Call of Duty21.11.2003, Paul Kautz
Call of Duty

Im Test:

Drei Parteien, ein Ziel – den Zweiten Weltkrieg endlich zu beenden. In Call of Duty schlüpft ihr nicht in die Rolle eines waffenstarrenden Super-Rambos, sondern eines einfachen Soldaten, um die Schrecken des Krieges aus verschiedenen Perspektiven zu erleben. Ob das einen Unterschied zu bekannten Shootern wie Medal of Honor macht, erfahrt ihr aus der Review.

3-Fronten-Krieg

Das dramatische Intro stimmt mit Dokumentarschnipseln und filmähnlich aufbereiteten Spielszenen düster auf das eigentliche Game ein. Danach erwartet euch das obligatorische Tutorial sowie die Erkenntnis, dass ihr zur Parteienwahl gezwungen werdet. Zwar kämpft ihr im Laufe der Kampagne für Amerikaner, Russen und Briten, habt allerdings auf die Reihenfolge keinen Einfluss. Jegliche Partei spielt sich etwas anders: Während die Amerikaner auf dicke Maschinerie und Haudrauf-Taktik setzen, schleicht ihr

Die russische Kampagne beginnt mit einem dramatischen Sturm auf Stalingrad.
euch als Brite meist von Auftrag zu Auftrag. Als junger Russe habt in der ersten Mission gerade mal eine Hand voll Munition, aber kein dazu passendes Gewehr – überlebt ihr den Sturm auf Stalingrad, gibt es erst in dem darauffolgenden Auftrag eine Waffe. Die Kampagne entwickelt sich zum Scharfschützenfest und Häuserkampf.

Natürlich sind diese Unterschiede größtenteils kosmetischer Natur – die wesentlichen Unterschiede liegen in dem Akzent der Sprachausgabe und natürlich den verwendeten Waffen. Ihr dürft ganz originalgetreu nur zwei Gewehre, eine Pistole und ein paar Granaten mit euch herumschleppen. Falls ihr allerdings eine Knarre seht, die euch gefällt, könnt ihr euer Modell jederzeit gegen ein anderes tauschen. Ihr könnt euch übrigens mit jeder Waffe in den Nahkampf begeben und entweder mit der Spitze oder dem Kolben zuhauen. Nur werdet ihr dieses Feature so gut wie nie benötigen, denn eure Gegner lassen euch nur selten auf Tuchfühlung kommen. Praktischer ist da schon, dass ihr mit jeder Knarre über Kimme und Korn zielen, und damit etwas näher zum Ziel zoomen könnt.

Im Westen nichts Neues

Der Großteil der Missionen sollte Kennern des Genres vertraut vorkommen: Ihr müsst Brücken einnehmen und verteidigen, Gefangene befreien, jede Menge Kriegsgerät zerstören, ein Flugzeug klauen oder Dokumente finden. Dazwischen findet ihr euch immer wieder entweder an den knarrenden Lenkhebeln eines russischen Panzers wieder, oder überlebt die wohl unvermeidliche Verfolgungsjagd, bei der ihr von der Ladefläche eines LKW aus heranpreschende Feindfahrzeuge per MG und Panzerfaust erledigen müsst. Der krönende Abschluss des mit durchschnittlich acht Stunden Spielzeit recht kurzen Erlebnisses ist das Hissen 

Sehr oft greift ihr zu FLAK oder MG, um euch großer und starker Gegner zu entledigen - hier das Ende einer heranstürmenden Stuka.
der roten Fahne auf dem eroberten Berliner Reichstag. Bis dahin tummelt ihr euch in den bayerischen Alpen, auf einem Schiff, in Strasshof, Stalingrad oder Warschau. Pro Mission gibt es im Schnitt sieben Ziele zu erfüllen, von denen manche auch zeitkritisch sind: Entweder müsst ihr eine Position eine Zeit lang halten, oder ihr habt nur wenige Minuten, einen Auftrag zu erledigen.

Zwischen den Aufgaben erwarten euch neben den trockenen Briefings auch schlaue Zitate von berühmten Feldherren wie Winston Churchill oder Franklin D. Roosevelt und Schriftsteller wie Ernest Hemingway. Leider sind die die einzige Brücke zwischen den sonst scheinbar wild zusammengewürfelten Missionen, die nur selten direkt zusammenhängen.

  

Du bist nicht allein

Credo des Spiels, und das zu betonen wurde Entwickler Infinity Ward nicht müde, ist der Teamfaktor – nach dem Motto »Der Krieg wurde nicht von einer Person gewonnen«.  Das bedeutet in Spieldeutsch, dass ihr fast immer Teil eines Teams seid: Kameraden reden mit euch, handeln einigermaßen selbständig und arbeiten zusammen.

Eure KI-Kameraden sind nicht gerade die hellsten Begleiter.
Im Endeffekt ist es aber doch so, dass die Jungs erst losziehen, wenn wir vorgehen und den Weg bereiten. Besonders zielsicher sind die KI-Jungs auch nicht, außerdem können sie zwar per Script durch Fenster klettern oder über Zäune hopsen, schaffen es aber immer wieder, einem im unpassendsten Moment im Weg zu stehen – was nicht nur in engen Bunkern extrem lästig werden kann. Dieses Problem stellt sich natürlich bei den wenigen Solo-Missionen nicht, die zwar nicht dem Motto des Spiels entsprechen, aber dennoch spannend designt sind. Gelegentlich müsst ihr euch auf das Können eurer Jungs verlassen, wenn sie euch etwa den Rücken decken sollen, während ihr per FLAK einige vorwitzige Stukas aus der Luft holt. In solchen Momenten funktioniert die Zusammenarbeit meist erstaunlich gut.

Auf sie mit Gebrüll!

Die Optik von CoD basiert auf einer bis zur Unkenntlichkeit überarbeiteten Quake3-Engine. Die Parallelen zu Medal of Honor springen jedoch gleich vom ersten Moment an ins Auge – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass ein Großteil des Entwicklerteams vorher genau diesen Titel gebastelt hat. Die größte Neuerung sind die gewaltigen Massenschlachten, die besonders beim Angriff auf Stalingrad oder der Eroberung des roten Platzes geradezu unheimlich beklemmend und real

Es gibt viele Dinge zu sprengen - derartig gewaltige Explosionen bekommt ihr oft zu sehen.
wirken: Da stürmen hunderte Soldaten den Hügel, während MG-Dauerfeuer die Umgebung mit immer neuen Staubwolken zerwühlt, Stukas brennend kurz vor euch einschlagen und der gesamte Hintergrund aus brennenden und qualmenden Ruinen besteht – beeindruckend!

Gelegentliche Grafikfehler werden gerne in Kauf genommen, wenn man beispielsweise durch dichtes Buschwerk robbt, in einem verschneiten Winterwald kauert oder in zerbombten Häuserresten schnell um die Ecke späht. Zusätzlich mit schön animiertem Wasser, massenhaft tollen Script-Szenen und guten Partikeleffekten versehen, verschaffen die hochdetaillierten Schlachtfelder also einen dramatischen Eindruck vom Chaos des Krieges. 

Doch natürlich gibt es auch hier etwas zu bemängeln: Wieso sind die Umgebungen praktisch nicht interaktiv?

Panzer faaahn: Am Steuer eines dicken Tanks könnt ihr die Gegend nach Belieben umpflügen.
Zwar kann man mit einem  Panzer Teile von Häusern zertrümmern, doch sonst ist alles starr, nicht mal eine Flasche lässt sich zerschießen – das hätte dem Spiel noch mehr Leben verliehen. Merkwürdig ist da beispielsweise, dass ihr am Steuer eines Tanks zwar Bäume umfahren, aber nicht aus dem Weg schießen könnt.

Auch die künstliche Schlachtfeldbegrenzung wirkt albern: Wieso kann der Feind beispielsweise durch eine Zaunlücke kriechen, für mich ist der Weg aber durch eine unsichtbare Mauer blockiert? Und zu mauer Letzt wirken die handgepinselten Animationen hier und da unfreiwillig komisch: Wenn eure Kameraden über Zäune springen oder geduckt laufen, erinnert das Ganze eher an einen Cartoon als einen doch ernst gemeinten WW2-Shooter.

Der Klang des Krieges

Die Akustik war den MoH-Entwicklern schon immer heilig, auch Infinity Ward ließ da besondere Sorgfalt walten: die Schusseffekte stammen von Original-Waffen, das Kettenrasseln der Panzer wurde ebenfalls von echten Modellen aufgenommen. Ein Highlight lässt sich z.B. erleben, wenn ihr zu nahe an einer Explosion steht: Eine Zeit lang hört ihr neben einem Fiepen alle Umgebungsgeräusche wie durch Watte, außerdem wird das Bild geisterhaft verzerrt. Alles zusammen ergibt besonders auf Surround-Systemen eine fast schon irrsinnig dichte Atmosphäre, die von der Sprachausgabe angemessen unterstützt wird. Zwar fehlen der deutschen Version die merklich unterschiedlichen Akzente der Original-Version, aber die sehr oft zu hörenden Propaganda-Sprüche, 

Das große Finale wartet in Berlin auf euch - die rote Flagge muss auf dem Reichstag gehisst werden!
Briefings auf dem Schlachtfeld oder Hilferufe tragen ihren Teil zur tollen Atmosphäre bei. Das Sahnehäubchen ist wie immer der dramatische orchestrale Soundtrack, der zwar im Tumult ab und an untergeht, aber dennoch stets präsent ist.Habt ihr das Spiel durch und den amüsanten Abspann genossen, wartet natürlich noch der Multiplayermodus auf euch.

Leider gibt es hier größtenteils nur Durchschnittsware: Unter den üblichen Deathmatch- und Capture the Flag-Modi ragt lediglich »Suchen und Zerstören« ein wenig heraus. Hier verteidigt ein Team eine bestimmte Anlage, die der Gegner zu zerstören versucht. Bis zu 32 Spieler dürfen gegen- oder miteinander antreten, Bots gibt es leider nicht.

 

Fazit

Wenn die Pflicht ruft, dann ist die Kür meist nicht fern. Was bietet Call of Duty, das die anderen WW2-Shooter nicht in petto haben? Die Antwort ist: nicht wirklich viel. Man kann es drehen und wenden wie man will. Dieses Spiel hätte eigentlich »Call of Honor« oder »Medal of Duty« heißen müssen, so ähnlich ist es dem Quasi-Vorgänger »Medal of Honor«. Zwar hat Entwickler Infinity Ward das Spiel an allen Ecken rundgeschliffen und poliert, aber der eigentliche Kern, die Missionen, ist quasi unverändert: Dinge sprengen, Dokumente beschaffen sowie das wohl unvermeidliche Verfolger-vom-Laster-aus-Beschießen werden mit dem zehnten Aufguss nicht besser. Call of Duty kann man selbst mit viel bösem Willen auf keinen Fall mangelhafte Atmosphäre vorwerfen: der Sturm auf Stalingrad ist wesentlich intensiver als die Omaha Beach-Mission in MoH:AA, das Hissen der roten Flagge ein würdiger Abschluss des Spiels. Aber dazwischen hat der Genrekenner mehr Déjà-Vus, als es Fehler in der Matrix geben könnte. Und noch eine Gemeinsamkeit: Natürlich ist das Game mit durchschnittlich acht Stunden Durchspielzeit recht kurz. Wenn ihr bislang nicht viel mit dem Thema WW2-Shooter zu tun hattet, ist Call of Duty eine hervorragende Wahl, um sich mit dem Szenario vertraut zu machen – intensiver und mitreißender war bislang kein anderes Spiel in diesem Gebiet. Wer andererseits die Medal of Honors dieser Welt schon auswendig kennt, wird hier nicht viel Neues finden; mittlerweile sind wirklich alle WW2-Schlachtfelder abgegrast.

Pro

gute Grafik
sehr intensiv
hervorragende Atmosphäre
sehr gute Sprachausgabe
super Soundeffekte
exzellenter Soundtrack
angenehm unterschiedliche Kampagnen
aufregende Massengefechte

Kontra

<P>
ausgelutschtes Spielkonzept
bekannte Missionen
recht kurz
mäßige Multiplayermodi
wenig Interaktion mit der Umgebung
nur halb-intelligente Team-KI
streckenweise langweilig
gelegentlich alberne Animationen
künstliche Schlachtfeldbegrenzung
hier und da ruckelige Grafik
keine zusammenhängende Story</P>

Wertung

PC

Atmosphärisch dichter WW2-Shooter

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