Test: Richard & Alice (Adventure)

von Benjamin Schmädig



Richard & Alice (Adventure) von Denby / Raze
Richard & Alice
Entwickler:
Publisher: Denby / Raze
Release:
02.2013
Erhältlich: Digital (, GOG)
Spielinfo Bilder Videos
Typisch, Schreiberlinge: Reden Spiele schlecht, anstatt es besser zu machen. So oder so ähnlich liest man gelegentlich. Hin und wieder versuchen die Schreiberlinge allerdings tatsächlich es besser zu machen – in diesem Fall Ashton Raze sowie Lewis Denby. In ihrem ersten Abenteuer schreiben sie über die Menschlichkeit und das Ende der Welt.

Das Lesespiel

Sie schreiben tatsächlich, Raze und Denby. Denn obwohl sie spielerisch ein waschechtes Point&Click-Adventure erstellt haben, erzählen sie seine Geschichte in vielen, vielen Dialogen. Ich habe zwar Besenstiele mit Klebeband kombiniert und in Dialogen den
Durch Gitterstäbe getrennt lernen sich Alice und Richard kennen - trotzdem nehmen die Rückblenden der neuen Insassin den größten Platz ein.
Durch Gitterstäbe getrennt lernen sich Alice und Richard kennen - trotzdem nehmen die Rückblenden der neuen Insassin den größten Platz ein.
Gesprächsverlauf bestimmt. Die meiste Zeit aber habe ich Richard und Alice dabei zugehört, wie sie sich näher kommen und wie Alice in Rückblenden von ihrer Vergangenheit erzählt. Das heißt, gehört habe ich nur die wenigen Stücke des Soundtracks, denn auf eine Vertonung verzichtet das Independent-Abenteuer.

Das Schöne...

Und sowohl die Unterhaltungen als auch die wenigen Monologe sind richtig gut geschrieben. Irgendwann in der Zukunft ist die Welt von Richard und Alice von einer ständigen Schneeschicht bedeckt. Gesellschaftliche und politische Ordnung gibt es nicht mehr – der Alltag ist ein Kampf ums Überleben. Die Suche nach Nahrung, Medizin und einer Unterkunft bestimmen den Alltag. Richard sitzt eine Gefängnisstrafe ab, als Alice in die gegenüberliegende Zelle geworfen wird. Wer ist die Neue und wieso ist sie hier?

Die Sträflinge bauen eine Beziehung fernab jedes romantischen Kitsches auf, wobei ich in Richards Rolle schlüpfe, um z.B. mein Familienfoto durch die Gitterstäbe über den Gang zu schieben. Später versuche ich Alice meine Zelle zu zeigen, ohne dass sie hineinsehen könnte. Den Großteil des Spiels machen aber Alice' Rückblenden aus, die ich mit ihr erlebe
Bevor der Schnee fiel, war Richards Welt in Ordnung.
Bevor der Schnee fiel, war Richards Welt in Ordnung.
– gemeinsam mit ihrem Sohn schlage ich mit durch die weiße Einöde. Die einfachsten Dingesind in dieser trostlosen Kälte ein Problem: Der Nachwuchs will ein Spielzeug, er braucht etwas zu essen und ein sauberes Heim. Um z.B. ins obere Stockwerk eines kleinen Hauses zu klettern, muss ich eine Leiter entrosten. Auch in dieser Erzählebene nehmen die Unterhaltungen zwischen Alice und ihrem Sohn den größten Raum ein.

... und das Spiel

Doch so gut die Texte auch sind: Das Spiel kommt zu kurz. Dabei müssen es keine herkömmlichen Rätsel sein, auch auf Minispiele oder andere Elemente kann ich verzichten. Ich habe das Herumlaufen in Dear Esther ebenso genossen wie die farbenfrohe Proteus-Insel. In The Walking Dead habe ich mich trotz eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten wie ein zentraler Teilnehmer lebhafter Unterhaltungen gefühlt. Diese Spiele sind interaktive Welten, die ich aktiv erschließe. Genau das fehlt Richard & Alice aber; das Adventure ist starr wie ein Buch mit Bildern. Im ganz ähnlich veranlagten To the Moon gab es mehr zu entdecken, es war musikalisch abwechslungsreicher und inhaltlich umfangreicher.

Richard & Alice wirkt wie Kurzgeschichte mit statischen Bildern und wenigen Animationen – sogar die in Unterhaltungen gezeigten Portraits der Sprecher sind trotz der wichtigen und wechselnden Emotionen stets dieselben. Vor allen Dingen aber sind die Rätsel den
Kulissen und Figuren sehr spartanisch gezeichnet. Die Geschichte wird fast ausschließlich in Dialogen erzählt.
Kulissen und Figuren sind spartanisch gezeichnet. Die Geschichte wird fast ausschließlich in Dialogen erzählt.
Namen kaum wert, die Lösung ist fast immer ganz offensichtlich. Die spielerische beste Element sind kleine, scheinbar unbedeutende Entscheidungen, die zum Glück nicht als solche markiert werden. Denn das sind Entscheidungen, die über den Ausgang der Geschichte mitbestimmen.

Das Kurz-Adventure

Die Stärke der beiden Entwickler ist ihre durchdachte, erwachsene Geschichte: Sie sprechen philosophische und humanistische Themen an, ohne den Inhalt zu zerreden. Sie stimmen nachdenklich, machen traurig, wecken Verständnis. Und sie haben es geschafft, dass ich immer neugierig war, obwohl ein wichtiger Teil der Handlung vorhersehbar ist: In den richtigen Augenblicken lassen sie kleine und große Geheimnisse entstehen – die geschickt konstruierte, bewegende Erzählung ist die größte Stärke dieses Kurz-Adventures.

Kommentare

WH173W0LF schrieb am
Ich mag die Idee. Vor allem interessante Geschichten sind im Action-Zeitalter schwer zu finden. Vor einigen Jahren, wo der RPG Maker 2000 noch frei verfügbar war habe Ich versucht ein RPG mit mehr Erzählung als aktive Handlung zu erstellen. Ist zwar nichts geworden und die Story wäre warscheinlich ziemlich dünn ausgefallen aber es wäre schön wenn sich so etwas wie das 8-Bit Kino als Genre entwickeln würde.
mcRebe schrieb am
danke für den guten test und das "kaum nennenswerte Interaktionsmöglichkeiten" im kontra sollte ruhig öfter von dir kommen. ;) schließlich lebt ein spiel letztendlich von den interaktionen.
schrieb am