Im Test: Rasenschach der Zukunft
Punktesauger statt Bleispucker
Frozen Cortex ähnelt nicht nur namentlich dem vor drei Jahren veröffentlichten Frozen Synapse; es ist auch spielerisch dessen geistiger Nachfolger. Anders als damals geht es allerdings nicht ums Verschieben bewaffneter Einheiten, sondern um das Erzielen von Punkten auf einem Spielfeld der Cortex-Liga.
Der futuristische Sport für zwei mal fünf Spieler gleicht Football oder Rugby, denn der Ball muss ans gegenüberliegende Ende des Feldes getragen oder geworfen werden. Während die Gegner Lauf- und Wurfwege möglichst effektiv zustellen, um Ball oder ballführenden Spieler abzufangen, versucht der Letztere beim Überlaufen markierter Felder zusätzliche Punkte abzustauben.
Wer viel riskiert...?
Auf welches Spiel setzt man also? Erläuft man zusätzliche Punkte, riskiert aber einen Ballverlust und den vielleicht folgenden Punktegewinn des Kontrahenten oder wirft man das Spielgerät möglichst schnell in Richtung Endzone? Immerhin darf der Ballführende nur aus dem Stand heraus werfen. Hat er sich einmal in Bewegung gesetzt, muss er laufen, bis er die Endzone erreicht oder den Ball verliert.
Dieses Pokern um den nächsten Zug ist das zentrale Element. Die Trainer beider Teams planen ihre nächsten Sekunden nämlich nicht abwechselnd, sondern in derselben Spielpause. Die Ergebnisse werden daraufhin in Echtzeit ausgespielt. Man muss also erahnen, wohin sich die Kontrahenten bewegen werden, welche Taktik sie verteidigen oder zum Punktesammeln nutzen.
Ein körperliches Spielgefühl
Ich bin überrascht, wie frisch sich das aus Frozen Synapse bekannte Prinzip anfühlt. Das liegt vor allem an der neuen Aufgabenstellung: Es ist etwas völlig anderes, einen Ball abzufangen oder einem Kontrahenten den Weg zu verstellen, als aus der Deckung heraus ein Kreuzfeuer zu legen. Dieses körperliche Aufeinandertreffen verleiht Frozen Cortex eine eigene Dimension.
Es ist allerdings auch der Grund für eine eingeschränkte taktische Vielfalt. Schließlich gibt es auf den überschaubar großen Spielfeldern nicht allzu viele Wege, zerstörbare Mauern ebenso wenig und das Anschleichen im Rücken eines Gegners schon gar nicht.
Mir fehlt auch das Aufstellen der Mannschaft: Die Roboter beginnen entsprechend ihrer Nummer auf festen Positionen und die Nummern darf ich nicht ändern. Vor einem Ligaspiel der Karriere könnte ich lediglich neue Roboter kaufen – was einen Spielerwechsel zum teuren Spaß macht.
Guter Ton alleine reicht nicht
Der Verzicht auf das Drumherum hat jedoch Methode. Denn so entstehen schnelle, im besten Sinne unkomplizierte Partien. Das Augenmerk liegt ohne Umwege auf Ball und Spielern, das taktische Verschieben erinnert an die Spannung auf einem Schachbrett.
Kommentatoren begleiten das Geschehen zudem erfreulich genau, in Mehrspielerrunden gehen sie sogar auf zurückliegende Begegnungen der Teilnehmer ein. Da die Bemerkungen allerdings nur schriftlich erscheinen, wirkt das Spiel gerade in Anbetracht des sportlichen Charakters seltsam leer. Der kühle Soundtrack und ein guter Ton können die akustische Schwäche nicht ganz wettmachen.
"Hallo, Gegner!"
Auch die Interviews, Anrufe konkurrierender Trainer oder allgemeine Mitteilungen würden als gesprochene Texte mehr Leben in die Karriere bringen. Im Hintergrund des Ligabetriebs kommt immerhin eine schmutzige Affäre ans Tageslicht, die dem vertrauten Rhythmus aus Spielerkauf, Sportwetten und wöchentlichen Matches
Drei Karrierearten gibt es: Das klassische Ligasystem mit Aufstiegschancen und Abstiegssorgen, eine vom Zufall erstellte Meisterschaft sowie die "Permadeath-Herausforderung", in der eine einzige Niederlage das endgültige Versagen bedeutet.
Alle, immer, jederzeit
Die größte Stärke ist wie in Frozen Synapse die Onlineanbindung. Der Klick auf ein jederzeit aktives Symbol genügt, schon sucht das Spiel nach Gegnern. Potentiellen Kontrahenten bietet es zudem offene Partien an. Schnell wechselt man zwischen verschiedenen Begegnungen, dem Menü und mehreren Karrieren. Man kann eine Partie jederzeit fortsetzen oder beliebig lange überlegen, erstellt eigene Ligen, Spiele oder ganze Ligen.
Ärgerlich, dass Multiplayer-Ligen derzeit nicht verfügbar sind. Abgesehen davon gehört alles rund ums Onlinespiel aber zu einem umfangreichen, ausgeklügelten System, das mich seit der ersten spielbaren Version schon (erfreulich) viel Zeit gekostet hat.
Fazit
Frozen Cortex erreicht nicht die elegante Brillanz seines geistigen Vorgängers: Die Möglichkeiten beim Werfen oder Tragen des Balls sowie in der Defensive sind überschaubar, die Aufstellung des Teams ist starr. Die Steuerung erschwert zudem manchen Klick und die Darstellung ist gelegentlich unübersichtlich. Das Pokern um die richtige Taktik, während der Gegner zur selben Zeit die gleichen Überlegungen anstellt, macht den Spielverlauf aber spannend. Riskiert man viel oder schlägt man clevere Haken? Was, wenn der Gegner genau so denkt? Es entsteht ein rasantes Tauziehen – für Solisten in umfangreichen Ligasystemen, für Onlinespieler in packenden Multiplayer-Partien.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Schnelle, unkomplizierte Taktik: Das gleichzeitige Pokern beider Spieler sorgt für spannende Matches.
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