Fire Department31.08.2003, Jörg Luibl
Fire Department

Im Test:

Echtzeit-Taktik mal anders: Monte Cristo Games will den Grisu in Euch wecken und entführt Euch mit Fire Department (ab 39,95€ bei kaufen) in die Welt des Feuers. Als Einsatzleiter einer ganzen Wache könnt Ihr auf ein Team aus Spezialisten, Fahrzeugen und Helikoptern zurückgreifen, um Flammen einzudämmen und Menschenleben zu retten. Warum trotz der Wassermassen der Spielspaßfunke überspringt, klärt der Test!

Dramatik pur

Chaos in der Luxusvilla: Eingeschlossen von einer Feuerwand schreit ein Popstar um Hilfe. Drei Feuerwehrleute jagen züngelnden Flammenmonstern kaltes Nass in den Rachen; ein Sanitäter eilt zum mittlerweile bewusstlosen Opfer und leistet erste Hilfe. Während das Team den Rückweg sichern will, explodiert plötzlich eine Nobelkarosse und die ganze Garage lodert auf. Wenn das Löschfahrzeug zu spät kommt, sind Menschen und Villa verloren…

Wer Spannung sucht, wird sie in Fire Department finden. Die Entwickler tischen zum einen höchst interessante Szenarien auf: vom kleinen Tankstellenvorfall über einen politisch brisanten Botschaftsbrand bis hin zur AKW-Katastrophe. Zum anderen sorgen sie mit klasse Einleitungsfilmen, plötzlichen Kameraschwenks und vielen Cutscenes in Spielgrafik für eine knackige Dramaturgie, die im Laufe eines Einsatzes hinterhältig und gemein zu Herzklabaster-Form aufläuft: Gerade wenn man sich in Sicherheit wiegt, schwelt auf einmal irgendwo Gas, Explosionen entfachen neue Brandherde oder ein Backdraft schaltet ein ganzes Team aus.

Spezialisten gefragt

Die Szenarien sind eine echte Herausforderung für Taktiker und Schnelldenker, denn Ihr müsst mit den richtigen Leuten und Fahrzeugen auf die Gefahren reagieren - meist an mehreren Schauplätzen gleichzeitig. Dabei geht es nicht nur darum, Feuer zu löschen, sondern auch darum, Opfer zu beruhigen, Sprenkleranlagen zu aktivieren, Autos wegzufahren, wichtige Türen einzuschlagen oder die Gaszufuhr abzudrehen.

__NEWCOL__Manche Situationen erfordern einen Spezialisten: Der Bergungsfachmann beseitigt mit einer Kreissäge Metallhindernisse, der technische Leiter kann fremde Fahrzeuge steuern, der Höhenretter erklimmt mit Kletterhaken unzugängliche Bereiche und der Hitzefachmann kann kurze Zeit mitten in den Flammen arbeiten. Natürlich müsst Ihr auch die Fahrzeuge klug platzieren und einsetzen, darunter ein Rettungs-, Versorgungs- und Löschwagen sowie der mächtige Wasserturm und die Drehleiter.

Aber auch wenn die Aufgabenstellungen überwiegend durch Authentizität glänzen, sorgen kleine Inkonsequenzen für Frustmomente: Manche Zivilisten rennen z.B. furchtlos durchs Feuer. Und obwohl man Opfer in Sicherheit gebracht hat, wird das so lange ignoriert, bis sie beim Rettungswagen sind. Das ist nicht weiter schlimm, aber im Botschaftslevel fehlt z.B. der Notarzt auf einer Gebäudeseite. Und obwohl dort Polizei und freie Straßen Sicherheit versprechen, wird man gezwungen, die Opfer zur anderen Seite zu schaffen - also muss man gegen alle Logik noch mal durch das brennende Gebäude! Ansonsten überzeugt das Leveldesign jedoch mit fairen Lösungswegen.

Hitzestau & Flammenmeer

Der Kampf gegen das Feuer wird komplett dreidimensional geführt und kann mit einigen pompösen Explosionen, partikelfreudiger Rauchentwicklung und höchst lebendig wirkenden Flammen überzeugen. Wenn Gänge lodern, Gase aus Ritzen kriechen und Räume plötzlich in einem gleißenden Meer aus Gelb und Rot versinken, ist Mittendringefühl garantiert. Auch die dramatische Hintergrundmusik und die erhitzten Funk-Kommentare tragen akustisch dazu bei.

Trotzdem ist nicht alles Gold, was brennt: Gerade im Bereich der Texturen und Animationen vermisst man stellenweise mehr Feinschliff und Vielfalt. Wenn Feuerwehrleute die Rettungsleiter hochjagen, erinnert das eher an gleitende Lemminge als an Stufen erklimmende Menschen. Auch die Böden, Innenräume und Fahrzeuge bieten trotz liebevollem Arrangement und realem Anstrich eher Standardkost als Texturpracht. Zudem stören die langen Ladezeiten zwischen den Einsätzen.

Alles im Griff!

Im Ernstfall erwartet Euch jedoch ein Komfort, den sich so mancher reale Einsatzleiter wünschen würde: Die Kamera lässt sich frei drehen und zoomen, die interaktive Benutzeroberfläche ermöglicht schnelle Befehle direkt in der Anzeigenleiste und Ihr könnt per Tastendruck schnell zwischen Einsatzgruppen wechseln. Kleine Icons zeigen an, ob sich etwas steuern, drehen oder einschlagen lässt und die punktgenaue Steuerung bereitet keinerlei Probleme.

Ein Manko ist die nervige Fahrzeughandhabung: Ihr zieht die Vehikel quasi mit der Maus in eine Richtung, was zwar simpel ist, aber bei längeren Strecken und Drehungen kostbare Zeit frisst. Hier hätte ich mir einen Befehl gewünscht, der per Klick auf einen Punkt dafür sorgt, dass Sanitäter & Co automatisch losfahren; auch Wegpunkte hätten für Frustabhilfe gesorgt. Schließlich wünscht man sich in kritischen Situationen auch gewisse Automatismen im Einheitenverhalten, wie etwa eine "aggressive" oder "defensive" Löschmentalität, damit man nicht jeder Einheit und jedem Fahrzeug ständig neue Anweisungen geben muss. Zwar löschen manche Feuerwehrleute ab und an von alleine weiter, aber genau so oft bleiben sie plötzlich untätig stehen.

__NEWCOL__Abrechnung & Orden

Als Belohnung winken pro Einsatz bis zu fünf Orden. Diese Abrechnung hat zwar keinen Einfluss auf spätere Aufträge, aber zeigt anhand übersichtlicher Statistiken und in Form einer kleinen Textanalyse, wo Eure Stärken und Schwächen lagen: Die Dauer des Einsatzes, die Zahl der Opfer, der Verletzungen sowie der zerstörten Fahrzeuge gehört ebenso dazu wie die Schwere des Brandes oder wertvolle Gegenstände, die Ihr retten konntet. Wer die höchsten Orden in Gold ergattern will, muss allerdings die schwere Stufe meistern - und an der sollten wirklich nur Hardcore-Grisus versuchen.

Verschachtelte Missionen

Mit einem Trainingslevel und neun Missionen ist Fire Department wahrlich kein Epos, aber die einzelnen Abschnitte sind teilweise in viele kleinere Aufträge gegliedert, so dass man schon mal weit über eine Stunde braucht, um der Lage Herr zu werden - wenn es denn beim ersten Mal klappt. Der Schwierigkeitsgrad spielt hier eine große Rolle, da man auf "Leicht" wesentlich angenehmer vorwärts kommt und oftmals nach 30 Minuten alles im Griff hat; mehr als ein Wochende braucht man hier nicht. Auf der mittleren Stufe ist das Spiel nur noch besonders schnellen Denkern und Klickern zu empfehlen, denn irgendwann brennt es an allen Fronten und es wird unheimlich knapp.

Eine Pausefunktion sorgt zwar für etwas Ruhe und erlaubt Kamerafahrten, aber Befehle lassen sich hier nicht erteilen. Einsteiger sollten daher auf jeden Fall die leichtere Variante wählen - auch wenn das Spiel dann nach knapp acht Stunden vorbei ist. Ein Multiplayer-Modus wäre sicher kooperativ interessant gewesen, und hätte die Langzeitmotivation noch angehoben, ist aber leider Fehlanzeige.

Fazit


Dramatisch, abwechslungsreich, fordernd - Fire Department ist ein rundum gelungenes Echtzeit-Taktikspiel, das dem zerstörungsversessenen Genre endlich mal eine lebensrettende Perspektive schenkt. Nicht nur, dass die Entwickler höchst authentische Situationen und interessante Aufträge auftischen, auch die Spannungskurve bleibt stets im motivierend straffen Bereich: Cutscenes sorgen für so manche böse Überraschung und ständig neue Herausforderungen. Dass man sich dabei mittendrin fühlt, liegt auch am optisch und physikalisch verblüffend realistischen Feuer, das sich gnadenlos ausbreitet, verheerende Explosionen und tödliche Backdrafts auslöst. Eine höhere Wertung wird allerdings durch kleine Logikfehler, die fummelige Fahrzeugbewegung und fehlende Automatismen wie z.B. eine "aggressive" Löschtaktik verwehrt. Auch der Umfang lässt mit knapp zehn Stunden Spielzeit und fehlendem Multiplayer-Modus etwas zu wünschen übrig. Das sind allerdings alles nur Tropfen auf einem wirklich heißen Taktikstein, der jeden Genrefan ins Schwitzen bringen wird!

Pro

<li>Dramatik pur</li><li>taktisch fordernd</li><li>einfache Steuerung</li><li>tolle Feuerdarstellung</li><li>interaktive Umgebung</li><li>klasse Einleitungsfilme</li><li>drei Schwierigkeitsgrade</li><li>authentische Feuerphysik</li><li>gute Zwischensequenzen</li><li>interessante Profi-Hinweise</li><li>abwechslungsreiche Aufträge</li><li>viele Überraschungsmomente</li>

Kontra

<li>lange Ladezeiten</li><li>magere Animationen </li><li>etwas geringer Umfang</li><li>nervige Fahrzeugsteuerung</li><li>keine Verhaltensautomatismen</li><li>kleine Logikfehler im Leveldesign</li>

Wertung

PC

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.