Legends of Eisenwald08.07.2015, Jörg Luibl
Legends of Eisenwald

Im Test: Rollenspiel & Strategie im Mittelalter

Legends of Eisenwald (ab 49,90€ bei kaufen) wurde von Aterdux Entertainment aus Minsk über Kickstarter finanziert und am 2. Juli veröffentlicht. Das weißrussische Team definiert es als Mischung aus Rollenspiel und Strategie mit Rundengefechten sowie einfacher Wirtschaft. Also eine Art Might & Magic im Mittelalter? Ob das für 27,99 Euro erhältliche PC-Spiel überzeugen kann, verrät der Test.

Ritter Berthold und Karl der Jäger

Manchmal ist das Artdesign wie ein Omen. Es kann nicht nur ein Fingerzeig für den Stil, sondern auch für Stimmung und Qualität sein – man denke z.B. an The Banner Saga. Bei der Figurenwahl zwischen Ritter, Baronin und Mystiker fragte ich mich: Will da jemand voller Eifer ein mittelalterliches Spectaculum inszenieren, um sich dann in einem kitschigen Märchenwald zu verlieren? So schlimm ist es zwar nicht geworden, aber viel hat nicht gefehlt, wenn man irgendwann von Kirchenchören und Panflöten begleitet auf Ritter Berthold oder Burg Frosch trifft.

Bitte nicht falsch verstehen: Die Entwickler haben sich viel Mühe mit dem Szenario gegeben, das innerhalb der

Einsteiger werden vorbildlich an die Hand genommen - es gibt viele Beispiele und eine komplette deutsche Version.
umfangreichen Kampagne auch seine gemütlichen Reize hat. Man zieht seinen Helden, der knapp ein Dutzend Krieger repräsentieren kann,  über eine malerische Karte mit Wäldern, Dörfern, Klöstern und Burgen, die mittelalterlich designt sind und sich im Wechsel von Tag und Nacht anpassen – auch manche Quests haben Zeitbezug. Das Abenteuer spielt tatsächlich in Deutschland, zu Beginn werden vor allem Brandenburg und Mecklenburg sowie die Elbe genannt; eine Karte zeigt Burgen im Gebiet zwischen Alpen und Nordsee. Aber so interessant unsere Heimat im Mittelalter auch war, die Erzählweise in diesem Spiel wirkt mitunter albern, dröge bis befremdlich.

Die Elbe brennt, der Spieler pennt

Zu Beginn hat man die Wahl zwischen drei Helden mit anderen Fähigkeiten.
Auch wenn die Weißrussen betonen, bekennende Rollenspieler zu sein und sogar Anekdoten wie „Die Geschichte der brennenden Elbe“ über zwei Seiten einflechten: Sie hätten es lassen und sich mehr auf Planung und Strategie statt Abenteuerflair mit Gerüchten, Quests & Co konzentrieren sollen. Die Geschichte und die Regie laden eher zum Einschlafen als zum Mitfiebern ein. Ich habe mich stellenweise an bebilderte Kinderbücher zum Rittertum erinnert gefühlt, wenn ich in der Taverne den Gerüchten lauschte. Das liegt nicht nur an der Namenwahl wie „Otto von Küstenkauz“ oder „Klauslin Seidlitz“, die keine nachvollziehbare historische Linie verfolgt, sondern auch an den vielen gestelzten Dialogen.

Immerhin kann man dort Entscheidungen treffen, die sich auch auf das Ende auswirken. Überhaupt ist es die Offenheit sowie der Freiraum der Karte mit all den unbekannten Orten, die nach dem sehr zähen Einstieg zunächst zum Weiterspielen animiert: Man muss mit kleiner Truppe seine Familienburg zurückerobern und das Land befrieden, was angesichts der vielen Rebellen und verfeindeten Untertanen gar nicht so einfach ist. Dabei kann man sich seine Allianzen unter diversen Burgherren aussuchen, indem man andere attackiert, darf innerhalb der vielen kleinen Quests etwas recherchieren und sich langsam wieder an die Macht kämpfen, wobei man die Ausgaben und Einnahmen beachten muss.

Simple Wirtschaft

Hier greift ein simples Wirtschaftssystem, das neben dem Verkauf von Beute auch durch eigene Burgen sowie Dörfer für Einkommen sorgt. Das wiederum braucht man, um all die Tränke, Rüstungen, Waffen & Co zu kaufen und vor allem seine Truppe in Klöstern zu heilen und zu bezahlen. Schön ist, dass es drei Arten von Untertanen gibt, die man anheuern kann: Gefolgsleute und wichtigere Nichtspielercharaktere kommen quasi gratis mit, schwache Rekruten kann man ohne Lohn in Dörfern anwerben und nur etwas stärkere Söldner aus Tavernen muss man täglich bezahlen – fehlt das Geld, kämpfen sie nicht weiter.

Burgen erobern und Karriere machen

Viele Orte, viele Quests: Rollenspiel trifft auf Rundentaktik. Zu Beginn der Kampagne muss man seine Familienburg zurückerobern.
Hier zieht der strategische Aspekt auf der Karte, denn je mehr Burgen man erobert, desto mehr Gefolgschaft kann man theoretisch befehligen: Mit zwei Burgen darf man bis zu sechs, mit fünf sogar zwölf Rekruten mitnehmen. Aber aufgepasst, denn man sollte auch eine Garnison zurücklassen, die sie verteidigen kann, obwohl die KI auf der Karte nicht besonders clever ist, was Rückeroberungen angeht. Mit der Erfahrung steigen sowohl der Held als auch seine Krieger auf, wobei man je nach Klasse wie z.B. Schütze, Priester, Kämpfer etc. unterschiedliche Pfade in der Karriere mit etwas anderen Fähigkeiten beschreiten kann.

So wird aus einem einfachen Jäger zunächst ein Bogenschütze, bevor man mit dem dritten Aufstieg wählen kann, ob er z.B. ein schwerer Armbrutschütze werden soll – ärgerlich ist nur, dass es bei der Wahl eines Aufstiegs kein Mouseover auf dem entsprechenden Icon mit Infos zu den Unterschieden gibt. Der Held hat einen etwas üppigeren Fähigkeitenbaum, der ihm z.B. mehr Kommando und damit Boni für Soldaten auf benachbarten Feldern verleiht. Mehr Schlagkraft oder Zähigkeit verleihen nicht nur dem Helden, sondern allen Kriegern zig Helme, Rüstungen und Klingen. Hinzu kommen Ringe, Amulette, Tränke & Co, mit denen man Werte wie Gesundheit, diverse Angriffe und Verteidigungen, dazu Initiative oder Geisteskraft steigern kann.

Ungewöhnliches Kampfsystem

Aber hier naht das nächste Problem: Das Kampfsystem. Wenn ich nach zwei, drei Stunden bemerke, dass ich lieber die automatische Auflösung statt manuelle Züge bevorzuge, dann stimmt was nicht. Dabei sind die Entwickler auf den ersten Blick durchaus innovativ, denn sie überraschen mit einer anderen Art von Rundentaktik, die vollkommen auf Bewegungsbefehle für einzelne Krieger verzichtet: Man muss immer den Feind angreifen, der dem jeweiligen Akteur am nächsten steht.

Ungewöhnliche Regel: Man muss immer den Gegner angreifen, der dem Akteuer am nächsten steht.
Das wirkt zwar zunächst befremdlich, weil so ein scheinbarer Automatismus greift – ich kann ja kaum was entscheiden! Aber nach etwas Eingewöhnung zeigte dieses System durchaus seine Stärken, denn es läuft sehr flott und man kann sich auf das Wesentliche der Fähigkeiten mit einigen speziellen Regeln konzentrieren. Es wird immer ein Minimalschaden ausgeteilt, Schildträger sind immun gegen Pfeile, es gibt Heil- und Stärkungszauber sowie Tränke. Und man kann sich über das clevere Ausschalten von Feinden ja wieder neue Wege erschließen, die dann frei werden. Schere, Stein und Papier wirken hier so gnadenlos, dass ein Fernkämpfer meist mit dem ersten Angriff eines Nahkämpfers das Zeitliche segnet. Man muss die Stärken und Schwächen in seinen Reihen also gut im Auge behalten. Schön auch, dass unterlegene Feinde letztlich aufgeben.

Linke Flanke? Geht jetzt nicht!

Egal ob draußen oder drinnen: Man kämpft immer in sehr engen Arenen ohne Etagen oder Höhen, immer im kleinen Trupp.
Warum habe ich dann trotzdem meist auf die Computerberechnung geschaltet? Das hat mehrere Gründe. Zum einen führt das Fehlen der manuellen Bewegung einzelner Einheiten letztlich zu weniger Kommandofreiheit – ich bin ja kein General, sondern kämpfe im kleinen Trupp. Und das auch noch in sehr kleinen Arenen mit unlogischen Situationen. Ein Beispiel: Mein Ritter hat gerade den nahen Kontrahenten umgehauen, könnte jetzt entweder links den Bogenschützen oder rechts den Pikenier attackieren. Ich würde gerne den Schützen platt machen, weil der meine zweite Reihe immer wieder piekst, aber der steht ja drei Felder weit weg und der Pikenier nur zwei – also muss ich dorthin ziehen, obwohl ich so mehr Schaden riskiere und länger brauche, um durchzustoßen. Arghs!

Zum anderen fehlen mir auf Dauer mehr

Nicht nur den Helden auch alle anderen Kämpfer kann man individuell ausrüsten.
aktivierbare Kampf-Fähigkeiten sowie Aktionen. Ich kann mit einem Krieger lediglich attackieren, in eine defensive Stellung gehen oder mich zurückziehen. Aber ich kann z.B. keine speziellen Kontermanöver einleiten, es gibt in den immer flachen Arenen auch keinerlei Höhenvorteile oder Deckung.  Hinzu kommt, dass der Inszenierung einfach die Wucht fehlt: Zwar schwenken die Kämpfer ihre Speere und Ritter hauen zu, aber es kracht nicht genug und es gibt fehlerhafte Bewegungen wie das doppelte Ziehen der Bogenschützen, oder die seltsame Schrumpfung der Lebensenergie noch vor der Berechnung des Schadens, so dass man sich das nach einem Dutzend mal nicht mehr ansehen muss. Die einzige Abwechslung von diesen sehr eindimensionalen Gefechten könnten zwar die Eroberungen von Burgen bieten, aber die werden nicht einmal taktisch über Belagerungsgerät, Fähigkeiten wie Tunnelbau, Mineure  oder Ähnliches ausgespielt: Stattdessen bekomme ich eine schnöde Anzeige, wie viel Schaden ich vor den Mauern nehmen würde und danach gibt es erneut einen Kampf im flachen Gelände – gähn. Last but not least ärgern die sporadischen Abstürze, die einen zum Neustart zwingen.

Fazit

Die Elbe brennt, der Spieler pennt: Starker Kaffe hat mich beim Test von Legends of Eisenwald wach gehalten. Was sich mitunter wie ein gemütliches Might & Magic im Mittelalter anfühlt, scheitert vor allem auf der überstrapazierten Ebene des Rollenspiels und überzeugt nur in Ansätzen in der Rundentaktik. Obwohl die Entwickler einige Mühe in die deutschen Hintergründe investiert haben und mit Entscheidungen sowie mehreren Enden locken, haben mich die gestelzten Dialoge und so manche Namen eher an bebilderte Kinderbücher zum Rittertum als ein mittelalterliches Spectaculum erinnert. Die Weißrussen hätten sich weniger auf Abenteuerflair und Quests, dafür mehr auf die Planung und die Gefechte konzentrieren sollen. Auf strategischer und wirtschaftlicher Ebene gibt es lediglich simple Mechanismen, Belagerungen von Burgen sind reine Statistiken und die KI auf der Karte ist zu passiv. Das Kampfsystem ist immerhin interessant und frisch, aber auf lange Sicht habe ich es automatisch abgespult, weil mir die Freiheit der Bewegung, mehr taktische Manöver, größere Arenen sowie eine wuchtigere Inszenierung fehlen. Blackguards 2 ist unterhaltsamer und The Banner Saga oder Fire Emblem: Awakening spielen erzählerisch, stilistisch und taktisch in einer ganz anderen Liga.

Pro

interessantes neuartiges Kampfsystem...
Rundentaktik und strategische Eroberung
Nah- & Fernkampf, Magie und Reiter
viele kleine Quests, einige NPC
Figuren sammeln Erfahrung, gewinnen Fähigkeiten
zu viele Wunden wirken sich aus
klar unterlegene Feinde ergeben sich
Dialoge teilweise mit Multiple-Choice
Tag- und Nachtwechsel
Vorspulfunktion, automatische Kämpfe
gute Tutorials und Questübersichten
Karten mit Zoomfunktion
je nach Entscheidungen anderes Ende
gute deutsche Lokalisierung

Kontra

...mit wenig taktischer Vielfalt/manueller Freiheit
Burgbelagerungen nur als schnöde Statistik
viel zu kleine Gefechtsarenen
zu passive KI auf der Karte
kein Einfluss von Höhe, keine Etagen in Gebäuden
sehr zähes erstes Kapitel
langweilige Story
viele überflüssige und seltsame Dialoge
schwache bis fehlerhafte Animationen
unfreiwillig komische Namengebung
ganz schwache Feuereffekte
statische Kartensicht ohne Kameradreh, vieles verdeckt
kleinere Bugs und temporäre Sackgassen im Kampf
sporadische Abstürze und Bildratenprobleme
einschläfernder Musikmix aus Flöte, Dudelsack & Chor

Wertung

PC

Legends of Eisenwald ist bemüht und in seinen besten Momenten gemütlich, aber als Rollenspiel kitschig bis langweilig und als Rundentaktik zu dröge inszeniert.

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