Enigma: Rising Tide23.06.2003, Jörg Luibl
Enigma: Rising Tide

Im Test:

Wer angesichts der brütenden Hitze wenigstens virtuell ins kühle Nass springen will, könnte mit Enigma- Rising Tide auf seine Kosten kommen. Das Team von Tesseraction Games präsentiert eine actiongeladene Seekriegssimulation, die Euch in ein alternatives historisches Szenario entführt. Ob sich der Kampf in U-Booten, Schnellbooten und Schlachtschiffen lohnt, klärt der Test!

Weltkrieg ohne Ende

1937 mal anders: Deutschland hat den Ersten Weltkrieg gewonnen und mittlerweile sitzt Kaiser Wilhelm III auf seinem imperialistischen Thron. Von dort herrscht es sich sehr imposant - immerhin gehört die gesamte Landmasse von Nordengland bis zum Balkan zum Reich.

Doch die ganze Welt kann noch nicht am deutschen Wesen genesen, denn Amerika trotz mit Material und Truppen. Die USA konnten sich sogar Irland als kolonialen Außenposten einverleiben. Und last but not least mischt die Liga der Freien Nationen noch kräftig mit: ein bizarres Bündnis aus den Resten der britischen Marine und Japan.

Wenig Epik, schnelle Action

Wenn Ihr Euch für eine der drei Nationen und einen von zwei Schwierigkeitsgraden entschieden habt, könnt Ihr zwischen der Kampagne und freien Missionen wählen. Die Charaktergenerierung beschränkt sich auf die Namenseingabe; ein einführendes Tutorial sucht man vergeblich. Zwar gibt`s nach einem Auftrag einige Statistiken (versenkte Tonnage, Medaillen, Rang etc.), aber Euer Protagonist bleibt auch im weiteren Verlauf eher eine fade Nummer.

__NEWCOL__Hätten die Entwickler hier gleich von Beginn an mit Zwischensequenzen und einer stimmungsvollen Einführung das Gefühl einer echten Karriere vermittelt, wäre die Motivation um einiges gestiegen.

So muss man sich mit teilweise schlecht übersetzten und leicht tölpelhaften Missionsbeschreibungen zufrieden geben, bevor die Schlacht ruft. Immerhin sorgen die im Zeitungsstil dargebrachten Storyfetzen zwischen den Aufträgen mit kleinen Anekdoten und politischen Anspielungen für ein wenig historisches Flair.

Suchen & Versenken

Sobald Ihr das Kommando über ein U-Boot oder ein Kriegsschiff übernehmt, geht es zu ersten Erkundungs- und Angriffsaufträgen auf das unberechenbare Meer mit samt seinem gnadenlosen Wetter. Trotz unterschiedlicher Ausgangssituationen geht es allerdings meist darum, den Feind schnell anzugreifen und zu vernichten - wer taktische Schleichfahrtmissionen erwartet, wird eher enttäuscht, wer adrenalinhaltiges Bordgeballer erleben will, könnte gut bedient werden.

Dennoch ist das Versenken angesichts des hohen Wellengangs und mieser Sicht meist kein Kinderspiel. Und auch wenn überall lukrative Tankerkonvois auf Euch warten, können urplötzlich feindliche Zerstörer und vor allem Flugzeuge auftauchen.

Diese Bomber und Jäger werden während der Missionen von verzweifelten Kapitänen angefunkt und decken Euch mit Kugel- und Bombenteppichen ein. Wenn Ihr jetzt an das Flak-Geschütz wechselt, kommt sogar für kurze Zeit echtes Mittendringefühl auf. Insgesamt hinterlässt die KI einen guten Eindruck, verfolgt Euch und reagiert schnell.

MG & Haubitze

Auf hoher See geht es quasi in Egoperspektive zur Sache: Ihr könnt bei einem Kreuzer z.B. die verschiedenen Geschütze anwählen und mit einem Rechtsklick in die direkte Steuerung wechseln. Hier sitzt Ihr dann à la Battlefield 1942 hinter einem Flugabwehrgeschütz, einem schweren Maschinengewehr oder einer dicken Bordkanone, die sich alle anders steuern und feuern.

__NEWCOL__An Bord eines U-Bootes ist es schon schwerer. Ausreichend Luft muss vorhanden sein, die Batterien dürfen nicht überlastet werden und mit dem Periskop ist ordentlich Augenmaß gefragt: Tanker orten, Geschwindigkeit einplanen und Feuer frei. Heikel einzusetzen sind die Wasserbomben gegen feindliche U-Boote, denn Eure Gegner sind quasi unsichtbar und vor allem ihre Tiefe ist nur zu schätzen.

Von Nord nach Süd

Zur Orientierung stehen Euch ein interaktiver Kompass, ein Radar in mehreren Stufen sowie Anzeigen für Waffensysteme und Geschwindigkeit zur Verfügung. Ein kleiner Newsticker hält Euch über aktuelle Berichte au dem Laufenden. Per Maus lassen sich bequem die Motoren hoch- oder runterfahren, die Tauchtiefe einstellen oder der Kurs richten. Obwohl dieses System im Laufe der Zeit recht einfach zu beherrschen ist, verlangt es aufgrund des fehlenden Tutorials einige Zeit an Eingewöhnung.

Sehr übersichtlich ist das vergrößerte taktische Radar: Hier könnt Ihr alle Feinde als rote Punkte erkennen, detaillierte Informationen über ihre Geschwindigkeit und Bewaffnung abrufen und im späteren Spielverlauf auch Befehle wie Eskorte oder Attacke an verbündete Schiffe geben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Ihr im militärischen Rang höher steht. Falls Ihr es bis zum Admiral bringt wird Euch niemand mehr den Befehl verweigern.

Authentisches Flair?

Leider haben die Entwickler trotz der löblichen Unterstützung von Sprachbefehlen per Voice-Control den Simulationsaspekt in einigen sensiblen Bereichen zu sehr vernachlässigt: Egal ob U-Boot, Kreuzer oder Korvette - Ihr könnt nirgends auf realistische Bedienungsanzeigen, Hebel, Pumpen oder sonstiges Inventar zurückgreifen. Im Inneren der Schiffe ist quasi keine Interaktion möglich, denn alle Optik bleibt Texturfassade.

Viel gravierender wirkt das Fehlen von Personal: Wie viel Dramatik hätte man mit nervösen Offizieren, panischen Maschinenleuten oder ehrgeizigen Waffentechnikern aufbauen können? So behält Enigma immer seinen sterilen Charme, der leider auf erzählerische oder optische Finessen zugunsten der Performance verzichtet.

Hier wird deutlich, dass die gesamte Seeschlachten-Simulation zunächst nur als Multiplayer-Spiel geplant war; Ende des Jahres sollen die ersten Server übrigens zur Verfügung stehen. Auch wenn der Fokus des Spiels auf Action liegt, hätte man durchaus etwas mehr bieten können.

__NEWCOL__Schwankende Grafik

Enigma läuft zwar auch auf schwächeren Rechnern flüssig, wird aber trotz seiner kompletten 3D-Optik keine Grafikeuphorie auslösen: Zwar kann sich das Wasser dank netter Spiegeleffekte einigermaßen sehen lassen, aber spätestens wenn man sich auf oder in seinem Boot mit der Maus umsieht, sorgen fade und wenig detaillierte Texturen für Ernüchterung. Auch das Fernglas offenbart bei näherem Hinsehen eher Magerkost als Delikatessen.

Und wenn es zum Kampf kommt, können Sirenen und detonierende Bomben auch nur akustisches Feuer entfachen, denn die Partikel- und Explosionseffekte sind einfach viel zu grob. Die Hintergrundmusik kann sich jedoch hören lassen.

Ein Lichtblick sind zudem die Wettereffekte, die dank trüber Sicht, hohem Wellengang und wolkenverhangenem Himmel durchaus für authentisches Hochseegefühl sorgen können. Trotzdem fehlt es insbesondere an Bord an Liebe zum Detail und vor allem Bewegung.

Fazit


Hoher Wellengang, schlechte Sicht, Feind voraus! Enigma - Rising Tide könnte allen Spielern gefallen, die actiongeladene Kämpfe auf hoher See suchen. Die urplötzlichen Luftangriffe und die überzeugenden Wettereffekte verleihen dem Spiel in der Hitze des Gefechts eine authentische Note. Allerdings bleibt der Titel grafisch, erzählerisch und spielerisch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück: An Bord ist es einfach zu steril, nichts bewegt sich und manche Explosionen pixeln klobig auf. Viel schwerer wiegt, dass das an sich vielversprechende Szenario aufgrund schlampiger Texte, fehlender erzählerischer Dramatik und einem faden Protagonisten schnell an Reiz verliert. Und schließlich kann der Einstieg in die Welt der Kriegsmarine aufgrund des fehlenden Tutorials sehr holprig sein - vor allem U-Boot-Kapitäne müssen zunächst Lehrgeld zahlen. Wer eine stimmungsvolle historische Simulation erwartet, wird sicher enttäuscht sein, denn die Liebe zum Detail fehlt an allen Ecken und Enden. Ihr solltet nur dann anheuern, wenn Ihr ein ausgesprochenes Faible für Tanker, Kreuzer & U-Boote habt und zwischendurch Schiffe versenken wollt. Aufgrund der fordernden KI und des Mittendringefühls kann hier durchaus maritimes Adrenalin fließen.

Pro

<li>60 Missionen</li><li>fordernde KI</li><li>nette Wettereffekte</li><li>Sprachbefehle möglich</li><li>läuft auch auf schwachen Rechnern</li><li>authentisches Hochseegefühl</li><li>interessantes alternatives Szenario</li>

Kontra

<li>kein Tutorial</li><li>fade Texturen</li><li>sehr steril an Bord</li><li>teils klobige Explosionen</li><li>teils schlampige Texte</li><li>Kampagnen fehlt Dramatik</li><li>Story & Protagonist bleiben schwach</li>

Wertung

PC

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