Lords of EverQuest08.03.2004, Bodo Naser
Lords of EverQuest

Im Test:

Als Dauerläufer unter den Online-Rollenspielen dürfte EverQuest auch grüne Orkhorden kommandierenden Fantasy-Strategen ein Begriff sein. Die Eroberung der magischen Welt Norrath in Lords of EverQuest (ab 6,90€ bei kaufen) müsste daher eigentlich ein Selbstläufer sein - oder?

Einfallslose Geschichte

Im längst abgegrasten Bereich der fantastischen Echtzeit-Strategiespiele, den zur Zeit Titel wie WarCraft 3 oder Spellforce dominieren, ist es wichtig, sich von der Konkurrenz durch Besonderheiten abzuheben. Eine möglichst ausgefeilte Story könnte dabei sicher ein erster Schritt sein - die Schöpfer von Lords of EverQuest gehen diesen aber leider nicht.

Schon das effektvoll inszenierte Intro erinnert sofort an WarCraft 3.

Stattdessen erzählt man die wenig spannende und vorhersehbare Geschichte dreier Fantasy-Reiche, die um die Vormacht in der Welt Norrath kämpfen. Selbst nachdem man eine ganze Weile gespielt hat, kann man die durch Filmchen in 3D-Spielgrafik präsentierte Story nicht wirklich nacherzählen, was nicht gerade für ihre Qualität spricht.

Drei Fantasy-Völker sind spielbar, die sich aber kaum unterscheiden.

Drei Allianzen

Auch die drei Völker bleiben blass. Mit am spannendsten ist es auf Seiten des fiesen Schattenreiches, wo der echsenhafte Fürst Skass sein nekromantisches Unwesen treibt – einer von 15 vorgefertigten Anführern. An die tragische Story um den Prinzen Arthas aus WarCraft 3 kommt sein finsterer Werdegang aber nicht heran.

Weitere Konfliktparteien sind die durch und durch gute Elddar-Allianz, die Elfen und Hobbits vereint, sowie die undurchsichtige Bruderschaft der Dämmerung, die Menschen und Zwerge bilden. Aufgrund der weitgehend austauschbaren Fürsten, Einheiten und Bauten identifiziert ihr euch aber kaum mit eurem Reich.

__NEWCOL__Missionen von der Stange

Kaum weniger einfallslos ist das abwechslungsarme Design der Missionen, die ihr während der drei Kampagnen des Einzelspieler-Modus absolvieren müsst. Meist gilt es, einige von der zurückgebliebenen KI gesteuerte Armeen zurückzuschlagen, die sich selbst auf höherem Schwierigkeitsgrad seltsam passiv verhalten und stets hübsch abwarten, bis ihr anmarschiert kommt. So ist es kaum eine Herausforderung, diese auf den wohl im Dutzend produzierten 3D-Karten immer schön der Reihe nach zu entdecken und abzuschlachten. Bekommt ihr ab und an eine leicht zu lösende Subquest, könnt ihr euch über das bisschen Abwechslung freuen.

Doofe Krieger

Viel aktiver als die harmlose Gegner-KI verhalten sich eure eigenen Truppen leider auch nicht. In den unübersichtlichen Gefechten reagieren

sie oft überhaupt nicht, stehen immer wieder dumm herum und hinterlassen so einen negativen Eindruck.

Wirkliche Formationen existieren ebenso wenig wie das ganz auf hirnlosen Sturmangriff getrimmte Gameplay taktische Finessen zulässt. Und das, obwohl die animierten 3D-

Einheiten rein äußerlich eine gute Figur abgeben, die in ihrer Form und Farbigkeit freilich wieder Erinnerungen an WarCraft 3 wachrufen.

Einheiten steigen auf

Das Beste an dem lieblosen Fantasy-Strategiespiel ist, dass ihr erfahrene Einheiten mit in die nächste Schlacht nehmen könnt.

Eure Einheiten verhalten sich viel zu harmlos - auch, wenn ihr Fürst in der Nähe ist.

Eine solche Wahlmöglichkeit gab’s zuletzt bei der Panzer General-Reihe. Nur so macht es eigentlich Sinn, dass die Oger, Zwerge und Elfen überhaupt  Erfahrung sammeln. Steigt eine Einheit über die Stufe 6 hinaus, wird sie zum Ritter, der spezielle Fähigkeiten besitzt und die umgebenden Streiter motiviert.

Schön wäre es noch gewesen, wenn ihr wie beim Online-Rollenspiel selbst bestimmen könntet, welche Eigenschaft sich verbessern soll. Eine größere Aura besitzen nur die ebenfalls automatisch aufsteigenden Fürsten, die die eigenen Truppen aufwerten oder sogar den Gegner demoralisieren. Einen effektiven Unterschied macht dies freilich nicht, da auch die Truppen außerhalb der durch verschnörkelte Kreise angezeigten Aura nicht viel schlechter kämpfen.

Zumindest für Auge und Ohr bietet LoE etwas, wie etwa das transparente Wasser.

Sich gleichende Armeen

Die Bezeichnungen der Einheiten wie "Hammerschädel", "Schänder" oder "Betörer" erwecken zumindest anfangs den Eindruck, dass sich  etwas Neues dahinter verbirgt. Schnell wird aber klar, dass es sich nur um die altbekannten Fantasy-Einheiten handelt, denn jedes Volk verfügt über Ernter, Krieger, Flieger, Belagerungstruppen, Druiden, Spione und Zauberer.

Neben den stinknormalen Truppen gibt es auch noch Spezialeinheiten wie den Giftspeier, baumlange Treanten oder strahlende Tempelritter. Um sie bauen zu können, müsst ihr zuerst das entsprechende Gebäude errichten, das ihr auch aufwerten könnt. Die exotischen aussehenden Gebäude, die sich selbst hochziehen, dienen aber ausschließlich dem Bau neuer Truppen.__NEWCOL__Bunter Fantasy-Look

Abgesehen von den unbeweglichen Gesichtern und Fingern der animierten Figuren hinterlässt die farbenfrohe und stufenlos zoombare 3D-Darstellung insgesamt einen positiven Eindruck. Da stört es auch wenig, dass der eine oder andere Lord seltsam deformiert aussieht. Die weiblichen Wesen scheinen generell mit einem wahren Atombusen ausgestattet zu sein, an dem sich wohl auch die Gegner verletzen könnten. Schön transparent sieht das effektvoll inszenierte Wasser aus; die magischen Effekte könnten insgesamt aber ruhig noch eine Spur  explosiver sein. Andererseits gibt es übergroße Gegner à la Baldur’s Gate 2 wie etwa einen feuerspeienden Drachen. Toll ist auch das vorgerenderte Intro - im Spiel gibt’s dann aber "nur" Zwischensequenzen in Spielgrafik.

Komplett auf Deutsch

Dass Lords of EverQuest über einen passenden heroischen Soundtrack verfügt, der problemlos auch in einem guten Fantasy-Streifen laufen könnte, haben wir euch ja schon in der Preview mitgeteilt.

Gelegentlich treten eure Einheiten in Reih und Glied an.  Formationen, die sich auf die vielen Kämpfe auswirken, existieren aber nicht.

Erstmals liegt mit der Deluxe Edition auch eine deutsche Sprachausgabe vor, die zwar professionell aufgenommen wurde, gegenüber dem Original aber qualitativ abfällt. Die Stimmen der englischen Sprachausgabe klingen nämlich äußerst pointiert und gegen einen John Rhys Davies, der auch dem Gimli im englischsprachigen Original der Herr der Ringe-Filme seine Stimme lieh, kommt auch ein deutscher Sprecher nur schwer an.

Fazit

Anstatt konsequent die Stärken von Sonys Online-Rollenspiel auszuspielen, will es Lords of EverQuest seinem großen Vorbild WarCraft 3 nachmachen, was ihr dem Echtzeit-Strategiespiel auch an allen Ecken und Enden anmerkt. Entwickler Rapid Eye Entertainment gelingt es aber nicht, das Motivationsfeuerwerk von Blizzards Hit abzufackeln. Ganz im Gegenteil: Die sich gleichenden Missionen werden schnell langweilig, weil ihr aufgrund der austauschbaren Story auch gar nicht wissen wollt, wie es weitergeht. Auch die Kämpfe zwischen den sich nur äußerlich unterscheidenden Fantasy-Armeen sind mehr als mau, da weder die gegnerische KI noch die eigenen Truppen aggressiv genug zur Sache gehen. Mehr Spaß hätten auch mehr Rollenspielelemente bringen können, die ihr aber vergeblich sucht. Nicht einmal euren Fürsten dürft ihr selbst mit Eigenschaften ausstatten. Am enttäuschenden Gesamteindruck können daher weder das gelungene Äußere und noch der wuchtige Soundtrack viel ändern. Da hilft es auch nicht mehr, dass es Lords of Everquest nun auch mit deutscher Sprachausgabe gibt. Ein Spiel, das sich auch EverQuest-Fans durchaus sparen können!

Pro

spielt im Universum von EverQuest
drei Kampagnen spielbar
15 Fürsten wählbar
erfahrene Einheiten können mitgenommen werden
bunte 3D-Fantasy-Optik
tolles Intro
heroische Musik
deutsche Sprachausgabe
gedrucktes Handbuch

Kontra

dünne Story
Gameplay rasch langweilig
wenig Abwechslung bei den Missionen
zu wenig Rollenspielelemente
Gegner verhalten sich passiv
eigene Truppen greifen oft nicht an
keine Formationen
kaum taktische Möglichkeiten
Einheiten gleichen sich
keine Identifikation mit eigenem Fürst

Wertung

PC

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