Im Test:
Die Welt ist eine Scheibe
Dies gilt zumindest für mich als gottgleicher Weltenschöpfer, denn ich blicke auf die im farbenfrohen Comicdesign gestaltete Oberfläche eines leeren sowie noch unbewohnbaren Planeten. Der liegt wie eine durchgeschnittene Orange vor mir. Einzig vier turmhohe Riesen, jeder repräsentiert eine Umgebungsart wie Meer, Berg, Wald oder Sumpf, stehen mir zur Verfügung, um aus dem öden Felsbrocken eine belebte Welt zu gestalten. Zunächst besteht meine Aufgabe nur darin, Lebensräume zu schaffen, damit sich Menschen ansiedeln.
So lege ich mit den Fähigkeiten meiner Riesen bewohnbares Gebiet an und locke Siedler mit Hilfe natürlicher Ressourcen wie Nahrung oder Mineralien in diese Gegenden. Schnell entstehen automatisch kleine Niederlassungen und die knuffigen Einwohner wuseln über die Oberfläche der zweidimensionalen Welt, sammeln Nahrung, ackern in Minen oder roden Wälder.
Zivilisatorische Großprojekte
Ähnlich wie im modernen Deutschland sind meine Einwohner bei ihren Großprojekten ohne göttliche Hilfe ziemlich schnell aufgeschmissen. Für jedes muss nämlich eine Anzahl der Rohstoffe Nahrung, Reichtum oder Wissenschaft in der Siedlung konsumiert werden. Dazu muss ich die zugehörigen Quellen entsprechend platzieren, mit Aspekten aufrüsten und Synergieeffekte nutzen, denn bestimmte Felder gehen miteinander Symbiosen ein, die sich positiv auf die Produktion auswirken können.
Ein riesenhaftes Unterfangen
So wichtig das Wachstum meiner Städte ist, so problematisch kann die Geschwindigkeit ihrer Entwicklung werden. Zu schnell expandierende Städte, die keine externen Bedrohungen zu fürchten haben, verlieren nämlich jeglichen Respekt. Dann werden nicht nur umliegende Zivilisationen zum Ziel ihrer Aggressionen, sondern auch meine Riesen, die sich bei Annäherung sofort einer kleinen Armee gegenübersehen. In diesem Fall hilft nur noch die Zerstörung durch eine Spezialfähigkeit – den schmerzhaften Totalverlust einer prosperierenden Stadt und ihrer Spezialbauwerke inklusive.
Der ewige Kreislauf
Das ist keine kluge Designentscheidung, denn so fühlt sich Reus schnell wie eine typische Trial-and-Error-Routine an. Schaffe ich es am Anfang nämlich noch, zügig viele der Achievements freizuschalten, muss ich spätere Aufgaben sehr gezielt angehen, um neue Entwicklungsstufen zu erlangen. Zuvor muss ich allerdings erst einmal die grundlegenden Entwicklungen vornehmen und meine Riesen aufrüsten, um die entsprechenden Fähigkeiten zur Verfügung zu haben. Das ermüdet recht schnell – und frustriert, wenn man am Ende der dreißig Minuten wieder feststellt, das Ziel nur knapp verfehlt zu haben und exakt das gleiche Spiel noch einmal wiederholen muss. Tatsächlich ist es so, als würde Civilization nach jedem Epochenwechsel das Spiel abbrechen und die neue Epoche erst im nächsten Spiel, nach erneutem Aufbau der Grundlagen freischalten. Diese Wiederholung wird mir aufgezwungen und langweilt mich erstaunlich schnell. Auch die Freischaltung der ein- und zweistündigen Ära-Sitzungen können dieses Problem nicht lösen, da einerseits die Komplexität der Achievement-Ziele steigt und andererseits die Freischaltungen trotzdem nur im Anschluss an eine Partie nutzbar werden.
Fazit
Reus ist ein umfangreiches und anspruchsvolles Götterspiel, irgendwo zwischen Populous und Black&White. Das interessante Konzept, Zivilisationen durch die durchdachte Manipulation der Umgebung zu kontrollieren, ohne direkten Zugriff auf die Bewohner der Städte zu haben, hat mich zunächst fasziniert. Die fein gezeichnete Kulisse, das tolle Artdesign, sowie die vielen Kombinationen der einzelnen Fähigkeiten und Rohstoffe verleiten mich oft dazu, noch mal eine Welt aufzubauen – vielleicht kann ich ja mein Ziel doch vor Ablauf der gegebenen Zeit erreichen. Allerdings frustriert mich das Konzept des zeitbasierten Spiels im Ära-Modus. Zwar kann ich irgendwann eine Verdopplung und sogar Vervierfachung der anfänglichen 30- Minuten-Begrenzung freischalten, aber neue Technologien und Fähigkeiten erfordern ständige Neustarts und nervige Trial-and-Error-Sitzungen. Ja, es gibt einen Endlosmodus, dieser ergibt aber frühestens nach der Freischaltung aller Technologien und Fähigkeiten Sinn. Ein offenes und entschleunigtes Spielkonzept mit Fortschritt während den Partien hätte hier deutlich besser funktioniert als das Achievement-System. So hinterlässt Reus nur einen befriedigenden Eindruck.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Umfangreiches, anspruchsvolles und hübsches Götterspiel, dessen zeitbasierte Spielmodi und undankbare Freischaltmechaniken den langfristigen Spaß trüben.
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