Wargame: AirLand Battle31.05.2013, Eike Cramer
Wargame: AirLand Battle

Im Test:

Nachdem in Wargame: European Escalation der Bodenkonflikt in Europa entbrannte, wird in Wargame: Airland Battle (ab 4,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) auch aus der Luft gekämpft. Können die kombinierten Streitkräfte, die sich in Skandinavien beharken, am durchwachsenen Vorgänger vorbeiziehen?

Über den Wolken

Zunächst zur wichtigsten Frage: wie fügt sich die neue Luftwaffe ein? Diese kann, sobald ein Luftkorridor, ähnlich wie für den Landnachschub, gesichert wurde über ein separates Panel auf das Schlachtfeld gerufen werden.  Einmal im Kampfgebiet, darf ich den Jets auch manuell neue Bewegungs- und Zielefehle geben oder Notevakuierungen anordnen. Die Flugzeuge sind sehr flexibel einsetzbar und bei richtiger Aufklärung eine schlagkräftige Waffe. Abfangjäger, Jagdbomber, Bomber sowie Anti-Radar-Aufklärer bringen eine neue taktische Komponente ins Spiel, die in vielen Situationen zum Umdenken zwingt.

Nun gilt es, vor allem befestigte Stellungen und Kommandofahrzeuge mit mobiler Luftabwehr zu beschützen und Nachschubrouten nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine A-10 Warthog verwandelt die wichtigen Logistikfahrzeuge nämlich schnell in rauchende Trümmer. Auch Helikopter, so mächtig sie gegen Kampfpanzer sind, werden von ein, zwei Sidewinder-Raketen schnell vom Himmel gepustet und Artillerie im Wald zu verstecken reicht gegen die Bomben einer F-117A Nighthawk nicht mehr aus.  Trotzdem sind die Flugzeuge verletzlich genug, um die Balance nicht zu zerstören. Oft reicht ein gut platziertes radargelenktes Raketensystem oder zwei, drei mobile Luftabwehrgeschütze um die Luftüberlegenheit des Gegners zu beenden. Warum ich allerdings z.B. mit einem Tornado Gebiete nicht aufklären kann ist unverständlich; gerade Jets im Tiefflug sollten eigentlich dafür prädestiniert sein, Panzergruppen aufzuspüren.

Fokusgruppe Multiplayer

Die neuen Flugzeuge sind gut integriert und erhöhen die Spannung in den Gefechten.
Die neuen Flugzeuge sind gut integriert und erhöhen die Spannung in den Gefechten.
Vor allem im Mehrspielermodus, auf dem schon zuvor das Hauptaugenmerk der Entwickler lag, kann das neue Spielelement überzeugen. Die Flugzeuge werden in diesen Matches vor allem zu schnellen Kontermaßnahmen, was Erinnerungen an R.U.S.E. weckt, auch wenn die Jets nichts mit den Ablenkungsmaßnahmen des Titels zu tun haben. Gerade Spieler die hauptsächlich auf Artillerie setzen, können durch die Bomber eine böse Überraschung erleben. Das Einigeln in Stellungen wird schwieriger und durch die notwendige Luftabwehr punkteintensiver, sodass sich das Tempo der Gefechte etwas erhöht.

Der 10-gegen-10-Modus, in dem 20 Spieler auf einer der großen Karten gegeneinander antreten, ist dadurch sehr spannend. Hier wird nämlich deutlich, wer seine Armeezusammenstellung (Deck) perfektioniert hat. Richtig gewitzte Spielergruppen haben natürlich für jede der acht Waffengattungen einen Spezialisten im Team und koordinieren ihre Taktik im großen Stil.

Die Decks können von den Spielern nach Belieben zusammengestellt und mit einer Auswahl aus den weit über 300 verschiedenen Vehikeln, Flugzeugen und Infanteristen  bestückt werden, sofern sie denn über Punkte und Levelaufstiege freigeschaltet wurden.  Dies eröffnet eine große Anzahl von taktischen Möglichkeiten und Strategien, erfordert aber auch Mut zur Lücke, da man nie so genau weiß mit was für Truppen der Gegner in die Schlacht zieht. Die Onlinematches sind spannend, taktisch und können bei hohen Siegpunktelimits durchaus die Stundenmarke knacken.

Nichts dazugelernt?

Die Kulisse ist alles in allem ordentlich hat aber Detailschwächen.
Die Kulisse ist alles in allem ordentlich, hat aber Detailschwächen.
Dennoch gibt es auch im ordentlichen Multiplayer ähnliche Probleme wie im Vorgänger Wargame: European Escalation (zum Test). Noch immer werden mehrere Panzer, sofern ich sie zusammen bestelle, in Kompanien geliefert. Diese muss ich nach wie vor umständlich über das Seitenmenü aufteilen oder zusammenfügen, was in arge Fummelarbeit ausarten kann. Noch immer lassen sich Brücken nicht zerstören, auch wenn die neuen Bomber tonnenweise Sprenggut über ihnen abwerfen und auch die roboterhaften Soldaten ohne Deckungsanimationen und mit lemmingartigem Anrennen sind weiterhin mit von der Partie.

Es gibt auch nach wie vor keine konsistente Kollisionsabfrage zwischen Kriegsgerät und Umgebung, was gerade in der größten Zoomstufe unangenehm auffällt. Fast jeder Kritikpunkt am Vorgänger gilt genauso für Airland Battle – bis hin zu dem simplen Stein-Schere-Papier Prinzip, das hinter dem unglaublich umfangreichen Einheitensammelsurium von NATO und Sowjets steckt. Auch die teils inkonsequenten und unhandlich einzusehenden Sichtlinien der eigenen Streitkräftewurden unverändert übernommen.

Die Karten sind riesig, die Gefechtsentfernungen entsprechend hoch.
Die Karten sind riesig, die Gefechtsentfernungen entsprechend hoch.

Was mir gut gefällt: Die großen Karten, auf denen sich Siedlungen und ländliche Umgebungen abwechseln, die weiten Kampfentfernungen sowie die taktisch anspruchsvollen Gefechte. Auch das Handling des Nachschubs sorgt immer noch für Schweiß auf meiner Stirn, da Panzer ohne Sprit und Munition schnell zu Übungszielen für feindliche Helikopterpiloten werden. Zudem wurde etwas an der Grafikschraube gedreht: Zwar hat die Kulisse im Detail ihre Schwächen, aber Fahr- und Fluggerät sowie Explosionen und  Effekte können sich durchaus sehen lassen. Die Weiterentwicklung ist in vielen Bereichen der Spielmechanik allerdings eher auf Erweiterungs-, als auf Nachfolger-Niveau.

Kampagneninszenierung: So nicht!

Die Kampagne war im Gegensatz zum Multiplayer schon das Sorgenkind des Vorgängers. Wo Wargame: European Escalation aber wenigstens noch eine halbherzige Inszenierung vorschob, gibt es in Wargame: Airland Battle: Nichts! Weder wird die Situation der Streitkräfte erklärt noch wird mir in Videos, Briefings oder Gesprächen ansatzweise

Das Maximum, was an Kampagneninszenierung geboten wird: eine Textbox.
Das Maximum, was an Kampagneninszenierung geboten wird: eine Textbox.
visualisiert, worum es eigentlich geht. Egal fürwelche der vier Kampagnen ich mich imAuswahlbildschirm entscheide, erwartet mich nur eine trockene Texteinführung und dann der Blick auf die sterile Gebietskarte der neuen, dynamischen Kampagne, auf der rundenbasiert agiert wird.

Hier bekomme ich Befehle wie etwa Städte einzunehmen oder Angriffe an bestimmten Stellen abzuwehren, kann meine Kampfgruppen verschieben, Nachschub platzieren und  globale Befehle wie Schiffsbombardements, Luftangriffe oder Aufklärungsflüge anfordern. Zudem gibt es globale politische Ereignisse, die z.B. den Einsatz von Atomwaffen erlauben oder dem Gegner mehr oder weniger Verstärkungen zur Verfügung stellen. Das verschafft mir einen größeren Überblick über den globalen Verlauf des Krieges (was beim Vorgänger noch fehlte).

Langeweile im Dritten Weltkrieg

Im Deck-Editor können Kampfgruppen nach Belieben zusammengestellt werden.
Im Deck-Editor können Kampfgruppen nach Belieben zusammengestellt werden.
Was jetzt aber nach Total War klingen mag, ist im Kern furchtbar belanglos und schwach in Szene gesetzt. Insbesondere die Globalereignisse, prädestiniert für Videoschnipsel oder dramatische Rote-Telefon-Anrufe, enttäuschen als schnöde Textboxen. Auch Spezialaktionen, allen voran der taktische Nuklearschlag, wirken wie Nebensächlichkeiten. Die Endzeitstimmung des Konfliktes kann so nicht aufkommen.

Die Gefechte selbst finden beim Aufeinandertreffen von verfeindeten Kampfgruppen nach wie vor in Echtzeit statt. Hier besteht das Ziel allerdings meist darin, unter Zeitdruck eine bestimmte Punktanzahl durch Zerstörung gegnerischer Einheiten zu erlangen. Das mag im Multiplayer gut funktionieren, in der Kampagne hätte ich mir abwechslungsreichere Ziele gewünscht. Realistisch ist das natürlich auch nicht, man stelle sich mal folgende Situation im Feld vor: „General, wir haben jetzt 20 Panzer verloren – das heißt der Gegner hat 2000 Punkte!“ - „ Alles klar, Major M. Geben sie das Signal zum Rückzug, wir haben wohl verloren“. Eher Slapstick als Dritter Weltkrieg.

Glücklicherweise sind Lockheed F-104 "Starfighter" im Spiel weniger Absturzbedroht als in der Realität.
Glücklicherweise sind Lockheed F-104 "Starfighter" im Spiel weniger absturzbedroht als in der Realität.
Da außerdem das Zeitlimit der Gefechte oft recht niedrig angesetzt ist, habe ich den „Unentschieden“-Bildschirm sehr häufig zu Gesicht bekommen. Es gewinnt nämlich nur der, der die Punktegrenze knackt oder alle feindlichen Kommandoeinheiten ausschaltet, was innerhalb des Zeitlimits fast unmöglich ist. Zudem sind viele Mechnaniken irgendwie merkwürdig: Eine ganze Kampfgruppe zieht sich zurück, weil die Kommandoeinheit (als einzige wohlgemerkt) zerstört wurde? Obwohl der Gegner im nächsten Gefecht offensichtlich kein Gebiet mehr besetzt hat, was ihm Nachschub gewährt, geht der Kampf weiter? Kurz: Auch wenn sie ihre Schwächen hatte, die Kampagne des Vorgängers ist mir viel lieber als dieses anonyme und sterile inszenierte Truppengeschiebe.

Fazit

Im Grunde kann man sagen: Was zu erwarten war! Nach wie vor bleibt nach dem Blick hinter die realistisch anmutende Fassade der Echtzeitstrategie aus dem Hause Eugen Systems wenig militärische Glaubwürdigkeit übrig. Es gibt immer noch keine Formationen und Marschgeschwindigkeiten; Brücken lassen sich nicht zerstören. Die Infanterie verhält sich nach wie vor merkwürdig roboterhaft, hat keine Deckungsanimationen und nur eine Bewegungsart.  Auch optisch hat sich  gerade im Bereich der Kollisionsabfragen zu wenig getan. Einzig die Kampagne wurde überarbeitet und ist jetzt nicht mehr graues Mittelmaß, sondern völlig zum Vergessen. Zwar hat man die Übersicht des globalen Konfliktes besser dargestellt, allerdings hat man jetzt die Inszenierung vergeigt. Die ist nicht nur belanglos, sondern langweilt Solisten nach wenigen Minuten, auch wenn die KI in den Echtzeit-Gefechten auf höheren Schwierigkeitsgraden durchaus zu fordern weiß. Vor allem die neuen Flugzeuge bringen taktische Überraschungen mit und erhöhen die Geschwindigkeit, was mir gut gefällt. Der Mehrspielermodus kann im Gegensatz zur Kampagne  überzeugen, insbesondere im 10-gegen-10, wo die vielen Möglichkeiten der Deckzusammenstellung sowie das umfangreiche Levelsystem zum Weiterspielen motivieren.

Pro

gut integrierte neue Luftwaffe
guter Mehrspielermodus (10v10)
große Karten & große Kampfentfernungen
sehr viele, realistische Einheiten
taktischer und langsamer Spielablauf

Kontra

furchtbar inszenierte Kampagne
roboterhafte Infanterie
Clippingprobleme zwischen Einheiten und Umgebung
fummelige Kompaniebildung, keine Formationen
Brücken unzerstörbar, merkwürdige Sichtlinien
Kulisse mit Detailschwächen

Wertung

PC

Echtzeitstrategie im großen Maßstab mit unterhaltsamen Mehrspielergefechten, aber misslungener Kampagne.

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