Im Test:
Neue Fußballära? Erst 2015…
Ich habe mich richtig gefreut, als Konami im Frühjahr endlich den lang ersehnten Neuanfang für Pro Evolution Soccer 2014 (PES) ankündigte. Auf Basis der Fox-Engine von Kojima Productions, die auch in Metal Gear Solid 5 zum Einsatz kommen wird, wollte man hinsichtlich Präsentation, Physik und Realismus „den bislang größten Schritt nach vorne machen“. Leider bleibt es letztlich bei lobenswerten, aber zu wenigen Fortschritten bei gleichzeitigen Verschlimmbesserungen. Auf allen Systemen gibt es kleinere Bugs sowie spielerische Unstimmigkeiten.
Vor allem auf PlayStation 3 muss man zudem einen ganz ärgerlichen Rückschritt hinnehmen: Es ruckelt. Offline. Und das darf nicht sein! Bei allem Verständnis dafür, dass man weniger Stadien als letztes Jahr und keinen Editor für die Arenen anbietet oder dass man aufgrund der neuen physikalischen Berechnungen zunächst auf Regen-Matches verzichtet: Wenn es zwar nicht permanent, aber sporadisch und spürbar in Situationen mit vielen Spielern oder beim Torabschluss aus der Distanz stockt, ernüchtert das selbst nach einem tollen Tempowechsel.
Online mit großen Problemen
Und wenn man online endlich loslegen kann? Auch das ist aktuell kein Spaß. Viele Matches, selbst in den regionalen Freundschaftsspiel-Lobbys, fühlen sich auf PS3 an wie in Gelee verzögert – hier rollt der Ball so zäh, hier ist die Reaktionszeit so verzögert, dass da nicht mal ansatzweise Spaß aufkommt. Ich habe irgendwann einfach keine Lust mehr gehabt, mir dieses Gezuckel anzutun. Schade ist, dass ich bei der Spielsuche zwar nach Höflichkeit, Leistungsklasse (A – E) und Steuerungsart, aber nicht nach Verbindungsqualität oder Herkunftsland filtern kann. Hinzu kommen ärgerliche Bugs: Bei einem Elfmeterschießen in einem Ranglistenspiel wird der Ball einfach mittig auf den Torwart gelupft, der auch stehen
Dann kann es zu plötzlichen Spielstopps kommen: Gestern standen sich Khedira und Reus online vor dem Strafraum gegenüber, ich will einen Schuss antäuschen und beide Spieler frieren plötzlich im Angesicht zueinander ein, während Publikum und die anderen weiter animiert werden – nur der manuelle Schusspfeil ließ sich bewegen, aber weder über Start noch andere Knöpfe kam man aus dieser Situation raus. Wir mussten bis zum Ende der Halbzeit laufen lassen. Es ist übrigens lobenswert, dass Konami endlich 11-gegen-11 ermöglichen will: Man kann theoretisch entweder mit zwei komplett menschlich geführten Mannschaften oder gegen eine KI-Elf antreten. Allerdings hat das Ganze einen praktischen Haken, denn der Service ist zum Start nicht verfügbar und wird erst per Patch nachgeliefert.
Willkommen vor der Flimmerkiste
Immerhin: Auf Xbox 360 und dem PC spielt sich das Ganze nach Anpfiff offline deutlich flüssiger, es gab nicht diese Probleme mit Rucklern im Spiel, so dass wir eine ganze Wertung raufgehen. Aber auf allen Systemen vermisst man grafischen und mechanischen Feinschliff, auf allen muss man mit seltsamen Szenen und komischen Bugs leben – auch offline. Wenn man z.B. einen Freistoß inszeniert, indem man einen zweiten Spieler hinzunimmt und dann den Schuss antäuscht (Viereck und dann X drücken), friert die Situation komplett ein – man kann weder schießen noch etwas anderes machen. Erst wenn man in die Aufstellung geht und die Schützen wechselt, geht es weiter. Nicht fatal, aber ärgerlich.
Der zwölfte Mann
Asia Champions League
UEFA Champions League
Europa League
Copa Libertadores
Dazu die bekannten europäischen sowie neue südamerikanische Ligen aus Argentinien etc. sowie drei deutsche Clubs: Bayern, Schalke, Leverkusen. Der BVB fehlt.
Besser als im Vorgänger wirkt die figürlichere Darstellung des Publikums, wenn man bei naher Kamera zwar viele geklonte, aber immerhin aktiv feiernde Fans in unterschiedlicher Kleidung erkennen kann; auch die Stimmung in den Stadien ist etwas lebendiger, zumal es in der Champions League ansehnliche Choreographien mit den Vereinswappen gibt. Sehr lobenswert ist zudem der Versuch, eine emotionale Verbindung zwischen Erfolg und aktueller Fähigkeit sowie Publikum und Spielern herzustellen. Konami nennt das „Heart“ und es funktioniert so, dass ein Spieler z.B. nach einem oder mehreren Torerfolgen quasi heiß läuft und seine Werte steigen. Die können sich auch kollektiv für die Mannschaft ändern, wenn man z.B. auswärts antritt. Wie spürbar ist das auf dem Platz? Das hält sich in Grenzen.
Was mitunter künstlich hitzig oder unfreiwillig komisch aussieht: der Jubel nach Toren oder der Ärger nach Entscheidungen. Manchmal fragt man sich, woher diese übertriebene Emotion angesichts des klaren Spielstandes kommt – da entsteht zu oft aus dem Nichts ein vor Wut verzerrtes Gesicht bei Klose & Co. Hier fehlen noch glaubwürdige Übergänge der Aufgeregtheit. Nur in kritischen Situationen, bei einem bösen Foul, einem Elfmeter oder in den letzten Minuten eines unentschiedenen Pokalspiels dürfte es so extrem hergehen. Außerdem greifen die Kollegen im zuckenden Rudel munter durch oder neben ihre Körper; diese Clippingfehler gesellen sich auf allen Systemen in die Reihe der technischen Unzulänglichkeiten.
Kein großer Schritt nach vorne
Braucht man für diese kleinen Fortschritte eine neue Engine? Ein großer Schritt sieht jedenfalls anders aus. Warum inszeniert man die Tore in den Wiederholungen nicht besser? Warum sieht der Rasen trotz neuer Engine auf allen Systemen aus wie ein grüner Linoleumboden, wie eine platte Textur? Hier vergibt PES auch im kleinen Rahmen die Chance, für mehr Begeisterung zu sorgen.
Viele alte Zöpfe
Abgesehen von den technischen Schnitzern wirkt die Präsentation insgesamt nicht frisch genug für einen Neuanfang, von dem ich auch eine grafische Überholung der verschachtelten bis unhandlichen Menüstruktur erwartet hätte. Warum sehen die Profis
Die Meisterliga kennt man mittlerweile auswendig – Zusätze wie das Wechseln zu Teams auf anderen Kontinenten oder das zusätzliche Leiten eines Nationalteams sind nett, aber nicht mehr. Genauso wie die Online-Ergänzungen: Es gibt bis auf eine Liga ein Budget-Limit in anderen Ligen und man bekommt bessere Filter für die Spielersuche. Aber all das sind letztlich nur Details, die den Braten für das allgemeine Erlebnis nicht fetter machen. Könnte man da nicht mal etwas frischen Wind über Ereignisse, internen Streit oder Medienkampagnen in die Regie bringen, so dass man wieder richtig Lust auf die Saisons bekommt?
Frische Animationen, bessere Physik
Unterm Strich erreicht man eine bessere Balance aus Ruhe und Rasanz als noch im Vorgänger. Außerdem begrüße ich die optionale erweiterte Steuerung bei Pässen in die Tiefe oder dem Abschluss – jetzt kann man wesentlich punktgenauer über manuelles Timing flanken oder schießen. Allerdings ist diese Methode auch manchmal so flatterhaft, weil man das Zielfadenkreuz nicht präzise genug positionieren kann, dass man selbst mit gutem Willen ganz böse Fehlpässe einleitet. Spielt man mit der einfachen Steuerung und klassischen Pässe in die Tiefe, zeigt die Defensive der Computergegner allerdings ihr dummes Gesicht - und zwar auf der zweithöchsten Stufe: PES war eigentlich immer sehr gut im Abfangen einfacher Bälle, aber hier kann man die KI viel zu leicht mit diesen Pässen überlaufen und abschließen. Ein Rückschritt!
Es ist ja nicht alles schlecht, aber dieses Jahr muss man sich wirklich mit viel Geduld in dieses Spiel hinein beißen. Es waren schon in der letzten Saison die kleinen, aber feinen spielmechanischen Details, die PES auszeichneten. Im Gegensatz zu FIFA braucht man hier mehr Zeit, um all die Finessen zu verinnerlichen: Man kann sich den Ball für einen strammeren Schuss kurz vorlegen, man kann einen Distanzschuss zum Flattern bringen, einen Kopfball gezielt nach
Die neue Körperlichkeit
Hinsichtlich der Animationen sowie der Physik gibt es ebenfalls sowohl Verbesserungen als auch Verschlechterungen: Erstere wirken jetzt natürlicher und vielfältiger, so dass es wirklich Spaß macht, den Profis zuzusehen. In den ersten Matches bemerkt man vielleicht noch nicht so viele, aber mit der Zeit doch klare Fortschritte in den Bewegungsabläufen. Die neue „Barycenter-Physik“ und das „Motion Animation Stability System (MASS)“ sorgen für eine präsentere Körperlichkeit. Hört sich komisch an, aber Gewicht und Größe der Profis wirken sich spürbarer aus, wenn es in die Zweikämpfe geht. Neu ist, dass man sowohl als Ballführender als auch Abfangverteidiger über den rechten Stick aktiv mit Armen in den Zweikampf gehen kann – bei richtigem Timing schüttelt man entweder den Verfolger ab oder drängt den Verfolgten ab. Das macht vor allem die KI auf den höheren Stufen sehr gut.
Chaos im Strafraum
Außerdem hat man die Möglichkeit, Pässe über rechtzeitiges Antizipieren abzufangen, indem man mit dem Analogstick in den möglichen Passweg drückt – das gelingt mit etwas Übung ganz gut. Schön auch, dass man den Druck auf den Gegner über die Höhe der Viererkette anpassen kann, die man während des Spiels wie die Abseitsfalle über das Steuerkreuz z.B. weiter Richtung Mittellinie verschieben kann. Überhaupt sind die taktischen Optionen, was den Druck einzelner Reihen, das Laufverhaltenoder das Umschaltspiel angeht enorm.
Verzögerte Direktabnahmen
Zu den spielmechanischen Neuerungen gehören auch die zum Glück optionalen Hilfslinien, die man bei einem Freistoß, einer Ecke oder dem Abstoß einblenden kann, um z.B. die Kraft bzw. Weite und Drehung des Balles vorher zu sehen. Sinnvoller ist da schon die Möglichkeit, dass der Torwart seine Abwehr jetzt vor dem Abschlag näher an sich heran oder weiter weg beordern kann. Das neue Elfmetersystem sorgt für etwas mehr Anspannung: Der Ball liegt aufgrund der neuen Perspektive jetzt gefühlte zwanzig Meter weit weg und man muss Richtung und Kraft besser als Schütze dosieren, zumal der Torwart jetzt auch ein klitzekleines Zeitfenster hat, in dem er auf den Schuss reagieren kann.
Mit Bayern, Schalke und Leverkusen
PES leistet sich nicht nur bei der grafischen Abbildung, sondern auch der spielerischen Einschätzung der Profis unverständliche Brüche: Da gewinnt der FC Bayern die Champions League und wo steht er in der Leistungsklasse bei Online-Matches? Auf Stufe zwei von fünf! Auch die deutsche Nationalmannschaft findet sich dort zusammen mit Brasilien. In der ersten Stufe tummeln sich u.a. Juventus, Italien, Argentinien, Manchester. Sorry Konami, aber das entspricht einfach nicht den aktuellen Verhältnissen – und das sage ich als Dortmundfan.
Italienische Fußballgötter
Dem wird die fleißige Community natürlich schnell abhelfen und als solchen Kießling erkennbar machen, zumal man alte Datensätze sowie neuerdings auch situative Anfeuerungsrufe importieren kann. Außerdem wurde der ohnehin starke Editor nochmal verbessert, was Möglichkeiten der Gesichtsdarstellung sowie die Bedienung angeht. Man kann sehr intuitiv von der Position der Wangenknochen bis zum Kiefer, vom Haar bis zum Logo, vom Wappen oder Trikot bis hin zum vierten Satz pro Team alles den eigenen Wünschen anpassen.
Fazit
Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes! Ich habe mich sehr auf die neue Fox-Engine gefreut, aber der „größte Schritt der Serie“ ist nicht zu erkennen. Auch wenn das aus wirtschaftlichen Gründen nicht machbar ist: Es wäre für das Image der Fußballserie besser gewesen, ein Jahr komplett zu pausieren und die Engine für alle Systeme fit zu machen, anstatt diese Beta zu veröffentlichen. So ist man angesichts der Versprechungen einfach enttäuscht. Die grafischen Fortschritte halten sich in Grenzen, dafür gibt es ärgerliche Bugs und viele technische Unstimmigkeiten. Vor allem auf der PlayStation 3 muss man mit einer unfertigen Version leben, die im Offline-Spiel ruckelt. Und wenn man schon eine neue Engine einführt, muss man auch die alten Zöpfe in der Präsentation abschneiden - hier wirkt vieles halbgar. So sehr ich die rein spielmechanischen Fortschritte schätze, gibt es auch dort noch genug Defizite, was z.B. die unglaubliche Trägheit bei Direktabnahmen, die viel zu einfachen Flankentore auf den kurzen Pfosten sowie schreckliche Torwartfehler angeht. Habe ich die Online-Probleme schon erwähnt? Auf 360 aufgrund eines Datenpaket-Bugs gar nicht spielbar, auf PS3 mit den Lags nahezu unspielbar. Sorry Konami, das war nix!
Pro
Kontra
Wertung
360
Der Online-Modus ist nicht spielbar - und das vier Tage nach Release. Ansonsten wäre die Wertung entsprechend dem PC bei 70.
PlayStation3
Ruckler und Flimmern im Offline-Modus, ärgerliche Bugs, online kaum spielbar. Das war nix, Konami!
PC
Nichts Halbes und nichts Ganzes. Konami serviert trotz neuer Engine viel Statik, ärgerliche Bugs und spielerische Potenziale - da fehlt Feinschliff!
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