Im Test:
Soziale Spaltung
„Das Volk ist immer wankelmütig; man gewinnt oder verliert seine Gunst aufgrund eines nichtigen Vorfalls“. Wie Recht der italienische Theoretiker Niccolò Machiavelli mit dieser Aussage hat, habe ich gerade festgestellt. Dabei habe ich nur aus haushaltspolitischen Gründen Sozialleistungen gekürzt. Nicht stark, nur wenige Prozent. Muss das Volk sich gleich so aufregen? Gut, vielleicht war es etwas pietätlos, gleichzeitig die Steuern für Reiche und Industriekonzerne herunterzufahren. Aber sind wir doch mal ehrlich: der durch eine weltweite Krise gebeutelten Wirtschaft (und meiner Kernklientel aus neoliberalen Kapitalisten) tut das nur gut!
Das Resultat dieser Kürzungen sind offene Straßenschlachten und Aufstände in meinen Städten. Scheinbar habe ich übersehen, dass es bereits große soziale Spannungen im Land gab und dies nur der letzte Tropfen in ein übervolles Fass war. Und nun? Die Aufstände erhöhen die Gewaltkriminalität, führen zu weniger Tourismus und fordern meine viel zu lethargisch reagierende Polizeikräfte heraus. Vielleicht hätte ich langfristig doch mehr Geld in deeskalierende, kooperative Maßnahmen stecken sollen! Sozialer Friede herrscht jedenfalls nicht mehr und die nächste Wahl ist bereits im nächsten Jahr. Ein Patentrezept muss her, sonst war es das mit meiner Karriere als Staatenlenker. Leicht ist es wahrlich nicht, das Leben als Regierungsoberhaupt.
Demokratie auf der Oberfläche
Ein weiteres Beispiel: Ich erhöhe die Alkoholsteuer, um den Alkoholkonsum zu reduzieren und mein Gesundheitssystem zu entlasten. Ironischerweise erhöht sich damit die Armut – und der missbräuchliche Alkoholkonsum bleibt stabil, da mehr arme Menschen verzweifelt zur Flasche greifen. Was also tun? Genau: Renten erhöhen, Sicherungssysteme ausbauen, auf die Bildung setzen. Voilà, „schon“ ist das Alkoholproblem, übrigens ein rot leuchtender, gesellschaftlicher Negativfaktor, eingedämmt. Nun klafft aber ein großes Loch in meiner Kasse, was auch durch die geringeren Gesundheitskosten nicht ausgeglichen werden kann. Dafür boomt aber, unter anderem durch die neuen, gut qualifizierten und nüchternen Arbeitskräfte, meine Wirtschaft. Vielleicht kann ja hier Geld verdient werden?
Phantasiefördende Politik
So gut die Übersicht der Oberfläche funktioniert und mit seiner spartanischen Darstellung zu überzeugen weiß, fehlt es an mancher Stelle doch an Darstellungs- und Interaktionsoptionen. So gibt es z.B. kein Parlament, in dem man seinen Politikstil durchsetzten müsste. Und egal welchen der sechs Staaten man spielt: ich werde direkt gewählt. Einmal im Amt gibt es nur noch das Kabinett, das aber ebenfalls nur die rudimentäre Funktion der Ressourcenbeschaffung hat und selten eine zentrale Rolle spielt. Mit Ministern kann nicht gesprochen werden und auch ihr Ungehorsam wirkt sich nicht auf die von ihnen betreuten Politikbereiche aus. Stattdessen kann ich die Posten sehr schnell neu- und umbesetzten, was aus mir eher einen despotischen Alleinherrscher als ein einen demokratischen Regierungsschef macht.
Einsames Regieren
Ebenfalls störend ist, dass sich nach einiger Zeit die wichtigen Entscheidungen, die ich zum Beginn jeder Runde treffen muss, wiederholen. Dreimal in zwei Amtszeiten z.B. Fracking zu verbieten wirkt unrealistisch. Zudem nerven einige Mechanismen: Ich bin mehrfach von kapitalistischen Extremisten ermordet worden, obwohl ich einen gemäßigten, sozialliberalen Kurs verfolgt habe, der der deutschen sozialen Marktwirtschaft nicht unähnlich war. Warum mein Geheimdienst diese (unrealistische) Gefahr ignorierte, ist mir bis jetzt noch nicht klar. Auch ist es dummerweise immer sinnvoll auf einen Polizeiapparat zu setzen, der mit eiserner Faust agiert: zivilen Ungehorsam und Aufstände gegen einen Polizeistaat gibt es nicht, die Wirkung ist ausschließlich positiv. Zudem habe ich in einer Partie einen Punkt erreicht, in dem eine Entscheidung mein Spiel reproduzierbar abstürzen ließ und das Weiterspielen verhinderte. Ärgerlich, da ich mich bereits in der dritten Amtszeit befand und England endlich auf einem guten Kurs wähnte.
Fazit
Democracy 3 möchte mehr sein als es ist. Angetreten als umfassende Simulation einer Demokratie, ist es doch nicht mehr als die rundenbasierte Simulation einer Interaktion mit dem Volk. Hier brilliert Positech in einer tiefgehenden Verflechtung von Faktoren, Fokusgruppen sowie Entscheidungen und schafft es, diese in einem schlichten aber übersichtlichen Wege darzustellen. Das ist spannend, aber an anderer Stelle fehlt es dafür deutlich an der Komplexität einer umfassenden Politiksimulation. Außenpolitische Beziehungen, Auseinandersetzungen mit Koalitionspartner, oder Wahlkämpfe: große Teile der realen Politiklandschaft wurden ausgespart. Hinzu kommen merkwürdige Unstimmigkeiten der Bevölkerungsreaktion, kleinere Bugs, eine schwache Lokalisierung sowie sich schnell wiederholende Entscheidungen, so dass Democracy 3 nur einen befriedigenden Eindruck hinterlässt.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Anspruchsvolles Politikspiel mit vielen Entscheidungen, aber alles andere als eine realistische Demokratie-Simulation.
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