nKPro Racing29.10.2012, Michael Krosta
nKPro Racing

Im Test:

Simulations-Puristen mit einem Faible für schnelle Autos schwören auf Titel wie GTR, Race oder rFactor. Doch es fällt oft noch ein Name: netKar Pro. PC-Raser schwärmen von der Fahrphysik, die mit zum Besten gehören soll, was abseits eines realen Cockpits finden kann. Und trotzdem führte der Titel seit der ersten Veröffentlichung 2006 eher ein Nischendasein. Das soll sich jetzt ändern, denn die Spezialisten von UIG Entertainment haben den Online-Raser unter dem Namen nK Pro Racing in den Handel gebracht. Wird er dem guten Ruf gerecht?

Trockene Präsentation

Wer zuletzt bei einem Konsolen-Rennspiel wie Forza Motorsport 4 oder Gran Turismo 5 in nahezu fotorealistischen Karossen von Audi bis Zonda die Pisten rund um den Globus besucht hat, dürfte bei einem Blick auf netKar Pro zunächst in eine Schockstarre verfallen: Kein schickes Intro, kein lizenzierter Mega-Fuhrpark, keine Tuningoptionen und eine Aufmachung, die ganz im Zeichen des Minimalismus steht. Nicht nur im Hauptmenü, auch beim Setup in der Box entfaltet die Simulation deshalb den Charme einer Office-Anwendung. Die treibt Möchtegern-Mechanikern aber trotzdem die Freudentränen in die Augen. Warum? Weil nahezu alles in mühevoller Kleinarbeit angepasst werden darf.

Detaillierte Einstellungen

Der Abarth ist das einzig lizenzierte Fahrzeug im kleinen Fuhrpark.
Der Abarth ist das einzig lizenzierte Fahrzeug im kleinen Fuhrpark.
Das geht schon bei der gewünschten Sitzposition los, doch viel wichtiger sind die Einstellungen, die man an seinem Wagen in der Box vornehmen kann. Bis man sich durch die zahlreichen Optionen hinsichtlich Fahrwerk (Federn, Stoßdämpfer, Sturz / Spur), dem Getriebe, Bremsen sowie Aerodynamik durchgewühlt und sie verinnerlicht hat, sind die ersten Schritte für eine Karriere als Mechaniker schon getan. Dazu gesellen sich Bremsen und Differenzial sowie Anpassungen am maximalen Lenkradeinschlag; selbst der Luftdruck lässt sich für jeden Reifen einzeln festlegen. Kurzum: Schrauber kommen hier voll auf ihre Kosten und zig Werkzeuge an die Hand, um das Fahrzeug im Detail auf die eigenen Vorlieben und Strecken abzustimmen. Auf Wunsch darf man sogar Telemetriedaten sammeln und auswerten - allerdings wird dazu eine externe Software benötigt, die integriert werden muss.

Sprachbarriere

In der Box sind nicht nur Mechanikerwissen, sondern auch Sprachkenntnisse gefragt.
In der Box sind nicht nur Mechanikerwissen, sondern auch Sprachkenntnisse gefragt.
Aber wenn man netKar in und außerhalb der Box genießen möchte, sollten zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Da wäre zum einen die Sprachbarriere, denn obwohl das Hauptmenü noch halbherzig lokalisiert wurde, wird man im Setup-Bereich mit den englischen Termini konfrontiert, die nicht jedem geläufig sein dürften. Zum anderen muss man ein gewisses Grundlagenwissen besitzen, denn das umfangreiche PDF-Handbuch liefert zwar einige Informationen, geht aber trotzdem nicht in die Tiefe, um Anfänger an die Hand zu nehmen und ist nur auf Englisch oder Italienisch verfügbar. Das Spiel macht es nicht besser: Hier gibt es kein Tutorial, das die Funktionen und Auswirkungen beim Setup erklärt, keine Fahrschule, in der man langsam an die Simulation herangeführt wird. Nicht einmal optionale Fahrhilfen wie ABS und Traktionskontrolle lassen sich zuschalten – es sei denn, das reale Pendant bietet entsprechende Assistenten. Da in dem kleinen Fuhrpark von nur neun Flitzern (davon fünf Open Wheeler) lediglich der Fiat 500 Abarth Assetto Corsa lizenziert wurde, halten sich auch mögliche Fahrhilfen in Grenzen. Einzige Ausnahmen: Für das Kupplungspedal lässt sich eine Automatik einstellen, doch wer entsprechendes Equipment besitzt, kann es auch manuell bedienen und sogar H-Schaltungen benutzen. Das gilt auch für das Automatikgetriebe, wobei man hier die Option erst suchen muss, denn während man bei der Kupplung einfach ein Häkchen setzt, ist das manuelle Getriebe voreingestellt und kann erst mit einem Druck auf die G-Taste zur automatischen Variante umgewandelt werden.

Nervige Einrichtung

Unter nassen Bedingungen wird es noch schwerer, die Kontrolle zu behalten.
Unter nassen Bedingungen wird es noch schwerer, die Kontrolle zu behalten.
Zumindest, wenn man es schafft, sein Lenkrad ordentlich in netKar einzurichten. Zwar werden auch (360)-Controller, Joysticks und sogar Tastatur als Steuerungsmöglichkeiten unterstützt, doch eignen sie sich hier nur eingeschränkt zur Verwendung. Ich habe beim Versuch mit dem 360-Pad in jedem Moment gespürt, dass der Titel nicht auf dieses Eingabegerät optimiert wurde – ein sauberes, präzises Kontrollieren der Boliden ist kaum möglich und es entwickelt sich kein richtiges Fahrgefühl. Wer mit dieser Simulation Spaß haben will, braucht einfach ein Lenkrad! Leichter gesagt als getan, denn die Einrichtung ist ein Krampf: Es spielt keine Rolle, ob man das Gerät schon unter Windows perfekt konfiguriert und kalibriert hat – in den Spieloptionen muss man noch mal ran. Da gilt es, jedes Pedal, jeden Knopf einzeln zu betätigen, jede Aktion wie das Drehen des Lenkrads um 90 Grad zu bestätigen.

Doch erst einmal muss man überhaupt so weit kommen. Entscheidet man sich für die Verwendung eines Lenkrads, erscheint zunächst eine graue Box mit dem Text „Controller auswählen“ und einer einzigen Option zum Anklicken: Abbrechen. Niemand sagt mir, dass ich erst eine Taste am Lenkrad betätigen muss, um es als Controller auszuwählen. Nicht das einzige Problem, denn aufgrund einer falschen Übersetzung, konnte ich mein Wheel zunächst nicht richtig kalibrieren, weil von mir das Drücken des Gas- anstatt des Bremspedals im Rahmen der Einrichtung gefordert wurde. So kann das nicht funktionieren! Erst wenn man diese anfänglichen Hürden meistert, kann netKar endlich zeigen, was in ihm steckt.

Nah an der Realität

nk ist die optimale Vorbereitung für alle, die den Einstieg in den Formel-Motorsport erwägen.
nk ist die optimale Vorbereitung für alle, die den Einstieg in den Formel-Motorsport erwägen.
Dieses Spiel – wenn man es denn noch so nennen darf – ist eindeutig von Profis für Profis.

Die unglaublich realistische Fahrphysik untermauert die Aussage: Hier wird feinster Umgang mit Gas, Bremse und Lenkrad verlangt, wenn man den Wagen auf der Strecke halten will. Es ist ein ständiger Kampf gegen die Motorenleistung und Fliehkräfte; Unter- oder Übersteuern sind die ständigen Begleiter, während man versucht, sich langsam ans Limit heran zu tasten. Was unter trockenen Bedingungen schon schwierig ist, entpuppt sich bei Nässe zu einer Fahrt wie auf rohen Eiern – vergleichbar mit der Situation, wenn sich die Reifen ihrer Haltbarkeitsgrenze nähern. Und das kann man nicht nur fühlen, sondern anhand der sich verändernden Texturen der Pneus sogar sehen! Es gibt also genug Möglichkeit, die Kontrolle über die PS-Monster zu verlieren und im schlimmsten Fall in der Streckenbegrenzung zu landen. Das vollwertige Schadensmodell kennt kein Pardon und so können schon leichte Einschläge gewaltige Folgen für die Fahrphysik nach sich ziehen. In diesen Momenten wird mir bewusst, wie verwöhnt wir mittlerweile von Funktionen wie dem optionalen Zurückspulen nach Fahrfehlern geworden sind. Hier gibt es dagegen kein Netz und keinen doppelten Boden – entsprechend agiert man deutlich vorsichtiger hinter dem Lenkrad als in Forza & Co, die netKar beim Realismusgrad ohnehin hinterher fahren.

Technik von vorgestern

Dafür haben die Konsolen-Renner der jüngeren Vergangenheit in Sachen und Technik die Nase deutlich vorn, denn was die Macher von Kunos Simulazioni hier auffahren, ist selbst unter maximalen Grafikeinstellungen höchstens durchschnittlich. Bei dieser angestaubten Optik merkt man dem Titel an, dass er ursprünglich aus dem Jahr 2006 stammt und sich seitdem nicht viel weiterentwickelt hat. Das Gute daran: nK Pro begnügt sich auch mit schwächeren Systemkonfigurationen, denn schon mit einem 1,7 Ghz-Prozessor, 512 MB RAM und einer Grafikkarte mit 128MB RAM darf man den Motor starten und dessen satte Klänge genießen, sobald man die Drehzahl nach oben treibt.

Die Cockpits sind z.T. interaktiv - ausgewählte Schalter und Knöpfe lasse sich bedienen.
Die Cockpits sind z.T. interaktiv - ausgewählte Schalter und Knöpfe lasse sich bedienen.
Gefahren wird ausschließlich in der Cockpitansicht – so wie es sich für eine waschechte Simulation gehört. Dabei bietet sie sogar ein eingeschränktes Maß an Interaktion, denn einige Schalter auf dem Armaturenbrett lassen sich manuell betätigen. So schaltet man z.B. Informationen auf dem Lenkrad-Display um oder macht es gleich ganz aus – eine nette Spielerei. Wer will, darf sogar den Motor per Hand starten. Das Verschmutzen des Visiers wird ebenfalls berücksichtigt, wenn man in einem Formel-Wagen unterwegs ist. In diesem Fall sammelt sich immer mehr Schmutz am Rand des Bildschirms an und beeinträchtigt zunehmend die Sicht. Ein Tastendruck genügt jedoch, um das verschmutzte Visier abzureißen und wieder den vollen Durchblick zu bekommen.

Testkurse & Einsamkeit

Replays lassen sich auf Wunsch abspeichern.
Replays lassen sich auf Wunsch abspeichern.
Bei den Strecken zeichnet sich ein ähnlich trauriges Bild wie beim Fuhrpark: Lizenzierte Schauplätze sucht man vergeblich, doch gibt es dafür eine Reihe an technisch anspruchsvollen Fantasiepisten, so dass man zusammen mit den zahlreichen Layout-Variationen immerhin auf 25 Kurse kommt, darunter sogar eine neue Bergpiste von A nach B mit einer Länge von gut 17 Kilometern.

Leider darf man sich nur alleine auf die Strecken begeben und um persönliche Bestzeiten kämpfen, denn auch in der aktuellen Fassung glänzen KI-Fahrer weiterhin mit Abwesenheit. Nicht mal ein Geisterwagen wird geboten. Damit wird nk für Offline-Raser auf reine Trainingszwecke reduziert. Wer echte Duelle sehen, spannende Überholmanöver erleben und den Nervenkitzel des Motorsports spüren will, muss sich ins Online-Fahrerlager stürzen und an offenen Partien teilnehmen oder selbst eine Lobby eröffnen – wahlweise auch passwortgeschützt, damit nur Freunde und Bekannte Zugang bekommen. Bis zu 15 Teilnehmer sind erlaubt, während sich Wetter, Rundenzahl, Schadensempfindlichkeit sowie die Zeit für optionale Trainings- und Quali-Sessions festlegen lassen.

Nachschub garantiert

Der Fuhrpark ist klein und konzentriert sich vor allem auf "Open Wheeler".
Der Fuhrpark ist klein und konzentriert sich vor allem auf "Open Wheeler".
Mit der Standard-Edition wird man allerdings nicht weit kommen, denn genau wie rFactor lebt auch netKar in erster Linie von den Modifikationen der Community. So findet man im Netz eine Auswahl an nachgebauten Strecken wie dem Nüburgring, Laguna Seca, Donington und sogar Nachbildungen von Gran Tursimo-Kursen – dem mitgelieferten Editor sei Dank. Trotzdem sei gesagt, dass das Angebot verglichen mit der Konkurrenz von GTR & Co hier deutlich kleiner ausfällt. Bei der Bewertung spielt das jedoch keine Rolle: Genau wie bei rFactor betrachten wir nur das, was die Edition von UIG beinhaltet und nicht das, was sie mit Hilfe der erhältlichen, aber nicht offiziellen Modifikationen bieten kann.

Fazit

Die Italiener von Kunos Simulazioni sind Meister ihres Fachs! Kein Wunder, dass u.a. Ferrari seine beiden Formel Eins-Piloten mit der Software des Studios  trainieren lässt (… die in leicht abgespeckter Form sogar unter dem Namen „Ferrari Virtual Academy“ allen Willigen zum Kauf angeboten wird). netKar Pro Racing ist ein klassischer Vertreter der Sorte Live for Speed, GTR, rFactor und wie sie alle heißen – fühlt sich aber beim Fahren noch einen Tick authentischer und fordernder an und die Setup-Optionen lassen ebenfalls kaum Wünsche offen. Enttäuschend dagegen, dass man immer noch keine KI-Piloten integriert hat – hier sind die anderen Simulationen weiter. Wer echten Motorsport erleben will, ist hier auf Online-Fahrer bzw. Freunde angewiesen ist. Der geringe Umfang und der weitestgehende Verzicht auf Lizenzen ist zwar bedauerlich, lässt sich bei dem Preis von knapp 20 Euro aber verschmerzen, zumal die Community mit ihren Mods für Nachschub sorgt – wenn auch nicht in dem Umfang wie bei der Konkurrenz. Dass die Lokalisierung so schlampig und lückenhaft ausfällt stößt aber genauso sauer auf wie die umständliche (und fehlerhafte) Lenkrad-Kalibrierung. Das muss nicht sein, dürfte teilweise aber auch ein Relikt des mittlerweile rostigen Technik-Gerüsts sein, das sich seit 2006 kaum weiterentwickelt hat. Wo der Titel trotz staubiger Grafik und minimalistischer Aufmachung glänzt, ist die Fahrphysik! Die dürfte Anfänger zwar aufgrund fehlender Assistenten binnen weniger Minuten in den Wahnsinn treiben, bietet Fans anspruchsvoller Simulationen aber genau das, was sie haben wollen.

Pro

realistische Fahrphysik
interaktive Cockpitansicht
vollwertiges Schadensmodell
viele feinstufige Setup-Optionen
überzeugende Klangkulisse
sichtbarer & simulierter Reifenverschleiß
einstellbare Witterungsbedingungen
hervorragendes Force Feedback
Strecken-Editor wird mitgeliefert
sehr mod-freundlich
Telemetriedaten (durch externes Programm)
Onlinemodus für bis zu 15 Fahrer
Kupplung und H-Schaltung werden unterstützt
Visier verschmutzt mit der Zeit

Kontra

extrem minimalistische Aufmachung
technisch veraltet
keine KI-Fahrzeuge zuschaltbar
kleiner Fuhrpark, kaum lizenzierte Modelle
fehlende Erklärungen / Tutorials
keine optionalen Fahrhilfen für die meisten Fahrzeuge
Controller-Steuerung suboptimal
kein dynamisches Wetter
überschaubare Streckenauswahl
umständliche Lenkrad-Einrichtung
schlampige bzw nicht vorhandene Lokalisierung

Wertung

PC

Technik pfui, Fahrphysik hui: nK Pro Racing ist ein hervorragender Simulator im Stil von iRacing, dem es in der Grundausstattung an Umfang und KI-Piloten mangelt.

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