Ungewissheit und Neugier
Im Zentrum stehen weniger Rätsel oder Aktionen, sondern vielmehr skurrile Dialoge, bei denen man Entscheidungen treffen kann.
Der Regie gelingt es sehr schnell, einen in dieses mysteriöse Kentucky hinein zu ziehen und neugierig zu machen. Das liegt zum einen an der Inszenierung, denn die Beschränkung auf das Wesentliche hinsichtlich der Farben und Formen sorgt für scharfe Kontraste - so wirkt die Welt realistisch, aber auch nebulös und geheimnisvoll. Die Kamera offenbart mit sanften Zooms und tollen Überblendungen plötzlich ganz andere Blickwinkel mit neuen Schauplätzen. Hinzu kommt eine zurückhaltende, aber eindringliche Akustik, die manchmal nur die Tiere der Umgebung trällern lässt. Man kann die Inszenierung entfernt mit
Superbrothers: Sword & Sworcery vergleichen, auch wenn der Pixel hier nicht so präsent ist, sondern eher markante Linien und Flächen, Hell und Dunkel.
Zum anderen sorgen die Dialoge mit ihren plötzlichen Wendungen und Andeutungen dafür, dass Realität und Fiktion zu verschwimmen scheinen. Dabei schießen die Entwickler manchmal über das Ziel hinaus, wenn man nur unter obskuren Antworten wählen kann, ohne weiter auf das Thema eingehen zu können - man vermisst mehr Verschachtelungen und Erzähltiefe. Wer das Paradoxe eines David Lynch mag, wird hier dennoch seine Freude haben. Man wird in ein seltsames, überaus surreales Abenteuer hinein gezogen und muss unweigerlich an Twin Peaks & Co denken. Aber das Spiel wirkt nicht überdreht bizarr, denn die Story offenbart immer wieder alltägliche Probleme, so dass man unter den verrückten Ahnungen die knallharte Realität spürt - die Schulden einer Familie, das Schicksal von Minenarbeitern. So entsteht mitunter auch ein leicht schauriges Spielgefühl, das mit seiner ungewöhnlichen Gesprächsführung überrascht. Hier geht es allerdings nicht um Zeitdruck oder intensive Entscheidungen à la
The Walking Dead, die sich direkt in der nächsten Szene auswirken. Dass man unter teilweise verwirrenden Antworten wählen kann, ist das eine. Aber hinzu kommt, dass man auch in die Rolle einer neuen Figur schlüpft.
Wechselnde Gesprächsführung
Im ersten Akt gibt es nur eine Hand voll kleiner Schauplätze. Die Stimmung ist aufgrund der markanten Kontraste, der Kamerafahrten und gezielt eingesetzter Geräusche sehr intensiv.
Gerade eben hat man noch mit Conway geantwortet, dann übernimmt man Shannon und kann mit ihr aus ihrer Perspektive sprechen - ein toller Kniff, denn so muss man sich intensiver mit den Rollen und den schwer durchschaubaren Charakteren beschäftigen. Außerdem kann man in gewisser Weise die Story selbst erzählen, denn die Dialoge beschränken sich nicht immer auf Banales wie etwa die Art, in der man in ein Mikro spricht, sondern verlangen grundsätzliche Entscheidungen, die auch die Biographie der Charaktere beeinflussen. An einer Stelle muss Conway z.B. antworten, wer von seinen Eltern ihm in der Kindheit Fernsehverbot erteilt hat: Seine Mutter, weil sie Geister im TV sah? Sein Vater, weil er radioaktive Strahlung befürchtete? Oder geht er darauf gar nicht ein? Ähm: Warum wusste diese Shannon eigentlich davon?
Noch kann man nicht abschätzen, wie sich die eigene Regie auf die folgenden Episoden auswirkt, aber mit jedem Schritt bemerkt man, dass einem das Spiel viele verlockende Angebote macht, den mysteriösen Nebenpfaden zu folgen oder eben dem realen Ziel treu zu bleiben und die verdammte Lieferung an den Mann zu bringen. Wo ist bloß der Dogwood Drive? Will man mehr über diese Familie erfahren, die sich hoch verschuldet hat und auf deren Privatfriedhof drei Gräber stehen? Hat das was mit der Mine zu tun? Und was soll der Hinweis, dass man seine Augen vor allem im Dunkeln offen halten soll?
Auf dieser Karte kann man relativ frei seine Route wählen. Sobald man an einen Schauplatz kommt, kann man ihn erkunden.
Ob man will oder nicht: Aus dieser Lieferung wird eine seltsame Odyssee, so dass zumindest der Hundename passt. Leider kann man die aktiv erkundbaren Schauplätze in diesem ersten Akt an einer Hand abzählen, so dass man recht schnell in maximal zwei Stunden alles gesehen hat; es gibt dort kaum etwas zu erkunden. Veteranen werden allerdings zu schätzen wissen, dass man manche Orte im Stile alter Adventures wie Zork erkundet - wie etwa ein Museum, in dem jeder Schritt und jede neue Entdeckung per Text beschrieben wird.
Schade ist, dass die zu Beginn an der Tankstelle eingesetzte Interaktion immer weiter in den Hintergrund gerät; ein paar kleine Rätsel hätten das Erlebnis auch an den anderen Schauplätzen aufgewertet. Wer das sehr kurze, maximal zwei Stunden dauernde Spiel mehrmals angeht, wird aber durchaus interessante Dinge bzw. Zusammenhänge entdecken.