Pro Evolution Soccer 201423.09.2013, Jörg Luibl
Pro Evolution Soccer 2014

Im Test:

Dieses Jahr wird es keinen großen Fußballvergleich geben. Zum einen, weil Konami seinen Fußball noch nicht für Xbox One und PlayStation 4 aufs Feld schickt. Zum anderen, weil Pro Evolution Soccer 2014 (ab 4,99€ bei kaufen) trotz der neuen Engine vor allem technisch, aber auch spielerisch mit ärgerlichen Bugs ernüchtert. Warum das so ist, klärt der Test.

Neue Fußballära? Erst 2015…

Ich habe mich richtig gefreut, als Konami im Frühjahr endlich den lang ersehnten Neuanfang für Pro Evolution Soccer 2014 (PES) ankündigte. Auf Basis der Fox-Engine von Kojima Productions, die auch in Metal Gear Solid 5 zum Einsatz kommen wird, wollte man hinsichtlich Präsentation, Physik und Realismus „den bislang größten Schritt nach vorne machen“. Leider bleibt es letztlich bei lobenswerten, aber zu wenigen Fortschritten bei gleichzeitigen Verschlimmbesserungen. Auf allen Systemen gibt es kleinere Bugs sowie spielerische Unstimmigkeiten.

Vor allem auf PlayStation 3 muss man zudem einen ganz ärgerlichen Rückschritt hinnehmen: Es ruckelt. Offline. Und das darf nicht sein! Bei allem Verständnis dafür, dass man weniger Stadien als letztes Jahr und keinen Editor für die Arenen anbietet oder dass man aufgrund der neuen physikalischen Berechnungen zunächst auf Regen-Matches verzichtet: Wenn es zwar nicht permanent, aber sporadisch und spürbar in Situationen mit vielen Spielern oder beim Torabschluss aus der Distanz stockt, ernüchtert das selbst nach einem tollen Tempowechsel.

Online mit großen Problemen

Die Choreographien zu Spielbeginn sehen gut aus, aber die Präsenation wirkt immer noch spröde - es flimmert und stockt.
Die Choreographien zu Spielbeginn sehen gut aus, aber die Präsenation wirkt immer noch spröde - es flimmert und stockt.
Nicht nur offline hat dieses Fußballspiel trotz wirklich guter Ansätze einige Probleme: Wer seit dem Release online loslegen will, muss starke Nerven haben, um überhaupt in die Lobbys zu kommen. Es gibt lange Ladezeiten und ständige Netzwerkabbrüche vor dem Anpfiff, so dass ich von Mittwoch bis Sonntag nur bei einem von jeweils zehn Versuchen spielen konnte. Wohlgemerkt, auf der PS3, denn auf Xbox 360 konnten wir bisher gar nicht online spielen: Das erste Datenpaket, das man wohl zwingend für Online-Matches braucht, ist fehlerhaft. Wir haben es auf drei (!) 360 mit unterschiedlichen Accounts im Büro und privat am Wochenende und heute morgen installiert, aber jedesmal wurde nach dem etwa einstündigen (!) Download erklärt, dass die installierte Datei fehlerhaft sei und man den Download erneut starten soll. 

Und wenn man online endlich loslegen kann? Auch das ist aktuell kein Spaß. Viele Matches, selbst in den regionalen Freundschaftsspiel-Lobbys, fühlen sich auf PS3 an wie in Gelee verzögert – hier rollt der Ball so zäh, hier ist die Reaktionszeit so verzögert, dass da nicht mal ansatzweise Spaß aufkommt. Ich habe irgendwann einfach keine Lust mehr gehabt, mir dieses Gezuckel anzutun. Schade ist, dass ich bei der Spielsuche zwar nach Höflichkeit, Leistungsklasse (A – E) und Steuerungsart, aber nicht nach Verbindungsqualität oder Herkunftsland filtern kann. Hinzu kommen ärgerliche Bugs: Bei einem Elfmeterschießen in einem Ranglistenspiel wird der Ball einfach mittig auf den Torwart gelupft, der auch stehen

Das neue Hauptmenü mit Pirlo als Lieblingsspieler - bei den Traumwerten muss man den Techniker einfach lieben.
Das neue Hauptmenü mit Pirlo als Lieblingsspieler - bei den Traumwerten, zwei unter Messi, muss man den Techniker einfach lieben.
bleibt und die Auffanganimation zeigt – aber der Ball geht einfach durch ihn hindurch ins Tor!

Dann kann es zu plötzlichen Spielstopps kommen: Gestern standen sich Khedira und Reus online vor dem Strafraum gegenüber, ich will einen Schuss antäuschen und beide Spieler frieren plötzlich im Angesicht zueinander ein, während Publikum und die anderen weiter animiert werden – nur der manuelle Schusspfeil ließ sich bewegen, aber weder über Start noch andere Knöpfe kam man aus dieser Situation raus. Wir mussten bis zum Ende der Halbzeit laufen lassen. Es ist übrigens lobenswert, dass Konami endlich 11-gegen-11 ermöglichen will: Man kann theoretisch entweder mit zwei komplett menschlich geführten Mannschaften oder gegen eine KI-Elf antreten. Allerdings hat das Ganze einen praktischen Haken, denn der Service ist zum Start nicht verfügbar und wird erst per Patch nachgeliefert.

Willkommen vor der Flimmerkiste

Wenn die Kamera durch die Spieler fährt, flimmert und ruckelt es je nach System extrem (PS3) bis stark (PC, 360).
Wenn die Kamera durch die Spieler fährt, flimmert und ruckelt es je nach System extrem (PS3) bis stark (PC, 360).
Den versprochenen „größten Schritt“ nach vorne wird man hoffentlich in PES 2015 auf Xbox One und PlayStation 4 sehen. Denn selbst vor dem Anpfiff hat Konami seine Engine auf keiner Konsole im Griff: Wenn die Stadionhymne ertönt und die Ränge brodeln, sieht das noch gut aus. Aber es kann nicht sein, dass es schon beim Weg aus dem Kabinengang stockt. Es kann nicht sein, dass es flimmert und ruckelt, wenn die Kamera vor dem Anpfiff langsam durch die aufgereihten Spieler fährt. So authentisch die Profis dort noch aussehen, so künstlich wachsig wirken die Gesichter von Robben, Schweinsteiger & Co dann beim Jubel, so billig und platt sieht der Rasen stellenweise aus. Man kann doch nicht am Ende des Konsolenzyklus nochmal in typische Technik-Schwächen verfallen, die man nicht mal zum Start der Systeme verzeihen würde!

Immerhin: Auf Xbox 360 und dem PC spielt sich das Ganze nach Anpfiff offline deutlich flüssiger, es gab nicht diese Probleme mit Rucklern im Spiel, so dass wir eine ganze Wertung raufgehen. Aber auf allen Systemen vermisst man grafischen und mechanischen Feinschliff, auf allen muss man mit seltsamen Szenen und komischen Bugs leben – auch offline. Wenn man z.B. einen Freistoß inszeniert, indem man einen zweiten Spieler hinzunimmt und dann den Schuss antäuscht (Viereck und dann X drücken), friert die Situation komplett ein – man kann weder schießen noch etwas anderes machen. Erst wenn man in die Aufstellung geht und die Schützen wechselt, geht es weiter. Nicht fatal, aber ärgerlich.

Der zwölfte Mann

Neu sind optionale Zielhilfen für Ecken, Abschläge und Freistöße.
Neu sind optionale Zielhilfen für Ecken, Abschläge und Freistöße. Welche Wettbewerbe sind drin?

Asia Champions League

UEFA Champions League

Europa League

Copa Libertadores

Dazu die bekannten europäischen sowie neue südamerikanische Ligen aus Argentinien etc. sowie drei deutsche Clubs: Bayern, Schalke, Leverkusen. Der BVB fehlt.

Besser als im Vorgänger wirkt die figürlichere Darstellung des Publikums, wenn man bei naher Kamera zwar viele geklonte, aber immerhin aktiv feiernde Fans in unterschiedlicher Kleidung erkennen kann; auch die Stimmung in den Stadien ist etwas lebendiger, zumal es in der Champions League ansehnliche Choreographien mit den Vereinswappen gibt. Sehr lobenswert ist zudem der Versuch, eine emotionale Verbindung zwischen Erfolg und aktueller Fähigkeit sowie Publikum und Spielern herzustellen. Konami nennt das „Heart“ und es funktioniert so, dass ein Spieler z.B. nach einem oder mehreren Torerfolgen quasi heiß läuft und seine Werte steigen. Die können sich auch kollektiv für die Mannschaft ändern, wenn man z.B. auswärts antritt. Wie spürbar ist das auf dem Platz? Das hält sich in Grenzen.

Was mitunter künstlich hitzig oder unfreiwillig komisch aussieht: der Jubel nach Toren oder der Ärger nach Entscheidungen. Manchmal fragt man sich, woher diese übertriebene Emotion angesichts des klaren Spielstandes kommt – da entsteht zu oft aus dem Nichts ein vor Wut verzerrtes Gesicht bei Klose & Co. Hier fehlen noch glaubwürdige Übergänge der Aufgeregtheit. Nur in kritischen Situationen, bei einem bösen Foul, einem Elfmeter oder in den letzten Minuten eines unentschiedenen Pokalspiels dürfte es so extrem hergehen.  Außerdem greifen die Kollegen im zuckenden Rudel munter durch oder neben ihre Körper; diese Clippingfehler gesellen sich auf allen Systemen in die Reihe der technischen Unzulänglichkeiten.

Kein großer Schritt nach vorne

Obwohl KOnami die Präsentation verbessert hat, sieht das unterm Strich nicht nach einem Engine-Wechsel aus.
Obwohl Konami die Präsentation verbessert hat, sieht das unterm Strich nicht nach einem Engine-Wechsel aus.
In vielen Bereichen wirkt die Präsentation zudem noch veraltet: Man hat das Gefühl, dass Konami einfach nicht konsequent genug für frischen Wind gesorgt hat, was die Regie der Einmärsche und Einblendungen angeht – das sieht alles noch fast genauso aus wie im letzten Jahr. Hinsichtlich der Fangesänge hat man ebenfalls immer noch viel Luft nach oben. Und dieser Konfetti-Look des Publikums flimmert in der Totalen auf allen Systemen und wirkt zu künstlich, weil man immer noch dieses einheitliche Kollektiv, aber z.B. keine authentischen Fanblöcke erkennen kann. Warum nicht mal die Ultra-Szene abbilden, mit Vorsänger, Fahnenschwingern und hüpfendem Kern in der Kurve?

Braucht man für diese kleinen Fortschritte eine neue Engine? Ein großer Schritt sieht jedenfalls anders aus. Warum inszeniert man die Tore in den Wiederholungen nicht besser? Warum sieht der Rasen trotz neuer Engine auf allen Systemen aus wie ein grüner Linoleumboden, wie eine platte Textur? Hier vergibt PES auch im kleinen Rahmen die Chance, für mehr Begeisterung zu sorgen.

Viele alte Zöpfe

Abgesehen von den technischen Schnitzern wirkt die Präsentation insgesamt nicht frisch genug für einen Neuanfang, von dem ich auch eine grafische Überholung der verschachtelten bis unhandlichen Menüstruktur erwartet hätte. Warum sehen die Profis

PES 2013 lässt grüßen: Es bleibt beim etwas unübersichtlichen Menüdesign.
PES 2013 lässt grüßen: Es bleibt beim etwas unübersichtlichen Menüdesign.
z.B. im Auswechsel- und Editormenü so schlecht aus? Eine gute Idee sind ja die Screenshots der letzten Spiele im Hauptmenü, die quasi Höhepunkte abbilden – aber warum macht man daraus nicht kleine Wiederholungen? Stillstand begegnet einem auch bei den Spielmodi. Um es kurz zu machen: Die Karriere wird immer noch viel zu steril inszeniert. Man klickt mehr, als dass man wirklich etwas erlebt. Da hilft es auch nicht, dass man jetzt auch als Torhüter einer langweilig inszenierten Zukunft entgegen blickt. Zwar ist es auf dem Platz ganz interessant, weil man seine Rolle als Schlussmann nicht nur defensiv oder offensiv interpretieren, sondern auch seiner Viererkette sowie den Stürmern Befehle erteilen kann. Auf Knopfdruck wird dann abgefangen oder geschossen. Trotzdem muss sich PES unbedingt verbessern und eine stimmungsvollere Präsentation der Karriere anbieten.

Die Meisterliga kennt man mittlerweile auswendig – Zusätze wie das Wechseln zu Teams auf anderen Kontinenten oder das zusätzliche Leiten eines Nationalteams sind nett, aber nicht mehr. Genauso wie die Online-Ergänzungen: Es gibt bis auf eine Liga ein Budget-Limit in anderen Ligen und man bekommt bessere Filter für die Spielersuche. Aber all das sind letztlich nur Details, die den Braten für das allgemeine Erlebnis nicht fetter machen. Könnte man da nicht mal etwas frischen Wind über Ereignisse, internen Streit oder Medienkampagnen in die Regie bringen, so dass man wieder richtig Lust auf die Saisons bekommt?

Frische Animationen, bessere Physik

Was auf dem Platz nervt: Die Trägheit bei Direktabnahmen - man wird zur Ballannahme genötigt, obwohl man rechtzeitig für den Volley gedrückt hat.
Zu viele Tore fallen nach Ecken oder Flanken auf den kurzen Pfosten.
All das ist umso ärgerlicher, weil sich PES auf dem Platz zwar nicht in allen, aber in einem wesentlichen Bereich weiter entwickelt hat. Der Spielablauf ist nicht mehr so hektisch, verlangt mehr Ball- und Pass-Sicherheit und erinnert bei den immer noch gelungenen Tempowechseln weniger an Flipper. Die Pille rast also nicht mehr so schnell durch die Reihen, zumal man seine Sprints besser dosieren muss. Es ist jetzt wesentlich wichtiger zur richtigen Zeit von der sehr langsamen Grundgangart mehr Tempo aufzunehmen oder eine Finte einzusetzen. Sehr effizient ist der schnelle Sprint mit Ball quasi aus dem Stand, um z.B. aus der Rückwärtsbewegung an einem Pressingspieler vorbei zu ziehen – das sieht cool aus.

Unterm Strich erreicht man eine bessere Balance aus Ruhe und Rasanz als noch im Vorgänger. Außerdem begrüße ich die optionale erweiterte Steuerung bei Pässen in die Tiefe oder dem Abschluss – jetzt kann man wesentlich punktgenauer über manuelles Timing flanken oder schießen. Allerdings ist diese Methode auch manchmal so flatterhaft, weil man das Zielfadenkreuz nicht präzise genug positionieren kann, dass man selbst mit gutem Willen ganz böse Fehlpässe einleitet. Spielt man mit der einfachen Steuerung und klassischen Pässe in die Tiefe, zeigt die Defensive der Computergegner allerdings ihr dummes Gesicht - und zwar auf der zweithöchsten Stufe: PES war eigentlich immer sehr gut im Abfangen einfacher Bälle, aber hier kann man die KI viel zu leicht mit diesen Pässen überlaufen und abschließen. Ein Rückschritt!

Es ist ja nicht alles schlecht, aber dieses Jahr muss man sich wirklich mit viel Geduld in dieses Spiel hinein beißen. Es waren schon in der letzten Saison die kleinen, aber feinen spielmechanischen Details, die PES auszeichneten. Im Gegensatz zu FIFA braucht man hier mehr Zeit, um all die Finessen zu verinnerlichen:  Man kann sich den Ball für einen strammeren Schuss kurz vorlegen, man kann einen Distanzschuss zum Flattern bringen, einen Kopfball gezielt nach

Was auf dem Platz nervt: Die Trägheit bei Direktabnahmen - man wird zur Ballannahme genötigt, obwohl man rechtzeitig für den Volley gedrückt hat.
Was auf dem Platz nervt: Die Trägheit bei Direktabnahmen - man wird zur Ballannahme genötigt, obwohl man rechtzeitig für den Volley gedrückt hat.
unten setzen und so weiter. Und diese Möglichkeiten wurden nochmal erweitert. Man kann schon vor der Ballannahme wesentlich mehr elegante Manöver über die Kombination der beiden Analogsticks vorbereiten. Diese Antizipation, die in sehr feine Richtungswechsel oder Dribblings mündet, braucht zwar etwas Übung, aber wenn es klappt, fühlt sich das klasse an. Umso ärgerlicher, dass man diese nur in Videos betrachten, aber nicht gezielt trainieren kann.

Die neue Körperlichkeit

Hinsichtlich der Animationen sowie der Physik gibt es ebenfalls sowohl Verbesserungen als auch Verschlechterungen: Erstere wirken jetzt natürlicher und vielfältiger, so dass es wirklich Spaß macht, den Profis zuzusehen. In den ersten Matches bemerkt man vielleicht noch nicht so viele, aber mit der Zeit doch klare Fortschritte in den Bewegungsabläufen. Die neue „Barycenter-Physik“ und das „Motion Animation Stability System (MASS)“ sorgen für eine präsentere Körperlichkeit. Hört sich komisch an, aber Gewicht und Größe der Profis wirken sich spürbarer aus, wenn es in die Zweikämpfe geht. Neu ist, dass man sowohl als Ballführender als auch Abfangverteidiger über den rechten Stick aktiv mit Armen in den Zweikampf gehen kann – bei richtigem Timing schüttelt man entweder den Verfolger ab oder drängt den Verfolgten ab. Das macht vor allem die KI auf den höheren Stufen sehr gut.

Das Spielgefühl ist nicht mehr so hektisch wie in PES 2013, aber es gibt auch mechanisch einige Inkonsequenzen bei Kollisionen und Torhütern.
Das Spielgefühl ist nicht mehr so hektisch wie in PES 2013, aber es gibt auch mechanisch einige Inkonsequenzen bei Kollisionen und Torhütern.
Die Figuren bewegen sich allgemein träger, aber auch authentischer, wenn sie sich in den Gegner lehnen, zumal einige neue Ausweich- und Tänzel-Bewegungen hinzugekommen sind. Auch bei den Grätschen und Fouls sieht das mitunter richtig gut aus, selbst wenn die Absprünge bei Kontakt teilweise übertrieben hoch ausfallen oder Schiedsrichter viele klare Vollkontakte gar nicht pfeifen.  Alles andere als realistisch wird es dann bei Flugkopfbällen auf Schulterhöhe oder teilweise fatalen Torwartfehler nach Abprallern. Was zudem auffällt: Viele, viele Tore nach Flanken auf den kurzen Pfosten, die dann nach einem Kopfball oder Gestocher verwertet werden - selbst der kleine Saviola lässt da einen Innenverteidiger alt aussehen. Und zwar nicht mit einem spektakulären Seitfallzieher, sondern mit einem Kullerball direkt am Torwart vorbei. All das deutet an, dass es da noch einige Luft nach oben gibt, was den angestrebten Realismus angeht.

Chaos im Strafraum

So schön könnte PES laut Werbebild auf 360 aussehen: Leider kann man aktuell online gar nicht auf Microsofts Konsole spielen, weil das Datenpaket fehlerhaft ist.
So schön könnte PES laut Werbebild auf 360 aussehen: Leider kann man aktuell online gar nicht auf Microsofts Konsole spielen, weil das nötige Datenpaket fehlerhaft ist - es wird an einem Patch gearbeitet.
Obwohl das Pingpong-Gefühl im Spielaufbau der Vergangenheit angehört, gibt es immer noch Slapstick. Es wirkt manchmal komisch, wenn Spieler einfach aufgrund der Tatsache, dass sie stur weiter nach vorne auf den Verteidiger zu rennen, den Ball behaupten und durchbringen – ich habe selten so viel Tohuwabohu vor und im Strafraum erlebt, weil man den Ball nicht fest machen oder erobern kann. Die Verteidigung ist zunächst schwieriger, obwohl man mehr Optionen hat: Man kann weiterhin auf Abstand verfolgen und dann in den Mann gehen, man kann nicht nur zwei, sondern drei oder mehr Spieler auf den Gegner hetzen, wenn man richtig Druck ausüben will.

Außerdem hat man die Möglichkeit, Pässe über rechtzeitiges Antizipieren abzufangen, indem man mit dem  Analogstick in den möglichen Passweg drückt – das gelingt mit etwas Übung ganz gut. Schön auch, dass man den Druck auf den Gegner über die Höhe der Viererkette anpassen kann, die man während des Spiels wie die Abseitsfalle über das Steuerkreuz z.B. weiter Richtung Mittellinie verschieben kann. Überhaupt sind die taktischen Optionen, was den Druck einzelner Reihen, das Laufverhaltenoder das Umschaltspiel angeht enorm.

Verzögerte Direktabnahmen

Am Ende schneidet die PC-Version noch am saubersten ab.
Am Ende schneidet die PC-Version noch am saubersten ab.
Trotzdem wirkt die Spielmechanik nicht poliert: Ich vermisse vor allem viel mehr Direktheit beim Abfangen und im Abschluss! Die Verteidiger ignorieren teilweise Bälle, die direkt vor ihnen liegen - ich will da keinen totalen Automatismus, aber diese Lethargie ist ein Armutszeugnis für die eigene Defensiv-KI. Das Spiel bremst sich zudem oftmals selbst in der Offensive aus, weil es mir die Handlungsschnelligkeit raubt. Geskriptete Bewegungsabläufe sind bei Dribblings okay, aber wenn der Ball heran fliegt, will ich sofort schießen können. In diesem PES kam es häufig vor, dass die Spielfigur trotz rechtzeitiger Aktivierung der Schusstaste noch irgendeine Bewegung  zu Ende führte, anstatt aus fünf Metern volley oder aus dem Stand abzuziehen – da hilft auch die Superkontrolle nicht. Hier werden zu viele Bälle unnötig angenommen.

Zu den spielmechanischen Neuerungen gehören auch die zum Glück optionalen Hilfslinien, die man bei einem Freistoß, einer Ecke oder dem Abstoß einblenden kann, um z.B. die Kraft bzw. Weite und Drehung des Balles vorher zu sehen. Sinnvoller ist da schon die Möglichkeit, dass der Torwart seine Abwehr jetzt vor dem Abschlag näher an sich heran oder weiter weg beordern kann. Das neue Elfmetersystem sorgt für etwas mehr Anspannung: Der Ball liegt aufgrund der neuen Perspektive jetzt gefühlte zwanzig Meter weit weg und man muss Richtung und Kraft besser als Schütze dosieren, zumal der Torwart jetzt auch ein klitzekleines Zeitfenster hat, in dem er auf den Schuss reagieren kann.

Mit Bayern, Schalke und Leverkusen

Die Italiener werden statistisch komplett überbewertet. Juventus gehört zur Leistungsklasse A, der FC Bayern muss sich als Sieger der Champions League mit B zufrieden geben - und der BVB ist gar nicht erst dabei.
Die Italiener werden statistisch komplett überbewertet. Juventus gehört zur Leistungsklasse A, der FC Bayern muss sich als Sieger der Champions League mit B zufrieden geben - und der BVB ist gar nicht erst dabei.
Dass Konami offiziell die Champions League anbietet, aber Borussia Dortmund als Club nicht dabei ist, zeigt nur, wie ärgerlich dieses Lizenzgeschäft für den Spieler sein kann. Bis auf die Schwarzgelben sind alle deutschen Vereine in der Königsklasse mit ihrem offiziellen Logo und Kader dabei. Aber wenn man schon so wenige Lizenzen hat, dann sollte man diese auch so gut wie möglich nutzen. Egal ob Kießling, Toprak, Rolfes oder Sam von Bayer Leverkusen – man erkennt sie einfach nicht. Die Diskrepanz hinsichtlich des Wiedererkennungswertes ist enorm, wenn man sich dagegen den FC Bayern München anschaut, wo fast jeder virtuelle Profi seinem realen Vorbild ähnelt. Warum wird auf diesem Niveau der Königsklasse mit zweierlei Maß designt?

PES leistet sich nicht nur bei der grafischen Abbildung, sondern auch der spielerischen Einschätzung der Profis unverständliche Brüche: Da gewinnt der FC Bayern die Champions League und wo steht er in der Leistungsklasse bei Online-Matches? Auf Stufe zwei von fünf! Auch die deutsche Nationalmannschaft findet sich dort zusammen mit Brasilien. In der ersten Stufe tummeln sich u.a. Juventus, Italien, Argentinien, Manchester. Sorry Konami, aber das entspricht einfach nicht den aktuellen Verhältnissen – und das sage ich als Dortmundfan.

Italienische Fußballgötter

Zu den Verbesserungen gehört die Körperlichkeit in den Zweikämpfen.
Zu den Verbesserungen gehört die Körperlichkeit in den Zweikämpfen. Mit dem Analogstick kann man den Gegner wegschieben.
Wie kann es sein, dass ein Pirlo in den Fähigkeiten mit 97 nur zwei Punkte unter Messi mit 99 liegt, dass Chiellini mit 92, selbst ein Totti mit 91 auf einer Ebene mit Ribéry bewertet wird, während ein Draxler bei 82, ein Lahm bei 85 und ein Götze bei 87 liegt? Ich spiele übrigens seit Jahren sehr gerne mit Juventus, ich liebe die Pässe von Pirlo, aber da stimmen zumindest statistisch die Relationen nicht. Was wiederum sehr gut gefällt, ist der Wiedererkennungswert der Bewegungsabläufe – vor allem bei den Stars. Egal ob Bale, Robben oder Neymar: Wenn sie den Ball annehmen, dribbeln und passen, sieht das im Gegensatz zu den Profis von Leverkusen angenehm authentisch aus.

Dem wird die fleißige Community natürlich schnell abhelfen und als solchen Kießling erkennbar machen, zumal man alte Datensätze sowie neuerdings auch situative Anfeuerungsrufe importieren kann. Außerdem wurde der ohnehin starke Editor nochmal verbessert, was Möglichkeiten der Gesichtsdarstellung sowie die Bedienung angeht. Man kann sehr intuitiv von der Position der Wangenknochen bis zum Kiefer, vom Haar bis zum Logo, vom Wappen oder Trikot bis hin zum vierten Satz pro Team alles den eigenen Wünschen anpassen.

Fazit

Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes! Ich habe mich sehr auf die neue Fox-Engine gefreut, aber der „größte Schritt der Serie“ ist nicht zu erkennen. Auch wenn das aus wirtschaftlichen Gründen nicht machbar ist: Es wäre für das Image der Fußballserie besser gewesen, ein Jahr komplett zu pausieren und die Engine für alle Systeme fit zu machen, anstatt diese Beta zu veröffentlichen. So ist man angesichts der Versprechungen einfach enttäuscht. Die grafischen Fortschritte halten sich in Grenzen, dafür gibt es ärgerliche Bugs und viele technische Unstimmigkeiten. Vor allem auf der PlayStation 3 muss man mit einer unfertigen Version leben, die im Offline-Spiel ruckelt. Und wenn man schon eine neue Engine einführt, muss man auch die alten Zöpfe in der Präsentation  abschneiden - hier wirkt vieles halbgar. So sehr ich die rein spielmechanischen Fortschritte schätze, gibt es auch dort noch genug Defizite, was z.B. die unglaubliche Trägheit bei Direktabnahmen, die viel zu einfachen Flankentore auf den kurzen Pfosten sowie schreckliche Torwartfehler angeht. Habe ich die Online-Probleme schon erwähnt? Auf 360 aufgrund eines Datenpaket-Bugs gar nicht spielbar, auf PS3 mit den Lags nahezu unspielbar. Sorry Konami, das war nix!

Pro

besserer Spielrhythmus
elegante neue Ballantizipationen/Dribblings
noch stärkerer Spieler/Vereins-Editor
glaubwürdigere Physik
gegnerische Defensiv-KI sehr gut in Zweikämpfen
Erfolge/Publikum wirken sich auf Spielerwerte aus
Liga-Modus wieder dabei
viele taktische Finessen & Optionen
Abseitsfalle/Viererkette im Spiel anpassen
Champions-League-Lizenz
viele südamerikanische Ligen
Online-Filter erleichtern Spielersuche
Torwart spielbar in Karriere
erstmals 11 gegen 11...aber...

Kontra

online nicht spielbar, Datenpaket-Bug (360)
in vielen Bereichen veraltete Präsentation
immer wieder Ruckler im Offline-Spiel (PS3)
schwacher Netzcode, online kaum spielbar
Flimmern bei Kamerafahrt vor Anstoß
schlimme Trägheit bei Direktabnahmen
eigene Defensiv-KI teilweise komplett lethargisch
gegnerische Defensiv-KI zu leicht überspielbar
platter Gummiboden statt Rasen in den Zeitlupen
nerviger Bug beim Freistoß zwingt zu Schützenwechsel
Ball-durch-Spieler-Bug beim Elfmeter
Freeze-Bug im Online-Spiel
unrealistische hohes Abheben bei Flugkopfball und Foul
neue Analogstick-Dribblings/Annahmen nicht im Training
keine Regen-Matches
weniger Stadien als letztes Jahr, kein Stadion-Editor
komplett steriler Werde-zu-Legende-Modus
mitunter stark übertriebener Jubel/Ärger
teilweise vollkommen übertriebene Emotionen
sehr viele Aussetzer der Torhüter
Schiedsrichter pfeifen klare Fouls nicht
Meisterliga & Karriere ohne Fortschritte in Regie
Online-Filter ohne Verbindungsqualität
unrealistische Spieler
& Mannschaftswerte
viele Profis nicht erkennbar (Leverkusen)
Champions-League-Lizenz ohne BVB
11-gegen-11 nicht zum Start verfügbar
sehr lange Ladezeiten

Wertung

360

Der Online-Modus ist nicht spielbar - und das vier Tage nach Release. Ansonsten wäre die Wertung entsprechend dem PC bei 70.

PlayStation3

Ruckler und Flimmern im Offline-Modus, ärgerliche Bugs, online kaum spielbar. Das war nix, Konami!

PC

Nichts Halbes und nichts Ganzes. Konami serviert trotz neuer Engine viel Statik, ärgerliche Bugs und spielerische Potenziale - da fehlt Feinschliff!

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