Battle of the Bulge30.11.2015, Jörg Luibl
Battle of the Bulge

Im Test: Schach in den Ardennen

Auf dem iPad sorgte Battle of the Bulge (ab 49,95€ bei kaufen) bereits vor zwei Jahren für sehr gute Rundentaktik im Zweiten Weltkrieg, die uns satte 88% wert war. Nach der Übernahme durch Slitherine wurde das kreative Wargame der Shenandoah Studios auch auf dem PC veröffentlicht. Ob sich die knapp zehn Euro teure Winterschlacht zwischen Alliierten und Wehrmacht auch mit Maus und Tastatur lohnt, verrät der Test.

Siegreich, aber ohne Sprit

Da stehen sie, meine siegreichen Panzer: Sie haben die alliierten Linien durchbrochen und sind tatsächlich bis zur Meuse vorgedrungen. Der belgische Fluss, hinter dem freie Fahrt bis nach Antwerpen lockt. Aber das kleine blinkende Icon über der ersten SS-Panzerdivision weist unmissverständlich daraufhin, dass der Tank leer ist. Zwar dominiere ich dieses eine Gebiet im Blau der Achse, aber amerikanische Infanteristen haben den Rückweg längst abgeschnitten – ich bin komplett vom Grün der Alliierten umzingelt. Bewegungsunfähig, zum Abschuss freigegeben. Aber die Feinde gehen das Risiko einer direkten Konfrontation gar nicht ein und umgehen meinen Standort, um den Rest der Wehrmacht aufzuhalten.

Battle of the Bulge wurde nahezu 1:1 vom iPad auf den PC übertragen; es gibt zwar 4K-Unterstützung, aber man kann keinerlei Grafikeinstellungen vornehmen und die Kulisse wirkt am großen Bildschirm weniger edel als auf dem kleinen Tablet.
Mein Fehler war, dass ich ohne Unterstützung und letztlich zu spät vorgeprescht bin. Dabei begann der Kampf am 16. Dezember verheißungsvoll: Ich durfte die Amerikaner in den ersten drei Zügen wie in der Realität des Winters 1944 überraschen, profitierte an der Grenze zur Eifel noch von der eigenen Artillerie, hatte zudem wesentlich stärkere Elite-Truppen im Gelände und musste mich bis zum 19. Dezember nicht um Nachschublinien, also durchgehend von mir besetzte Felder kümmern – ideal für raumgreifende Vorstöße, die ich umgehend genutzt habe. Aber ab dem 21. Dezember wurde der Treibstoff der deutschen Fahrzeuge knapp. Auch hier entwickeln sich der virtuelle Krieg nah an dem, der in Archiven dokumentiert ist. Und vieles Quellmaterial, von Fotos über Urkunden und Abzeichen hat es in dieses vorbildlich recherchierte Spiel geschafft - inkl. einer historischen Dokumentation.

Historisch authentische Lage

Was für ein Battle? Of the Bulge? Ja, übersetzt heißt das: Die Schlacht an der bzw. gegen die Beule. Hört sich komisch an, aber so nannten die Amerikaner die letzte große Offensive der Wehrmacht, die für eine Delle in ihrer Frontlinie sorgte. Obwohl der Krieg längst verloren war, wollten deutsche Panzerverbände im Winter 1944 bis Antwerpen vorstoßen, um die Alliierten nochmal in Bedrängnis zu bringen.
Das Besondere an Battle of the Bulge (BotB) ist zum einen, dass man auf Seiten der Alliierten oder der Achse eine teilweise vorkonzipierte Schlacht nachspielt, die von authentischen militärhistorischen Ereignissen geprägt wird. Skripte und Statistikanpassungen sorgen dafür, dass man je nach Kampftag bestimmte Boni oder Mali, zusätzliche Truppen oder eben Treibstoffkürzungen bekommt. Was das ist, wird in einem Kalender genau festgehalten. Man weiß also, wann man selbst sowie der Feind mit welchen Verstärkungen rechnen kann. Damit wollen die Shenandoah Studios einerseits die äußeren Einflüsse nachahmen. Andererseits sorgt diese Ereignisvorschau auch dafür, dass man sich taktisch vorbereiten muss, wenn man gewinnen will.

Dabei gelingt den Entwicklern das Kunststück, dass trotz dieses scheinbar starren Rahmens und nur einer Karte, nämlich jender der Ardennen, immer ganz unterschiedliche Schlachtverläufe entstehen – je nachdem, was man als Amerikaner oder Deutscher mit seinen Truppen macht. Das hat auch damit zu tun, dass es nicht um die totale Vernichtung des Feindes geht, sondern um strategische Ziele (wie etwa die Meuse zu erreichen oder genau das zu verhindern) sowie eine Anzahl von Siegpunkten (für das Halten von Städten oder das Zerstören von Truppen) zu bestimmter Zeit. Man kann diese Schlacht vorzeitig beenden, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt. So kommt es dazu, dass man immer ein Auge auf die Zahl der Siegpunkte werfen muss, die universell für beide Seiten angezeigt werden.

Zeitmanagement an der Front

Und hier kommt die zweite Besonderheit ins Spiel: Das innovative Zeitmanagement, das Geduld verlangt, aber auch fiese Bluffs und böse Konter ermöglicht. Der Hauptspielmodus simuliert die Schlacht vom 16. bis 28. Dezember, wobei jeder Tag von 6 Uhr bis 18 Uhr in Stunden abläuft. Wenn man seinen Zug gemacht hat, verstreichen entweder nur 30 Minuten oder gar drei Stunden, was durch eine Zufallstabelle bestimmt wird. Pro Zug darf man dann lediglich alle Einheiten auf einem Gebiet bewegen.

Das Besondere ist die Rolle und Art des Zeitmanagements: Jeder Tag läuft in Minuten bzw. Stunden ab, wobei sich jede Einheit nur einmal bewegen darf. Aber welche beginnt, damit man nicht am Abend überrascht wird?
Aber bewegt man sie bereits am Morgen, so dass der Feind sie am Mittag überfallen kann? Wartet man mit seinen drei Panzerverbänden bis zum Abend, weil sich vielleicht irgendwo im Laufe des Tages eine Schwachstelle ergibt? Sichert man hinten ab oder stößt man vor? Greift man mit Panzern gegnerische Vehikel an, um dann den Bonus zu bekommen, dass man sofort nachsetzen darf? Hier kann man wunderbar taktieren. Das Passen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Voraussicht: Es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an. Vor allem wenn man die zu Beginn schwächeren Amerikaner spielt, ist der Rückzug in Wälder oder Städte oftmals die bessere Alternative – denn hier wirken sich die defensiven Boni enorm aus. Und sie wissen, dass ihnen die Briten irgendwann zu Hilfe kommen. Der taktische Rückzug hat allerdings auch Tücken, denn wenn man die Deutschen nicht blockiert, gewinnen sie frühzeitig.

Taktische Gefechte

Kommt es zum Kampf schießen alle Einheiten aufeinander, wobei Gelände und Deckung zur Geltung kommen - der gut stehende Verteidiger ist meist im Vorteil.
Das Kampfsystem ist sehr einfach zu verstehen, beruht aber auf zig Tabellen im Hintergrund, die man sich in der vorbildlichen Dokumentation ansehen kann: Die Punktzahl unter der Einheit gibt sowohl deren Angriffs- als auch Lebenskraft an. Bei sieben Punkten darf ein Panzer also siebenmal feuern und sieben Treffer einstecken; fast ein Arcadeprinzip. Aufgelöst wird ein Gefecht über ein kleines Animationsmenü, das Treffer auf Einheiten oder Deckungen karg, aber ausreichend animiert anzeigt. Die Wahrscheinlichkeit eines Treffers wird dabei von vielen Faktoren wie z.B. die Art des Geländes beeinflusst. Und so kann selbst eine Infanterie-Einheit in einer Stadt im Wald zwei, drei Panzerverbände aufhalten – zumindest für eine gewisse Zeit.

Schön ist, dass man sich eine Prognose des potenziellen Ausgangs ansehen kann, bevor man attackiert; man muss also keine Tabellen wälzen. Das Spiel ist auch deshalb nichts für blinde Angreifer, weil das Terrain mit all seinen Flüssen und Straßen die mögliche Route, die Distanz sowie die Anzahl der Truppen beeinflusst, die von Feld zu Feld ziehen dürfen. Manchmal ist der clever gewählte Weg zum Ziel entscheidender als die Feuerkraft - dazu gehört auch das Umrunden von Feinden. Im Gegensatz zu gewöhnlicher Hexfeldtaktik ist hier jedes Feld anders geformt und man sollte sich genau anschauen, wohin man zieht und von welcher Seite man den Feind attackiert. Wer über eine Brücke vorstößt, darf z.B. nur einen Panzerverband einsetzen, obwohl er vielleicht drei hat – das kann entscheidend sein. Gibt es an der Flanke freies Feld? Dann lieber dort angreifen!

Schach im Zweiten Weltkrieg

Obwohl Alliierte und Achse unterschiedliche Ziele und ganz andere Truppenstärken haben, ist die Spielbalance erstaunlich. Sie wird auch dadurch gewährleistet, dass maximal drei Einheiten pro Feld erlaubt sind. Das führt wiederum zu mehr Überlegung bei der Routenplanung. Das Spiel ist alles andere als unzugänglich, sondern aufgrund des knackigen Tutorials und der einfachen Steuerung sehr intuitiv. Trotz der üppigen Statistik im Hintergrund fühlt sich diese Rundentaktik nicht wie eine trockene Kriegssimulation, sondern eher wie ein Schachspiel an. Schön ist, dass man im Kampf gegen die KI zwischen jeweils zwei alliierten und deutschen Generälen wählen kann, die spürbar unterschiedlich vorgehen.

Leider gibt es nur zwei Spielmodi, wobei man zwischen zwei KI-Gegnern wie etwa hier Montgomery oder Patton wählen kann.
Spielt man die Achse, hat man es entweder mit dem eher defensiven Montgomery zu tun, der sich geschickt zurückzieht, oder mit dem etwas offensiveren Patton, der auch schonmal aggressiver zurückschlägt und böse kontert. Spielt man die Alliierten, hat man es entweder mit Von Rundstedt zu tun, der seine Panzer erst sammelt und konzentriert an einzelnen Punkten zuschlägt, oder mit Dietrich, der seine Panzer schonmal weiter streut und höheres Risiko geht. Egal wie oft man spielt: Man wird selbst im Kampf gegen die KI immer einen unterschiedlichen Verlauf erleben.

Auf dem iPad wirkte die Präsentation edler: Man hat die PC-Version quasi 1:1 umgesetzt, ohne sie nochmal gezielt en detail zu verbessern, zumal es auch keinerlei Grafikeinstellungen gibt und man nicht mal die komplette Karte anzeigen kann, sondern umständlich mit der Maus nach unten scrollen muss. Außerdem wirkt die Topographie im totalen Zoom etwas ausgefranst. Trotzdem ist die Inszenierung okay. Das authentische Archivmaterial wird zudem gekonnt mit dem dezenten Artdesign verbunden. Im Zuge der deutschen Veröffentlichung

Noch eine Besonderheit: Je nach Kampftag sorgen historisch (zum größten Teil) authentische Ereignisse für frische Truppen, Boni oder mali bei Angriff oder Treibstoff.
mussten schon auf dem iPad einige Symbole nachträglich verwischt werden, was man bei einigen Dokumenten der Wehrmacht noch erkennt. Die Präsentation beschränkt sich auf das Wesentliche, aber die Rundentaktik wird akustisch prägnant untermalt. Da hört man den Wind über das Schlachtfeld pfeifen, Panzerketten schleifen oder Lili Marleen singt im Hintergrund, während man sich durch das Archivmaterial wühlt. Dafür gebührt den Entwicklern ein großes Lob, denn sie ordnen nicht nur die militärische Ausgangslage sehr gut ein und stellen Einheiten sowie Generäle vor, sondern vergessen auch nicht den Hinweis auf die Kriegsverbrechen der in dieser Schlacht beteiligten Waffen-SS.

Die Schwachpunkte

So fantastisch sich diese Rundentaktik spielt, gibt es auch Schwachpunkte. Schade ist neben den rein englischen Texten, dass man sich nicht anzeigen lassen kann, wohin bzw. wie weit der Gegner theoretisch ziehen könnte; außerdem vermisst man eine genauere Info zur Einheit, wenn man deren Icon auf der Gefechtskarte anklickt – dazu muss man erst ins Menü. So vorbildlich KI-Typen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen sind, erlebte man auf dem iPad zudem einige unverständliche Fehler, wenn z.B. der sonst so wachsame Monty sichere Stellungen in Städten verließ, die man dann viel zu einfach einnehmen

Schade ist: Die KI ist recht wankelmütig, es gibt nur eine Karte bzw. einen Spieltyp sowie keine permanente Offline-Rangliste. Dafür kann man sich online bekriegen.
konnte. Oder wenn der aggressive Dietrich nicht erkanngte, dass er an einer Stelle durchstoßen konnte. PC-Spieler profitieren natürlich nach zwei Jahren von einigem Feintuning sowie von den Bugfixes der Version 1.15, die nicht alle, aber einige relevante Patzer der KI ausmerzt.

Militärpuristen wird aufstoßen, dass es nur drei Einheitentypen gibt und dass man Luft- und Artillerie-Unterstützung quasi nur als statistische Boni, nicht als eigene Truppen erlebt. Schade ist auch, dass es nur zwei Spielmodi auf einer Karte gibt, wobei „Race to Meuse“ nur eine kurze Variante des wesentlich umfangreicheren „Battle of the Bulge“ darstellt. Man kann per Hotseat entweder an einem rechner gegeneinander oder noch besser online loslegen, wobei auf dem PC die neue Multiplayer-Technik von Slitherine (PBEM) zum Einsatz kommt, die übrigens auch systemübergreifende Spiele zwischen iPad, Mac und PC erlaubt. Schließlich vermisst man immer noch eine Offline-Rangliste für die eigenen Leistungen gegen die KI: Man bekommt ja Siegpunkte für jede Schlacht, die man gerne sichern würde, um seinen Fortschritt zu erkennen.

Fazit

Auch auf dem PC sorgt Battle of the Bulge für klasse Rundentaktik. Zwar wirkt die Präsentation des iPad-Spiels auf dem PC nicht mehr ganz so edel, aber die historische Rundentaktik der Shenandoah Studios überzeugt auch zwei Jahre nach ihrer Tablet-Premiere mit ihrem innovativen Zeitmanagement sowie einer militärisch authentischen Ereigniskette, an die man sich clever anpassen muss. Dabei entsteht trotz des komplexen statistischen Fundaments ein Spielgefühl, das eher an Schach als an staubtrockene Simulationen erinnert. Man beobachtet gespannt die Züge des Gegners, wartet clever ab und kontert. Die wankelmütige KI wurde mit einigen Patches verbessert, außerdem darf man online gegen Freunde mit Mac oder iPad antreten. Kurzum: Für Wargamer, die gediegenes Brettspielflair statt spektakulärer Explosionen zu schätzen wissen, sehr zu empfehlen!

Pro

historisch dezente Präsentation
vorbildliches Tutorial
innovatives Zeitmanagement
KI-Gegner mit anderen Verhaltensmustern
militärisch authentische Ausgangssituation
Achse oder Alliierte mit anderen Zielen spielen
clevere militärische Rundentaktik
jede Schlacht läuft anders ab
Terrain, Nachschub, Brücken, Deckung wichtig
Online-Duelle über GameCenter
viel historisches Hintergrundmaterial
gelungene Akustik & Musik
Crossplattform-Spiele (iOS, PC, Mac)
zusätzliche Kommentare & Bildmaterial (PC)

Kontra

kein freies Spiel
kleine KI-Macken, nur zwei KI-Typen pro Seite
nur zwei Szenarien, drei Einheitentypen
keine Offline-Rangliste
nur englische Texte

Wertung

PC

Rundentaktik im Zweiten Weltkrieg für clevere Planer. Für Wargamer, die gediegenes Brettspielflair zu schätzen wissen, sehr zu empfehlen!

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