte ich noch eine Karriere, warum hat man dies hier nicht konsequent fortgeführt? Schon weil Binnenschiffer sehr häufig Einzelunternehmer sind. Dieses Potential wurde leider liegengelassen. Größter Kritikpunkt ist aber das fehlende Schadensmodell: Es gibt kein Scheitern. Sinken ist unmöglich. Ich kann noch so heftig mit der Kaimauer oder einem Kollegen kollidieren, dies hat keinerlei Auswirkung auf meinen Kahn außer dessen Verlangsamung bzw. dem Stopp...das ist schwach!  Dennoch: Alles in allem bekommt der an Binnenschifffahrt interessierte Simulationsfreund hier eine solide  „Abhandlung“ des Themas mit einigem Ausbaupotential, denn die Entwickler haben ihr Spiel ausdrücklich sehr offen für das Thema Modding konzipiert.

Fazit


Weltenbauer... der Name ist hier gleich im doppelten Wortsinn Programm: Zum einen erschaffen die Wiesbadener Entwickler tatsächlich wieder eine recht glaubwürdige Welt am PC. Und zum anderen liegen Welten zwischen diesem Spiel und einem Schrott wie dem Werksfeuerwehr-Simulator von vor zwei Wochen. Hier stimmt  auch noch nicht alles, aber eben viel, viel mehr! Kulisse, Sound, Steuerung und Physik passen und das ist bei einer Simulation schonmal die halbe Miete. Sicherlich: Ein Bruttoregistertonnen schwerer Binnenschiff-Frachter wird nicht mit ein, zwei Handgriffen zu steuern sein und die Tatsache dass hier Wasser eben doch Balken hat und meine Kähne unsinkbar sind, machen auch diese „Simulation“ eher zu einem Einsteiger-Simulatiönchen - aber immerhin einer mit einer Portion Charme. Mit echter „Karriere“ und Schadensmodell wäre hier noch deutlich mehr drin gewesen, eventuell wird das ein oder andere Update dies (wie das Motorboot) ja noch bereitstellen – aktuell macht dies aber den Unterschied zwischen einem guten und einem soliden Spielerlebnis aus. Letzteres kann ich dem Binnenschiff-Simulator schon heute attestieren.

Pro

Be- und Entladen manuell möglich
Be- und Entladen automatisiert möglich
komplette Rheinfahrten möglich
automatisierte Rheinfahrten möglich
Zeitraffer-Funktion
Moddingschnittstelle
glaubwürdige Inszenierung
realistische Soundkulisse

Kontra

keine Sprachausgabe
kein echtes Tutorial
kein Schadensmodell
keine echte Karriere
keine deutlichen Wetterverhältnisse
keine echten Nachtfahrten
keine Spielmusik

Wertung

PC

Eine umfassende und solide Abhandlung des Themas Binnenschifffahrt mit viel "Luft" nach oben.

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