The Walking Dead: Episode 310.09.2012, Jörg Luibl
The Walking Dead: Episode 3

Im Test:

In der zweiten Episode schien ein Zufluchtsort für Lee, Clementine & Co so nah: Eine nach außen abgesicherte Farm, reichlich Lebensmittel und eine engagierte Familie.  Doch das Grauen ließ nicht lange auf sich warten, zerstörte die ländliche Idylle und jeglichen Optimismus. Die innerlich zerstrittene Gruppe hat sich also wieder im Motel verbarrikadiert – mit allen internen Konflikten.

Die Lage spitzt sich zu

Die einen haben Angehörige verloren und Hass aufgebaut, die anderen haben das Vertrauen in die Gruppe verloren, wieder andere fühlen sich ausgestoßen. Wer steht auf wessen Seite? Man kann die psychische Belastung förmlich spüren, wenn man  mit Lee das Motel erkundet und mit den deprimierten Leuten spricht, um Hinweise zu suchen. Gibt es tatsächlich einen Verräter, der mit den Banditen im Wald gemeinsame Sache macht und ihnen Vorräte zukommen lässt? Das würde das Fass zum Überlaufen bringen…

Auch wenn man hier zunächst gemütlich Detektiv spielt und dabei Duck als kleinen Helfer engagiert: Im Gegensatz zur eher beschaulich beginnenden zweiten Episode sorgt Telltale Games hier vom Start weg für psychologische Spannung. Man hat das Gefühl, dass die Gruppe kurz vor dem Kollaps steht, dass nur ein kleines Missverständnis reicht, um die Situation eskalieren zu lassen. Aber wer könnte so perfide sein und Vorräte stehlen? Während Lee im Auftrag der immer fanatischer anmutenden Lilly den Verräter sucht, holt ihn auch seine Vergangenheit ein: Er soll der Gruppe erzählen, dass er als verurteilter Mörder in den Knast musste – auch das noch.

Wahrheit oder Pflicht?

Erst im letzten Drittel trifft man auf neue Charaktere, darunter ein mysteriöser Landstreicher. Kann man ihm trauen?
Erst im letzten Drittel trifft man auf neue Charaktere, darunter ein mysteriöser Landstreicher. Kann man ihm trauen?
Die Reporterin Carley gibt ihm diesen scheinbar gut gemeinten Rat, damit er späteren Anschuldigungen aus dem Weg gehen kann. Aber soll er ihn befolgen? Und wenn ja, wem soll er das erzählen? Etwa auch der kleinen Clementine oder Katja, der konservativen Mutter von Duck? Nicht nur diese Frage muss Lee innerhalb der Dialoge auf Zeit klären, auch der Machtkampf zwischen Lilly und Kenny spitzt sich zu. Während Erstere mit strenger Hand regiert und im Motel bleiben will, plant Letzterer die Flucht mit seinem Wohnmobil. Wen unterstützt man? Der interne Konflikt scheint hier noch brisanter als die äußere Bedrohung durch Banditen oder Zombies.

Doch auch der muss sich die Gruppe stellen, denn es geht wesentlich actionreicher zur Sache als in der zweiten Episode: Lee muss nicht nur aus der Deckung heraus schießen, um nahende Zombies aufzuhalten und damit in Scharfschützenmanier die Gruppe zu schützen. Er muss sich später auch immer wieder in äußerst brenzligen Situationen in engen Räumen wehren, indem er rechtzeitig Waffen ergreift, zuschlägt oder einfach über pure Kraft obsiegt – wie gehabt in Form von Reaktionstests, die man bei einem Scheitern kurz vorher wiederholen kann und die explizit die schreckliche Fratze dieser Endzeit zeigen. Es geht brutal und gnadenlos zur Sache.

Ein langer Weg

Wie will man Clementine auf die Zukunft vorbereiten? Soll sie lernen, mit der Waffe umzugehen?
Wie will man Clementine auf die Zukunft vorbereiten? Soll sie lernen, mit der Waffe umzugehen?
Diese dritte Episode ist nicht nur abwechslungsreicher und drastischer, sondern auch länger als bisher – ich habe knapp vier Stunden gebraucht. Dabei freut man sich im letzten Drittel nicht nur über die gelungenen Schauplatzwechsel sowie die neuen Charaktere, sondern auch über etwas interessantere Rätsel, die allerdings immer noch zu leicht sind. Das ist angesichts der situativen Spannung in den Dialogen sowie der sehr guten Story verschmerzbar. Ärgerlich ist, dass man beim erneuten Spielen erkennen muss, dass einem so manche wichtige Konfliktsituation nur vorgaukelt, dass man sie beeinflussen könnte – gerade als es um Leben und Tod geht, kann man trotz mehrerer Antworten quasi nur eine Lösung erreichen.

Natürlich kann sich dieses Adventure nicht endlos in optionale Erzählfäden aufspalten. Aber warum nicht wenigstens in zwei? Oder warum kann Telltale nicht zumindest für eine Phase einen anderen Verlauf anbieten, bevor man das unumgängliche Ziel erreicht? So hat man aktuell in der Mitte der Erzählung das Gefühl, dass etwas von der Magie der freien Entscheidungen verfliegt, weil es keine spürbaren Konsequenzen für den Plot hat. Versöhnlich stimmt, dass es im kleinen Geflecht der Beziehungen durchaus relevant ist, ob man einen Auftrag vermasselt (erschießt man eine gerade gebissene Frau aus Mitleid?) oder wie man antwortet (war man lediglich im Knast oder sagt man, dass man ein Mörder war?) – es gibt also noch genug Konsequenzen im Kleinen.

Schlamperei auf PlayStation 3

Die Action kommt nicht zur kurz: Es geht knallhart zur Sache.
Die Action kommt nicht zur kurz: Es geht knallhart zur Sache - nicht immer ist einem dabei wohl im Rücken..
Technisch bleiben zunächst die bekannten kleinen Mängel wie die fehlende Lippensynchronität hier, das doppelt gesprochene Satzende da oder Ruckler sowie Verzögerungen beim Szenenwechsel. All das hat bisher nicht am Gold der dramaturgisch gelungenen Episoden gekratzt, aber auf der PlayStation 3 leistet sich Telltale einige grobe Schnitzer, die unverzeihbar sind: Da verschwindet Duck plötzlich aus den Armen seiner Mutter, ein sitzender Gitarrenspieler löst sich in Figur und Instrument auf – gerade, als man ihn kennen lernen wollte. Diese Grafikfehler reißen einen noch nicht so aus dem Spiel wie später die Kamera auf dem Zug, die plötzlich immer wieder unter die Erde schwenkt, wo man in einer Parallelwelt voller Balken unterwegs ist – eine hässliche Sackgasse. Nur nach einem Neuladen des letzten Spielstandes kann man auf der PlayStation 3 sauber weiter spielen.

Fazit

Telltale, so geht das nicht! Bei aller Liebe zu dieser Serie: Ihr könnt Spieler nicht so lange auf eine neue Episode warten lassen und dann ein technisches Debakel auf der PlayStation 3 abliefern. Habt ihr keine Qualitätssicherung gemacht? Da verschwinden Gesprächspartner oder Figuren, die Kamera schwenkt unter die Erde und man muss tatsächlich neu starten – nur weil sich der Grafikhorror dann auflöst gibt es kein mangelhaft! Das ist umso ärgerlicher, weil diese Folge inhaltlich die beste ist, was Dramaturgie und Abwechslung angeht. Die Lage spitzt sich unaufhörlich zu, während man verzweifelt kämpft, detektivisch rätselt und mitunter schreckliche Entscheidungen trifft. Allerdings gibt es auch hier einen Wermutstropfen: Manche entscheidende Situationen lassen sich nur so auflösen, wie es die Entwickler gern hätten – da wird einem eine unheimlich wichtige Entscheidung nur vorgegaukelt, was einen beim erneuten Spielen  ärgert. Trotzdem gelingt es gerade dieser dritten Episode sehr gut, die psychologischen Konflikte so auf die Spitze zu treiben, dass sie einen auch nach Spielende beschäftigen. Gerade aus erzählerischer Sicht ist diese Serie ein Gewinn für Zombiefans, zumal der rote Hering am Ende wieder unwiderstehlich zappelt.

Pro

gute Mischung aus Action, Rätseln & Dialogen
spannende Story & glaubwürdige Charaktere
freier Spielverlauf mit Konsequenzen
gute Regie, dramatische Ereignisse
Dialoge unter Zeitdruck
intuitive Steuerung
hoher Wiederspielwert
stimmungsvolle Comic-Kulisse

Kontra

grobe technische Fehler (PS3)
Sackgasse mit Grafikbug zwingt zum Neustart (PS3)
ärgerliche Pseudo-Entscheidungssituationen
immer noch zu leichte Rätsel
kleine technische Macken
nur englische Sprache und Untertitel

Wertung

360

Die bisher abwechslungsreichste und dramatischste Folge - unheimlich spannend!

iPhone

Auch wenn es hier fummliger ist als auf dem iPad: Es gibt nichts Besseres für Zombiefans.

iPad

Es gibt unter iOS nichts Vergleichbares - tolles Adventure, auch auf dem Touchscreen.

PlayStation3

Grobe Grafikfehler und eine Sackgasse, die zum Neustart zwingt? Das geht gar nicht, Telltale!

PC

Die bisher abwechslungsreichste und dramatischste Folge - unheimlich spannend!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.