GRID 229.05.2013, Jan Wöbbeking
GRID 2

Im Test:

Fünf Jahre mussten sich GRID-Fans gedulden: Nach mehreren Updates von DIRT und F1 kümmert sich Codemasters endlich wieder um die vernachlässigten Race-Driver-Serie. Diesmal hilft der Spieler beim Aufbau einer neuen Rennserie mit erstaunlich vielseitigen Disziplinen.

Investor mit Benzin im Blut

Der Trip um den Globus beginnt mit einem Anruf: Investor Patrick Callahan besitzt genügend Wagemut und finanzielle Mittel, eine eigene große Rennserie auf die Beine zu stellen. In ihr sollen sich amerikanische PS-Protze, europäische Technik-Freaks und die elegantesten Drift-Künstler messen. Um genügend zahlende Fans und Sponsoren für den wilden Mix der Disziplinen zu begeistern, benötigt Callahan allerdings noch einen Star – und genau hier kommt die Hauptfigur ins Spiel. Nach ein paar erstaunlichen Leistungen wird der Finanzier auf das Ausnahmetalent aufmerksam und spricht mir eine Einladung auf den Anrufbeantworter.

Er organisiert Einladungen zu den Rennen angesehener Renn-Clubs auf der ganzen Welt und ich gewinne meine Gegner durch ein beeindruckendes Ergebnis für unsere Liga. Die Rahmenhandlung verknüpft die Rennen auf unterhaltsame Weise miteinander, z.B. mit gelegentlich eingestreuten ESPN-Berichten von unseren Erfolgen. Außerdem trifft sie dank professioneller Sprecher den richtigen Ton: Ein paar lockere Sprüche hier und da, aber auch keine übertrieben aufgekratzte Festival-Stimmung wie bei DIRT oder Forza Horizon. Nachdem ich ein paar neue Wagen in Fahrzeug-Challanges freigeschaltet und weitere Fans in Sponsoren-Rennen gewonnen habe, starte ich in die erste Saison. Danach geht es wieder auf Promo-Tour und in weitere Runden der WSR.

Arcade bis zum Anschlag

Der Boxenfunk gibt gelegentlich nützliche Infos durch. Manchmal erzählt er aber völligen Unsinn - z.B. dass man nach dem Zieleinlauf noch einmal alles geben und den Gegner attackieren soll.
Der Boxenfunk gibt gelegentlich nützliche Infos durch. Manchmal erzählt er aber völligen Unsinn - z.B. dass man nach dem Zieleinlauf noch einmal alles geben und den Gegner attackieren soll.
Tourenwagen spielen nicht mehr eine so zentrale Rolle wie in den Vorgängern TOCA und DTM Race Driver. Der Fuhrpark reicht von Muscle Cars wie Ford Mustang Mach 1 über asiatische Drift-Schleudern wie den Honda S2000 bis hin zu Tourenwagen wie dem Volvo S60 BTCS sowie PS-Monstern vom Schlag eines Bugatti Veyron 16.4.

Auf der Piste verschiebt Codemasters den Focus noch ein Stückchen weiter in Richtung Arcade: Wer seine Wagen gerne en detail aufmotzt oder an den Feinheiten des Setups schraubt, ist hier an der falschen Adresse. Stattdessen konzentriert sich das Spiel ganz auf die Action hinter dem Steuer (mit der Ausnahme von kleinen Tuning-Paketen im Online-Modus, aber dazu später mehr). Auch das Handling ist ganz auf unkomplizierten Fahrspaß ausgerichtet. Die Wagen reagieren direkt und knackig auf meine Eingaben und vor einer Schikane muss ich deutlich später in die Eisen steigen als in der Realität. Das Spiel mit Gas und Bremse wirkt zwar nicht ganz so filigran wie in Project Gotham Racing 4, doch auch hier kann ich mich damit feinfühlig über die Piste schlängeln. Eine Ausnahme sind die Driftrennen: Sobald ich durch die richtig engen und langen Haarnadelkurven Hongkongs schliddern soll, wird es hakelig. Die bockige Steuerung macht es mir viel schwerer in einen Fluss zu kommen und Punkte-Kombos aufzubauen als z.B. in The Fast and the Furious: Tokyo Drift.

Unterhaltsamer Mix

Von solchen Aussetzern abgesehen bieten die Modi aber einen gelungenen Mix aus klassischen und neuen Renntypen. Dazu gehören Positions-, Zeit-, Checkpoint- und verhältnismäßig kurze Ausdauer-Rennen, Duelle sowie die Aufholjagd „Touge“. In Letzterer düse ich mit waghalsigem Tempo asiatische Serpentinen hinauf. Sobald ich fünf Sekunden Vorsprung gewonnen habe, gilt die Runde als gewonnen – oder ich flitze einfach ganz klassisch als erster über die Ziellinie. Ebenfalls dabei: Eine Überhol-Jagd, bei der ich an behäbig über die Strecke eiernde Statisten vorbei zische. Da jede Berührung den Kombo-Zähler leert, ist dieser Balanceakt besonders spannend. Schade, dass sich die Überholvorgänge nicht wie in PGR 4 mit Drift-Manövern und anderen Kunststückchen kombinieren lassen. Daher ist der Modus nicht wirklich abendfüllend, aber immerhin eine willkommene Abwechslung.

Turbulent wird es in den neuen LiveRoute-Rennen: Dort sieht die Strecke jedes mal anders aus, weil sie sich dynamisch ändert. Da die Minimap ausgeblendet wird, spielt Streckenkenntnis hier kaum eine Rolle. Stattdessen werden gute Reaktionen und vorausschauendes Fahren belohnt. Natürlich ist es hier gar nicht so leicht, sein Fahrzeug heil über die Ziellinie zu bringen – zumindest, wenn ich das Schadensmodell nicht zur rein optischen Variante ändere. Wie im Vorgänger fliegen nach und nach Motorhaube, Kotflügel und andere Teile weg. Wenn ich Pech habe, bekommt der Wagen einen Rechtsdrall, lässt sich kaum noch einlenken oder schleift sogar laut quietschend auf einer funkensprühenden Felge ins Ziel. Totalschäden sind trotzdem selten; außerdem werde ich zumindest im Touge disqualifiziert, wenn ich zu rüpelhaft attackiere.

Nicht schon wieder!

Vorsicht, zickige Steuerung: Die zähen Drift-Rennen sind der einzige misslungene Modus.
Vorsicht, zickige Steuerung: Die zähen Drift-Rennen sind der einzige misslungene Modus.
Diese Regel hält KI-Gegner übrigens nicht davon ab, sich wie im Vorgänger stur durchzurempeln. Zum Glück machte ich nur alle paar Minuten den Abflug durch solch eine Attacke und konnte das Malheur mit der Rückblende meist wieder ausbügeln: Ähnlich wie im Vorgänger lässt sich die Zeit einige Sekunden zurückspulen. Diesmal muss ich zum erneuten Einsteigen allerdings den richtigen Moment erwischen  und kann nicht frei hin- und her spulen. Die Aggro-KI kann den Spielspaß also nur leicht beeinträchtigen, ist aber trotzdem einer der größten Kritikpunkte. Auch ein leichter Gummiband-Effekt macht sich bemerkbar. Manchmal traten meine Kontrahenten z.B. kurz vor dem Ziel ohne Grund auf die Bremse und ließen mich ohne Gegenwehr durchschlüpfen.

Die umfangreiche Karriere führt auf lizenzierte Pisten wie Brands Hatch oder den Red Bull Ring, das rutschige Pflaster der Pariser Innenstadt und die noch kniffligeren Kurven zwischen den Großbaustellen Dubais. Alles, was sich direkt vor der Kamera abspielt, sieht wieder richtig klasse aus: Die Wagen wurden detailreich modelliert, der Asphalt besitzt feinste Strukturen und auf der Motorhaube spiegelt sich die Umgebung auf beeindruckend realistische und flüssige Weise. Der Effekt kommt besonders gut zur Geltung, wenn ich in einem Nachtrennen durch die schimmernden Lichter Miamis rase. Die Zuschauer und der weiter entfernte Hintergrund sehen dagegen nur durchschnittlich aus. Kilometerweite Prachtpanoramen wie in Forza Horizon sind hier Fehlanzeige. Stattdessen werden weit entfernte Objekte von einem grauen Schimmer bedeckt. Das Ergebnis erinnert zwar auf realistische Weise an leichten Smog oder Nebel, wirkt aber bei weitem nicht so beeindruckend wie in Microsofts Open-World-Raser.

Rotstift und Mehrspieler-Gerempel

Im kalifornischen Wald geht es online besonders ruppig zur Sache: Oft schafft es das halbe Feld nicht mal bis ins Ziel.
Im kalifornischen Wald geht es online besonders ruppig zur Sache: Manchmal schafft es das halbe Feld nicht mal bis ins Ziel.
Ein folgenreicher Einschnitt ist der gestrichene Cockpit-Modus. Nicht nur, weil Michael mich vermutlich lynchen würde, wenn ich vergessen hätte, ihn zu erwähnen, sondern auch, weil er im Vorgänger für ein intensives Mittendrin-Gefühl sorgte. Wollten die Entwickler sich einfach die zeitintensive Gestaltung der Cockpits sparen? Auch an anderer Stelle wurde der Rotstift angesetzt: Statt einem Rückspiegel gibt es nur noch den Blick nach hinten, indem man auf den rechten Stick klickt. Auch wer mit verschiedenen Fahrhilfen experimentieren will, kommt nicht auf seine Kosten. Traktionskontrolle oder andere Feinheiten lassen sich nicht einzeln an- oder ausschalten. Im Gegenzug darf aber jederzeit der Schwierigkeitsgrad der Karriere geändert werden. Gut gefällt mir, dass Codemasters auch auf eine eingeblendete Ideallinie verzichtet, welche anzeigt, wann genau ich Gas geben oder bremsen soll. Mich nerven solche Krücken mehr als sie mir nutzen. Den größten Spaß habe ich in Rennspielen schließlich daran, für einzelne Fahrzeuge selbst die Ideallinie auszutüfteln.

Im Online-Modus kämpfe ich um Fans, Geld und Erfahrungspunkte. Bis zu zwölf Spieler finden sich nach der automatischen Spielersuche in einer Lobby ein und düsen kurz darauf in meist flüssigen Matches um die Wette. Der Online-Part funktioniert völlig eigenständig: Autos aus der Karriere werden nicht übernommen. Stattdessen kaufe ich meine Rennmaschinen hier mit verdientem Geld oder motze sie sogar ein wenig auf. Statt umfangreichem Tuning gibt es aber dem Arcade-Ansatz entsprechend nur einfache Upgrade-Kits in den Bereichen Motor, Antriebsstrang und Handling. Ein wenig aufpassen muss ich dabei trotzdem: Verbessere ich z.B. meinen Golf R zu stark, steigt er in die nächste Klasse auf.

Challenge accepted!

In der Karriere lassen sich die Wagen nur visuell aufmotzen, im Online-Modus gibt es einfach gehaltene Tuning-Pakete.
In der Karriere lassen sich die Wagen nur visuell aufmotzen, im Online-Modus gibt es einfach gehaltene Tuning-Pakete.
Auf Wunsch lassen sich auch Matches oder Rennserien nach eigenen Vorstellungen erstellen, die Einstellungsmöglichkeiten halten sich aber in Grenzen. Statt bestimmten Wagen wird z.B. lediglich die Fahrzeugklasse festgelegt. Wer in der Lobby mit einer Strecke oder einem Modus unzufrieden ist, kann sie mit einem Veto blockieren. Oder man setzt ein eigenes Spiel auf, muss dann aber wohl oder übel auf andere Mitspieler warten, denen die Regeln gefallen - oder einfach Freunde einladen.

Damit der Spieler sich nicht in den Weiten der Bestenlisten verliert, hat Codemasters dem Online-Part ein paar motivierende Rivalen verpasst. Wenn ich sie in einer der wöchentlichen globalen Challenges besiege, kann ich dadurch genauso im Rang aufsteigen und Fans gewinnen wie in Online-Rennen. Auf dem Internet-Portal Racenet lassen sich Fortschritt, einige Statistiken und der aktuelle Stand gegen Rivalen einsehen. Neben automatisch zugewiesenen Gegnern kann ich mir auch sogenannte soziale Rivalen herauspicken – indem ich z.B. die letzten Mitspieler nach bestimmten Kriterien sortiere oder Freunde herausfordere. Neu dabei sind übrigens Splitscreen-Rennen für Offline-Duelle zu zweit. Auf PS3 und der Xbox 360 ruckeln diese allerdings ziemlich stark.

Zwischen den Rennen sucht man sich wieder Sponsoren, für die man nebenbei auf der Strecke ein paar gewinnbringende Extra-Ziele erfüllt.
Zwischen den Rennen sucht man sich wieder Sponsoren, für die man nebenbei auf der Strecke ein paar gewinnbringende Extra-Ziele erfüllt.

Fahren die Konsolen in zweiter Reihe?

In GRID 2 (ab 8,86€ bei kaufen) wird der grafische Unterschied zwischen PC und Konsole noch stärker deutlich als in den letzten DIRT-Ablegern. Auf einem aktuellen PC ist die Kulisse eine wahre Pracht und flutscht flüssig über den Schirm. Auch eine GTX 460 stemmt die Grafik noch problemlos mit den zweithöchsten Einstellungen. Auf der Xbox 360 sieht das Ergebnis ebenfalls gut aus, hier muss man allerdings mit 30 Bildern pro Sekunde und gelegentlichem Tearing leben. Auf der PS3 zerreißt das Bild noch etwas häufiger und auch die Texturen wirken etwas verwaschener als in der Microsoft-Version. Ärgerlich ist, dass in der Sony-Fassung beim Online-Modus geschlampt wurde: Je nach Rennen und Verbindung stottert das Bild hier mal leicht und manchmal sogar richtig stark.  

Fazit

GRID 2 hat wieder den Bleifuß in mir geweckt. Ein halbes Jahr nach Forza Horizon merke ich wieder, wie gut es tut, sich einfach hinters Steuer zu setzen, das Gehirn auszuschalten und Gas zu geben. Kein Tuning, kein Setup-Gefrickel – einfach nur Fahrspaß mit einem tollen Geschwindigkeitsgefühl. Simulations-Fans mögen den noch stärkeren Arcade-Fokus bedauern, ich als Arcade-Freund werde aber prima unterhalten. Die Steuerung ist knackig direkt, die Modi sind abwechslungsreich und auch grafisch spielt Codemasters in der ersten Liga. Dank des gelungenen Rivalen-Systems bleibt der Online-Modus ebenfalls lange spannend. Dass es für Gold trotzdem nicht reicht, liegt daran, dass die Entwickler ein paar bekannte Baustellen nicht angefasst haben. Dazu gehören die schwammigen Drift-Rennen, der schwankende Schwierigkeitsgrad, der leichte Gummiband-Effekt und vor allem die rempelnde KI, deren Attacken man oft mit der Rückspul-Funktion ausbügeln muss. Warum ausgerechnet die gelungene Cockpit-Perspektive gestrichen wurde, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Trotzdem kann ich GRID 2 Arcade-Freunden ans Herz legen. Es hat mich bei weitem nicht so gepackt wie Forza Horizon oder das gute alte PGR4, glänzt aber mit spannenden Veranstaltungen und einem gelungenen Online-Modus.

Pro

gelungene, dezent inszenierte Rahmenhandlung
gute Mischung aus realen Pisten und Stadtkursen
umfangreiche Karriere
abwechslungsreiche Disziplinen
rasantes Geschwindigkeitsgefühl
spannende Fantasie-Modi wie Überholen und LiveRoutes
lizenzierte & detailliert modellierte Boliden
feine Spiegelungen, Rauch und Effekte
ansehnliches Schadensmodell nimmt Einfluss aufs Fahrverhalten
kraftvolle Soundeffekte
gut vertonte, nützliche Hinweise vom Boxenfunk...
Splitscreen-Duelle für zwei Spieler möglich...
meist flüssige Internet-Rennen für bis zu zwölf Fahrer (PC)
motivierende Online-Rivalen und -Aufgaben
Wiederholungen per Youtube hochladen

Kontra

Schwierigkeitsgrad schwankt
aggressive KI rempelt zu häufig
leichter Gummiband-Effekt
mühsame Driftrennen mit zäher Steuerung
Cockpit-Ansicht und Rückspiegel wurden gestrichen
keine wechselnden Witterungsverhältnisse
nur wenige fade Musikstücke in Menüs
vereinzeltes (360) bzw. häufiges Tearing (PS3)
Online-Modus leidet unter Rucklern (PS3)
wenige Optionen für eigens erstellte Internet-Rennen
...ab und zu gibt der Boxenfunk falsche oder sinnlose Kommentare ab
...Splitscreen-Rennen leiden unter starken Rucklern (360, PS3)
Grafikfehler beim Schadensmodell
seltene Abstürze

Wertung

360

Schnell, spannend, abwechslungsreich: Trotz Macken wie der rempelnden KI steckt im zweiten GRID ein richtig guter Arcade-Raser.

PC

Die PC-Fassung sieht eine ganze Ecke hübscher aus; außerdem muss man hier nicht mit Tearing und 30 Bildern pro Sekunde leben.

PlayStation3

Die PS3-Version leidet im Online- Multiplayer unter häufigen Rucklern; auch Tearing tritt öfter auf als auf der 360.

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