Air Conflicts: Vietnam25.10.2013, Eike Cramer
Air Conflicts: Vietnam

Im Test:

Die Air-Conflicts-Reihe konnte bislang zwar nicht glänzen, vor allem der letzte Ableger Pacific Carriers stand aber für solide Arcade-Action im Zweiten Weltkrieg. Nun schickt Gamesfarm den Spieler in die Hölle von Vietnam. Droht eine Bruchlandung im Dschungel?

Der endlose Krieg

Dieser Krieg dauert schon lange. Viel zu lange. Nach 25 Missionen und etwa sieben Stunden ist immer noch kein Ende in Sicht und allmählich beginnt mir das alles auf die Nerven zu gehen. Und damit meine ich nicht den Dschungel, den Vietcong oder die drückende Hitze, sondern das furchtbare Missionsdesign, das mir in immer neuer Variante aufgezwungen wird. Dafür habe ich mich nicht gemeldet! Mir wurde doch „Spielspaß ohne Ende“ versprochen, als ich mich verpflichtet habe. Wo ist diese „fesselnde und emotionale Story“, von der man mir im Rekrutierungsbüro vorgeschwärmt hat?

Stattdessen fliege ich einen langweiligen Einsatz nach dem nächsten. Ich bombardiere Dörfer, kämpfe in anspruchslosen Dogfights, bombardiere weiter.  Manchmal sitze ich auch in einem Helikopter. Dann muss ich Flaks ausschalten, und Truppen verlagern. Immer und immer wieder. Ab und zu werde ich auch an das seitliche Maschinengewehr einer Huey beordert. Dann muss ich in schlechten Railshooter-Sequenzen hunderte, auf offenem Feld wie angewurzelt stehende Vietcong erschießen. Wieder und wieder. Hat dieser Krieg denn nie ein Ende?

Luftkrampf

Ja, es gibt eine Cockpitperspektive. Nein, das Spiel wird dadurch nicht besser!
Ja, es gibt eine Cockpitperspektive. Nein, das Spiel wird dadurch nicht besser!
Wer an dieser Stelle denkt, die Navy (oder Air Force, man nimmt es da bei Gamesfarm nicht so genau und springt munter zwischen den Begriffen) wäre nichts für ihn, hat Recht! Air Conflicts: Vietnam (ab 2,90€ bei kaufen) hat aber noch weit mehr zu bieten als nur schlechtes Missionsdesign. Da wäre zum Beispiel die Flugphysik des Kampfgerätes. Diese ist selbst für einen Arcade-Flieger zu simpel. Strömungsabriss? Ein Fremdwort! Dafür gibt es aber eine Luftbremse, die das Flugzeug beinahe zum Stillstand bringt, bevor es abschmiert. So ähnlich hatte ich Fliegen in Erinnerung.

Auch die Steuerung ist so einfach wie es nur geht.  Links, rechts, oben, unten - fertig. Rollen fliegen darf ich nicht selbst, das macht das Spiel für mich, wenn ich eine Taste drücke. Auch das Seitenruder darf ich nicht selbst bedienen. Warum eigentlich nicht? Besser ist nur die Helikoptersteuerung: Diese ist nicht nur extrem simpel, sondern gleicht dabei einem absoluten Krampf. Neigung und Schub sind nämlich getrennt, was bizarre Manöver nach sich zieht: man kann z.B. nach vorne geneigt rückwärts fliegen. Die Trennung hat außerdem zur Folge, dass man für das gleichzeitige Steigen und Beschleunigen umgreifen muss. Zudem wechselt man die Kamera mit einem Druck auf den rechten Stick. „Wenig intuitiv“ wäre eine Beschönigung dieser katastrophalen Tastenbelegung.

Einmal Kriegsverbrechen zum Mitnehmen, bitte!

Die Steuerung der Helikopter ist fast so schlimm wie die Pappbaum-Einöde von Vietnam.
Die Steuerung der Helikopter ist fast so schlimm wie die Pappbaum-Einöde von Vietnam.
Die Inszenierung der Hintergrundgeschichte ist vollkommen öde. In beinahe schon albern synchronisierten Textsequenzen lese ich Briefe von meiner Familie, die sich über meinen Kriegseinsatz beschwert. Das war‘s. Es gibt keine Gesichter zu den Stimmen, keine Fotos und schon gar keine Videos. Auch ich selbst bleibe gesichtslos. Das ist nicht emotional, das ist mir bestenfalls egal und schlimmstenfalls nervig. Auch die Briefings werden ähnlich „stark“ präsentiert.

Zudem gibt es eine Überraschung: Es wird nämlich Kritik laut am Vorgehen der USA. Nach einem Agent-Orange-Einsatz etwa sinniert meine Spielfigur über die Gefahren von Entlaubungsmitteln und ihre (schrecklichen) Auswirkungen auf die Bevölkerung. Meine Tochter wird zu einer Aktivistin der Friedensbewegung und im Laufe der Kampagne verliere ich den Glauben an den Krieg und mein Land. Das könnte spannend sein und völlig neue Perspektiven in Kriegsspielen eröffenen. Könnte! Hier, in einem schlechten Arcade-Shooter, in dem gebombt und geballert wird, was das Zeug hält, wirken diese Elemente extrem deplaziert.

Hässlicher Krieg

Rote Wände begrenzen die Einsatzgebiete. Sehr immersiv, fast wie in der Realität.
Rote Wände begrenzen die Einsatzgebiete. Sehr immersiv, fast wie in der Realität.
Wer jetzt noch sagt „Egal,Hauptsache die Kulisse rockt“, den muss ich enttäuschen. Das tut sie nämlich nicht und einzig auf dem PC kommt sie in erträgliche Bereiche. Ich finde es zwar in Ordnung, dass Gamesfarm scheinbar noch für die PS2 und Xbox entwickelt, ich finde es aber nicht in Ordnung, dass diese Versionen dann für die 360 und PS3 erscheinen. Kurz: Die Kulisse ist völlig indiskutabel. Flugzeugmodelle, Oberflächen, Pappkameraden-Bäume, Sichtweite, Effekte - nichts entspricht den heutigen Standards. Es gibt außerdem brutale Pop-Ups und morphende Umgebungen. Dabei schafft es die PS3-Version tatsächlich noch schlimmer auszusehen als die Versionen für 360. Respekt.

Da ist es auch fast egal, dass die Freund-KI nicht nur schlecht, sondern quasi nicht existent ist. Wenigstens kann ich manuell zwischen ihnen Wechseln und selbst die Kontrolle übernehmen.  Es ist unerheblich, dass die Ränge meiner Flügelleute keine Rolle spielen und es während der Mission keine Kommunkation zwischen ihnen gibt. Selbst dass meine Spielfigur während laufender Missionen ständig automatisch auf magische Weise das Fluggerät wechselt (Jäger – Bomber – anderer Jäger) und die Einsatzgebiete durch rote Wände begrenzt sind kann mich nicht mehr irritieren. Hauptsache es ist vorbei, denn dieser Krieg ist die Hölle.

Fazit

Respekt Gamesfarm. So schwungvoll wurde schon lange keine Serie mehr gegen die Wand gefahren. Hier stimmt wirklich gar nichts: Das Flugmodell ist extrem simpel und die Steuerung gleichzeitig zu einfach und zu umständlich belegt. Die Kulisse ist auf dem PC unterer Durchschnitt und auf der 360 hässlich. Diese wird nur von der gruseligen PS3-Version unterboten, bei der zuweilen ganze Animationen fehlen. Dazu gesellt sich eine mies inszenierte Story, dröges Missionsdesign, eine miserable Freund-KI sowie ein überflüssiger Mehrspieler-Modus.  Es zeugt von Mut in Zeiten von H.A.W.X. und angesichts eines Ace Combat: Assault Horizon so einen Murks zu veröffentlichen. Schade um eine aufstrebende Arcade-Flieger-Reihe, aber nach diesem Absturz  wird es wohl keine Überlebenden geben.

Pro

Viele Flugzeuge und Helikopter aus der Vietnam-Ära
Cockpit-Perspektive

Kontra

die Kulisse ist hässlich (360) bis indiskutabel (PS3)
ödes Missionsdesign
schlimme Railshooter-Sequenzen
zu simples Flugmodell
furchtbare Helikoptersteuerung
langweilig inszenierte Handlung
Die Kritik am Vietnamkrieg wirkt im Rahmen eines Arcade-Shooter völlig deplaziert

Wertung

360

Hässlich, langweilig, simpel: Bei diesem Arcade-Flieger stimmt gar nichts.

PC

Dank der Kulisse ist diese Version am erträglichsten. Ein ordentliches Spiel ist Air Conflicts: Vietnam aber auch unter DirectX nicht!

PlayStation3

Mit Abstand die hässlichste Version. "PS2-Niveau" ist nicht übertrieben.

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