Assetto Corsa20.01.2015, Michael Krosta

Im Test: Ein Fahrgefühl zum Verlieben!

Genau wie Frontier Developments mit Elite: Dangerous bewies auch Kunos Simulazioni ein unglückliches Timing für unseren Test, als man Assetto Corsa (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) erst kurz vor Weihnachten aus dem Early Access entließ. Da der ambitionierte Titel  von Bedeutung sein könnte, haben wir uns auch hier noch für einen Nachtest entschieden. Ist Assetto Corsa ein neuer Stern am Simulationshimmel?

Der Geist von Forza Motorsport & Gran Turismo

Eigentlich sind Rennsimulationen am PC, wie man sich eben eine Rennsimulation am PC vorstellt: staubtrocken, nicht unbedingt hübsch anzusehen, aber funktional und voll fokussiert auf die möglichst realistische Abbildung der Fahrphysik als Kernelement. Visuelle Pracht und hoher BlingBling-Faktor? Überflüssig! Karriere? Braucht man nicht! Tuning? Nein, danke! Fotomodus? Schnickschnack!

Die italienischen Sim-Experten Kunos Simulazioni, die sogar professionelle Simulatoren-Software für Ferrari & Co entwerfen, haben sich beim Design von Assetto Corsa dagegen spürbar von Konsolenvorbildern wie Gran Turismo oder Forza Motorsport inspirieren lassen. Hier lassen sich die Boliden wie PS-Models vor verschiedenen Kulissen positionieren, man darf mit Farbfiltern, Blenden & Co herumspielen und die Kunstwerke fotografisch festhalten. Wer will, darf die aufwändig modellierten Flitzer nicht nur von außen bewundern, sondern auf Knopfdruck einsteigen und sich der liebevollen Details erfreuen, mit denen die Cockpits originalgetreu nachgebildet wurden. Endlich ein ForzaVista für den PC? Nicht ganz: Mangels Interaktivität, ohne die eindrucksvollen Nahaufnahmen und den

Es gibt zwar nicht so viele Wagen wie in Gran Turismo & Co, aber alle wurden aufwändig modelliert und zeichnen sich durch individuelle Fahreigenschaften aus.
gesprochenen Informationsgehalt eines Forza Motorsport 4 / 5 reicht es hier nur für eine Light-Version der virtuellen Auto-Show. Trotzdem wird hier mehr Drumherum geboten als bei der durchschnittlichen PC-Simulation – Daumen hoch!

Mehr als nur Standard-Rennen

Das gilt auch für die Auswahl an Veranstaltungen, denn neben den üblichen Sofort-Rennen und kompletten Wochenenden inklusive Training und Qualifikation liefert man sich hier auch kurze, aber spannenden Beschleunigung-Duelle, schlittert in Drift-Wettbewerben für Punkte spektakulär durch Kurven oder kämpft beim Hotlapping sowie den Zeitrennen gegen die Uhr um möglichst schnelle (und saubere) Rundenzeiten.

All das lässt sich nicht nur für einzelne Sitzungen anwählen, die sich hinsichtlich Rundenanzahl, Uhrzeit, Streckencharakteristik, Fahrerfeld sowie anderen Faktoren den eigenen Wünschen anpassen lassen. Denn darüber hinaus wurde das Angebot auch in eine separate Karriere im Stil der genannten Konsolen-Rennspiele eingebettet. Und so klappert man auf vorgegebenen Strecken und sogar in festgelegten Boliden die verschiedenen Veranstaltungen ab und sammelt fleißig Medaillen, die weitere Serien mit neuen Herausforderungen freischalten.

Dröge Karriere

Auch die Cockpits strotzen vor Details.
Dabei hat die Karriere abseits der biederen Präsentation mit weiteren Problemen zu kämpfen: Zum einen ist die Balance des Schwierigkeitsgrades völlig misslungen! Egal wie sehr ich mit den KI-Einstellungen zwischen 80 und 100 Prozent experimentiere, rase ich der Konkurrenz auf der maximalen Stufe teilweise auf und davon, während ich in anderen Rennen selbst auf der unteren Stufe meine Mühe und Not habe, angesichts der überlegenen Mitbewerber überhaupt das Ziel für die Bronze-Medaille zu erreichen. Und auch abseits der KI-Piloten wirkt der Schwierigkeitsgrad unausgegoren: Schon bei der zweiten Zeitprüfung ist das Limit für das Erreichen des ersten(!) Checkpunkts so knapp bemessen, dass Anfänger schnell frustriert aufgeben werden. Es ist zwar schön, gefordert zu werden. Und es versteht sich auch von selbst, dass man sich für eine Gold-Medaille ordentlich anstrengen muss. Aber den Spielern im Rahmen einer Anfänger-Serie schon so viel abzuverlangen, ist ziemlich daneben – und das, obwohl man das Design doch eher auf den Mainstream ausgerichtet hat. Immerhin muss man nicht jede Veranstaltung erfolgreich abschließen. Es reicht eine festgelegte Anzahl an Medaillen, um eine Serie abzuschließen und sich für die nächste zu qualifizieren, so dass man die extrem schwierigen bzw. schlecht balancierten Herausforderungen auch einfach überspringen kann.

Wo bleibt die Motivation?

Darüber hinaus mangelt es der Karriere aber an einem weiteren Faktor: der Motivation! Warum? Weil es im Gegensatz zu Forza & Co hier kein Währungssystem gibt, für das man sich aufraffen könnte, diese belanglosen Aneinanderreihungen von Mini-Events auf sich zu nehmen. Und weil auch das Freischalten von Inhalten als Anreiz flach fällt: Sämtliche Strecken und Fahrzeuge samt Lackierungen stehen sofort zur Verfügung. Keine Frage, ich bin froh, dass ich von Anfang an Zugriff auf den gesamten, mit 43 Boliden aber doch recht kleinen Fuhrpark habe, anstatt mich erst stundenlang mit schwächer motorisierten Exemplaren rumzuquälen, um mir irgendwann den Super-Sportwagen leisten zu können. Doch für den Karrieremodus wirkt sich diese Designentscheidung negativ aus. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass man ihn in dieser Form komplett hätte weglassen können.  

Mein Rennen, meine Regeln

Der Sieg darf auf Knopfdruck gefeiert werden - Podeste und Champagnerduschen gibt es leider nicht.
Da setze ich mir doch lieber meine eigenen Veranstaltungen auf und lege dabei nicht nur die Tageszeit und Temperatur, sondern auch die Größe und Zusammenstellung meines Starterfelds fest, das je nach Schauplatz aus über 20 Fahrzeugen bestehen darf. Hier wird es also richtig voll auf der Piste! Besonders gut gefällt mir die Möglichkeit, die Streckencharakteristik anzupassen: Neben optimalen Bedingungen kann man sich auch auf altem, schmutzigen Asphalt mit schlechter Bodenhaftung versuchen oder man stellt ein, dass sich das Grip-Niveau erst mit zunehmender Rundenzahl entwickelt. Das ist klasse, aber leider kein Ersatz für das fehlende Wettersystem. Klar wird es bei einer verstaubten Oberfläche schon mal ähnlich rutschig wie auf feuchtem Asphalt, aber dynamische Witterungsbedingungen vermisse ich hier genauso wie echte Nachtrennen. Beides soll wohl in Zukunft nachgereicht werden.

Noch viel zu tun

Ohnehin hat das kleine Team aus Italien noch viel vor: Zum einen hat man bereits angekündigt, den überschaubaren Fuhrpark weiter aufzustocken, obwohl dieser mit seiner gelungenen Auswahl an lizenzierten Serienmodellen über Rennwagen bis hin zu Formel-Boliden schon jetzt viel Abwechslung bietet, zumal die individuellen Unterschiede zwischen den einzelnen Autos hervorragend zum Tragen kommen. Trotzdem weist man schon vorsorglich darauf hin, dass neben den bereits integrierten Karossen von Alfa Romeo, BMW, Ferrari, Lotus & Co bald Modelle von Audi, Nissan und Subaru folgen sollen.

Im Schauraum werden die Boliden vor diversen Hintergründen ordentlich in Szene gesetzt - auch für den gelungenen Fotomodus.
Auch bei den Strecken wird sich in Zukunft noch etwas tun – eine offizielle Umsetzung der Nürburgring Nordschleife als DLC ist bereits beschlossene Sache. Der Plan, für die geplante Erweiterung erneut zur Kasse gebeten zu werden, kam bei vielen Käufern von Assetto Corsa allerdings nicht gut an. Kein Wunder, ist die bisherige Auswahl an Schauplätzen doch eher dürftig und mit Kursen wie Vallelunga, Monza, Imola, Mugello und Magione etwas zu stark auf Italien ausgerichtet. Immerhin haben es mit dem Nürburgring, Silverstone und Spa drei internationale Vertreter ins Aufgebot geschafft und bieten genau wie ihre italienischen Kollegen ebenfalls oft mehrere Strecken-Layouts. Für Monza wird sogar die historische Variante aus dem aus dem Jahr 1966 angeboten – inklusive Oldschool-Werbetafeln. Zudem wurden laut Entwicklerangaben sämtliche Tracks mit dem Laserscanning-Verfahren erfasst und demnach möglichst originalgetreu in die Simulation übertragen. Einen solch großen Aufwand kann sich die Modder-Gemeinschaft in der Regel zwar nicht leisten, doch da man die „Garagen-Bastler“ wie schon bei Netkar Pro mit offenen Armen empfängt, ist auch Assetto Corsa dank der leidenschaftlichen Unterstützung schon mit vielen Mods gesegnet, darunter eine bereits jetzt vorhandene Nachbildung der Nordschleife sowie weitere Wagenmodelle samt Lackierungen und zusätzliche Strecken. Keine Frage: Assetto Corsa stehen sicher rosige Zeiten bevor! Doch was aktuell an offiziellen Inhalten im Spiel steckt, ist sicher noch ausbaufähig.

Inkonsequente Simulationsaspekte

Das gilt auch für einige Elemente, die derzeit noch nicht die Erwartungen von Motorsport-Enthusiasten erfüllen können. So z.B. die Boxenstopps: Sie stehen aktuell ausschließlich in Mehrspieler-Rennen zur Verfügung, die nach den Startproblemen mittlerweile richtig rund laufen. In Rennen gegen die KI steuern die Fahrer die Box dagegen gar nicht erst an und man selbst wird auch nicht mit frischen Reifen oder Benzin bedient, falls man zu seinen Mechanikern abbiegt.

Der Spritverbrauch ist momentan ebenfalls noch eine Sache für sich: Zwar darf man ihn optional aktivieren, muss die maximale Rennlänge auf zehn Runden beschränkt werden – was für ein fauler Kompromiss! Ähnlich verhält es sich mit dem Schadensmodell, das sich zwar in mehreren Stufen skalieren oder ganz abschalten lässt, aber nie so authentisch wirkt wie erhofft. So reicht teilweise schon kleine Berührung, um die gesamte Windschutzscheibe mit kleinen Rissen zu übersähen, während heftige Kollisionen mitunter keine oder kaum Folgen nach sich ziehen. Auf der einen Seite sehen die Beulen und Kratzer zwar richtig gut aus, doch auf der anderen Seite ist es enttäuschend zu sehen, dass alle Teile fest mit dem Fahrzeug verbunden bleiben. Selbst die empfindlichen Außenspiegel bleiben selbst

Der X-Bow ist ein Leichtgewicht mit ordentlicher Power.
nach intensiven Rempel-Orgien sicher an ihrem Platz. Immerhin spürt man die Auswirkungen auf die Fahrphysik – und das nicht zu knapp. Besonders lobenswert ist in diesem Zusammenhang der falsche Umgang mit den Reifen: Wer z.B. ohne ABS unterwegs ist und häufig so stark bremst, dass die Gummi-Oberfläche zu stark an einer Stelle strapaziert wird, darf sich über den anschließenden Plattfuß nicht wundern.

Trotzdem: Hinsichtlich Schadensmodell und der Darstellung wäre sicher mehr drin gewesen! Das gilt auch für das  Strafsystem, das auf offizielle Flaggenregeln verzichtet, dafür aber auf eine eigene Variante setzt. Kürzt man bewusst ab oder kommt von der Strecke ab, hat man ein paar Sekunden Zeit, um seine Geschwindigkeit auf unter 50Km/h zu verringern. Gibt man aber weiter Gas, wird nach Ablauf des Zeitlimits eine automatische Motordrosselung erzwungen, um den Übeltäter auszubremsen. Im Ansatz gefällt mir dieses System ganz gut, doch würde ich trotzdem Flaggen (und damit z.B. auch Gelbphasen nach Unfällen) bevorzugen, zumal dadurch auch zu aggressives Auftreten bzw. unsportliches Verhalten geahndet werden könnte, das hier stillschweigend geduldet wird bzw. keine Konsequenzen nach sich zieht – außer vielleicht einer manuell ausgelösten Beschwerde-Animation.              

Kontaktfreudige KI

Und gute Gründe für Beschwerden liefern die KI-Piloten genug: Zwar ist es löblich, dass die Verfolger oft eine gute Balance zwischen aggressivem Druck und überlegter Zurückhaltung aufweisen. Doch in manchen Situationen leidet die KI unter massiven Aussetzern und brettert mir an Brempunkten vor manchen Schikanen gefühlt ungebremst ins Heck oder folgt beim Durchfahren von Kurven stur ihrer Linie, obwohl ich mich direkt neben ihr befinde – da ist eine

Driften steht in separaten Events ebenfalls auf der Tagesordnung.
schmerzhafte Berührung vorprogrammiert. Auch beim Start wirkt das dichte Feld oft sehr unbeholfen, scheint Probleme bei der optimalen Wegfindung zu haben und öffnet mir dadurch die Tür, mich innerhalb der ersten zwei- bis dreihundert Meter vom Ende des Feldes in die Top-Ränge zu katapultieren.

Trotzdem wird der Sieg nicht geschenkt. Auch deshalb, weil die Startaufstellung trotz der optionalen Einschränkung auf bestimmte Leistungsklassen oft nicht ausgeglichen wirkt. Meist setzt sich ein Führender oder ein Duo schon innerhalb der ersten Runde deutlich vom restlichen Feld ab, während die Verfolger mit konstant zunehmendem Abstand hinterher hecheln. Wie schon in der Karriere fallen die Erfahrungen aber auch in den Einzel-Events je nach gewähltem Auto und Strecke sehr unterschiedlich aus und schwanken zwischen Frust und Unterforderung. Hier muss jeder für sich selbst mit den Konfigurationen experimentieren und die KI-Leiste entsprechend anpassen.

Pack den Schrauber aus!

Nicht zu vergessen das richtige Setup, denn Assetto Corsa (italienisch für „Renn-Ausstattung“) trägt seinen Namen nicht von ungefähr. Nur mit der passenden Ausstattung bzw. den geeigneten Einstellungen am Fahrzeug nutzt man das volle Potenzial aus der Kombination von Fahrer und Material. Und so darf man auch hier fleißig am Fahrwerk schrauben, die Getriebeübersetzung und das Differenzial anpassen, Spur und Sturz regeln, an der Bremsbalance herumspielen oder zwischen verschiedenen Reifenmischungen wählen, wobei man für jeden der Pneus den Druck separat festlegen kann. Hui, hier darf man wirklich jede Menge kleine Änderungen vornehmen, um die ideale Abstimmung zu finden – und die Ergebnisse bzw. Auswirkungen nicht nur beim Live-Test auf der Strecke, sondern auch in den aufgezeichneten Telemetriedaten studieren.

Erst mit dem richtigen Setup lässt sich das gesamte Potenzial des Wagens enfesseln.
Doch da es bekanntlich genug Leute gibt, die nicht mit dem Mechaniker-Gen geboren wurden, sondern einfach nur Gas geben wollen, bietet man für jedes Fahrzeug eine generische Setup-Blaupause an, mit deren Einstellungen man auf den meisten Kursen ganz gut klarkommen sollte. Trotzdem: Dies ist nur die Basis, auf der man aufbaut. Wer also wirklich alles aus seinem Boliden herausholen will, wird um das Tüfteln und Testen an Einstellungen nicht herum kommen – oder tauscht sich alternativ mit Gleichgesinnten aus, um deren Einstellungen zu importieren oder selbst zu übernehmen.

Schade, dass besonders im Setup-Bereich die lückenhafte deutsche Lokalisierung negativ auffällt. Okay, laut Steam-Angaben wird unsere Sprache offiziell noch nicht unterstützt. Allerdings kann man sie im Spiel sehr wohl auswählen, bekommt im Gegenzug aber nur einen unglücklichen Mischmasch aus deutschen und englischen Angaben, der sich von Beschreibungen über die Optionen bis hin zu Auswahlkästchen durch das gesamte Spiel zieht. Damit spiegelt die lückenhafte Übersetzung mein Gefühl wider, das mich beim Testen von Assetto Corsa immer wieder ereilt hat: Trotz Version 1.x ist das Spiel noch lange nicht fertig und scheint an einigen Stellen immer noch im Beta-Status zu verharren.

Tuning nur in Ansätzen

Tuning, wie es Gran Turismo & Co bieten, findet man hier nicht. Allerdings stehen für manche Modelle alternative Versionen zur Verfügung, die über mehr Leistung verfügen. So ist der Lotus Exige 240R in der S3 (Stage 3)-Variante nicht nur 30 Kilo leichter, sondern verfügt auch über mehr Pferdestärken und ein höheres Drehmoment. Für den BMW M3 E30 stehen sogar drei Stufen zur Wahl: Neben dem Standard- und einem leicht getunten S1-Modell, wird außerdem noch eine spezielle Variante für Drift-Wettbewerbe angeboten. Darüber hinaus erfreut man sich an diversen Lackierungsoptionen und vorgefertigten Mustern – ein Editor im Stil von Forza Motorsport ist nicht integriert, doch bieten Mod-Werkzeuge immerhin eine Alternative.          

Mein HUD

Auch die Analyse der Telemetriedaten wird als "Studiengang" angeboten.
Nicht nur bei den Einstellungen genießt man enorm viele Freiheiten. Sogar die Bildschirmanzeigen und deren Positionierung liegt in der Hand des Spielers. Dabei stellen die Entwickler so genannte Apps (Anwendungen) zur Verfügung, die rechts auf dem Bildschirm eingeblendet werden, sobald man die Maus an den Rand bewegt. Auf den ersten Blick wirkt dies zwar umständlich, doch befasst man sich mit den Möglichkeiten, überwiegend die Vorteile. Denn aktiviert man die Apps per Mausklick, erscheinen sie nicht nur auf dem Bildschirm, sondern lassen sich anschließend per Maus an der gewünschten Stelle positionieren – sehr cool! Zu den Anwendungen zählen z.B. Infokästen zu Rundenzeiten, Streckenkarten, Rennposition oder Echtzeit-Analysen des Fahrwerks, der G-Kräfte sowie Render-Statistiken.      

In diesem Zusammenhang ist es auch klasse, dass man das Blickfeld und die Sitzposition nach Belieben anpassen darf. Vor allem in der Cockpitsicht kann man durch das stufenlose Verstellen z.B. selbst entscheiden, ob man die Innen- und Außenspiegel lieber im Blick haben will oder besser mit der Nase an der Windschutzscheibe klebt, um mehr von der Strecke zu sehen.

Ein Augenschmaus

Und zu sehen gibt es genug, denn grafisch zählt Assetto Corsa ohne Zweifel zu den schönsten Rennsimulationen auf dem PC! Auch wenn die Brillanz eines Forza Motorsport 5 nicht erreicht wird und manche Schatten sowie Texturen etwas grob ausfallen, verwöhnt vor allem die stimmungsvolle Beleuchtung das Auge. Wenn die Sonne tief steht, ihre Strahlen die Bäume durchbrechen und gleichzeitig zusammen mit den subtilen Spiegelungen die leichte Staubschicht auf der Scheibe offenbaren, dann sieht das einfach klasse aus. Mit aktivierter Kantenglättung wirkt das Bild zudem deutlich ruhiger als etwa bei Forza 5. Mit 60 Bildern pro Sekunde bei 1080p und optional zuschaltbarer Bewegungsunschärfe wird das Geschwindigkeitsgefühl zudem hervorragend eingefangen. Je mehr Fahrzeuge ihre Runden drehen, desto anspruchsvoller werden aber auch die Anforderungen an die Hardware, so dass aus konstanten 60fps schnell 25 und weniger werden können.

Schicke Lichteffekte, flüssige Darstellung, viele Details: Technisch geben die Entwickler Gas!
Denn auch die Boliden strotzen vor Details und wurden aufwändig modelliert. Besonders deutlich wird dies im Ausstellungsraum, den speicherbaren Wiederholungen und dem Fotomodus, doch auch im Renn-Trimm machen sie besonders in engen und nahen Zweikämpfen eine gute Figur. Zwar steht jeweils eine Außen-, Motorhauben- und Stoßstangenansicht zur Auswahl, doch ist das Cockpit meine erste Wahl. Genau wie bei Forza ist es auch hier erstaunlich, mit wie viel Liebe Ausstattung, Armaturen und Anzeigen der einzelnen Fahrzeuge ins Spiel übertragen wurden. Und die Karossen sehen nicht nur gut aus, sie hören sich auch verdammt gut an: Ich vermisse zwar die klanglichen Feinheiten, Dynamik und Variation in den verschiedenen Drehzahlbereichen, mit denen Forza Motorsport 5 und die Race Room Racing Experience meine Gehörgänge regelmäßig in Verzückung versetzen, doch auch dem etwas dezenteren und weniger ausgeprägten Röhren der Assetto-Motoren kann ich noch einiges abgewinnen und die Klänge sind überdurchschnittlich gut. Sehr gut sind in diesem Zusammenhang auch die Audio-Optionen, in denen sich die Lautstärke für Reifen, Motor, Oberflächen, Wind und Gegner separat einstellen lässt.     

Das Beste zum Schluss

Das Beste an Assetto Corsa ist und bleibt aber die grandiose Fahrphysik: Auch dank der exzellenten Force-Feedback-Effekte fühlt es sich beim Spielen mit einem Lenkrad schlichtweg fantastisch an, die Boliden präzise über die Pisten zu dirigieren und sich langsam ans Limit heran zu tasten. Neben detaillierten Lenkrad- und Pedaleinstellungen lässt sich nicht nur die allgemeine Intensität des Force Feedbacks festlegen, sondern es werden sogar separate Werte für Kerb-, Straßen- und Rutscheffekte erlaubt. Besonders hat mich beeindruckt, wie individuell sich jedes Fahrzeug verhält, mir dabei aber immer wieder ein authentisches Gefühl vermittelt, wirklich selbst hinter dem Steuer des jeweiligen Modells zu sitzen. So zeichnen sich die meisten BMWs z.B. durch ihren Heckschleuder-Charakter aus, bei dem ich viel mit Übersteuern zu kämpfen habe, wenn ich das Gaspedal zu euphorisch traktiere. Trotzdem gleicht schon innerhalb der BMW-Familie kein Auto dem anderen: Der 1er M vermittelt ein ganz anderes Fahrgefühl als ein M3 oder der Z4 – super! Beim KTM X-Bow spüre ich dagegen sofort das geringe Gewicht von knapp 800 Kilogramm, während die Formel-Flitzer zwar generell eine großartige Bodenhaftung bieten, aber ebenfalls sehr empfindlich auf einen nervösen Gasfuß reagieren. Und der Ferrari F40 ist ohnehin ein Monster vor dem Herrn und lässt sich schon in der Standardversion kaum bändigen, von der getunten Variante ganz zu schweigen.

Im Austellungsraum darf man sich auch ein Bild vom Innenraum machen. Leider fehlt im Gegensatz zu ForzaVista die interaktive Komponente.
Zum Glück lassen sich auch hier eine ganze Reihe von Fahrhilfen aktivieren, wobei die Entwickler bereits drei vorgefertigte Grundeinstellungen für Spieler, Rennfahrer und Profis anbieten. Selbstverständlich lassen sich die Assistenten wie Traktions- und Stabilitätskontrolle sowie ABS auch nach eigenen Vorlieben in mehreren Stufen anpassen. Zudem dürfen neben der automatischen Kupplung auch ein Automatikgetriebe, eine eher zu vorsichtige Ideallinie sowie die Empfindlichkeit des Schadensmodells und der Reifenabnutzung festgelegt werden. Auch die Stärke des Windschattens liegt in den Händen des Spielers, der außerdem entscheiden kann, ob er lieber mit Heizdecken vorgewärmten Pneus auf die Piste gehen will.

Besonders gelungen finde ich, dass Kunos Simulazioni neben den freien Anpassungsmöglichkeiten auch eine Werkseinstellung anbietet. Zwar fahre auch ich gerne ohne Fahrhilfen, um dadurch den Anspruch weiter zu erhöhen, doch dies entspricht eben nur selten dem realen Vorbild. Gerade die Traktionskontrolle zählt zusammen mit ABS schon seit einigen Jahren zur Standardausstattung moderner Wagen und ich bin froh, dass mir das Spiel die Option anbietet, mich mit einem authentischen Grad an Fahrhilfen hinters Steuer klemmen zu dürfen. Nicht zu vergessen, dass man gerade mit dieser Unterstützung die Boliden nicht zwingend mit einem Lenkrad steuern muss, sondern auch mit dem Controller überraschend gut kontrollieren kann. Trotzdem ist die Verwendung eine Lenkrads selbstverständlich die erste Wahl, um die ganze Klasse dieser ausgezeichnete Simulation genießen und würdigen zu können.           

Die wahre Konkurrenz

Da die Rennen gegen die schwankenden KI-Piloten nicht unbedingt befriedigen und sich in erster Linie zu Übungszwecken eignen, liegt die wahre Herausforderung, sich in Positionskämpfen mit echten Spielern zu messen. Nach den massiven Problemen zum Start, läuft es auf den zahlreich vorhandenen Servern mittlerweile endlich rund. Allerdings darf man keine eigenen Sitzungen anlegen, sondern ist auf die Bereitstellung von Servern angewiesen oder muss sich selbst welche mieten. An Auswahl herrscht derzeit allerdings kein Mangel, an Spieloptionen dagegen schon. Ohne das Austragen von Meisterschaften und der Beschränkung auf Einzelrennen wirkt das Online-Angebot recht rudimentär, obwohl man zumindest auch Trainings- und Qualifikationsläufe anbieten kann.

Der F40 ist eine wahre Höllenmaschine.
Was mir zusätzlich fehlt, ist die Einbindung motivierender Bestenlisten. Zwar erlaubt eine App den Vergleich mit Freunden, doch eine weltweite Rangliste, idealerweise mit Download-Optionen für Geisterwagen und direkte Rivalen-Herausforderungen, wäre eine sinnvolle Ergänzungen für die Zukunft, um den etwas blassen Online-Auftritt weiter aufzuwerten. Ausdrücklich positiv überrascht war ich im Rahmen des Tests von den Nutzern, die in Online-Rennen hart aber fair agierten – kein Vergleich zu den zahlreichen Crash-Kiddies, die mir mit ihrer Abschuss-Mentalität bei Konsolen-Rennspielen regelmäßig den Spaß am Rasen verderben. Schön wäre es noch gewesen, neben der LAN-Unterstützung auch noch lokale Duelle am geteilten Bildschirm geboten zu bekommen, doch leider fällt diese Option flach.

Fazit

Wäre alleine die Fahrphysik relevant für die Bewertung, hätte Assetto Corsa Platin verdient! Die Rennsimulation aus Italien vermittelt ein exzellentes und authentisches Gefühl für jeden Wagen des überschaubaren Fuhrparks. Getragen wird es von einem herausragenden Force Feedback, das mich jede Unebenheit auf den originalen Pisten in feinen Nuancen spüren lässt. Neben iRacing habe ich bisher kaum ein anderes Rennspiel erlebt, das die Faszination am Fahren so famos einfängt! Doch abseits dieser Königsdisziplin stört vieles: Die Beschränkung der Boxenstopps auf Mehrspieler-Rennen und die Einschränkung der Rennlänge bei aktiviertem Benzinverbrauch sind genauso ärgerlich wie der Verzicht auf Flaggenregeln, wechselnde Witterungsbedingungen oder die lückenhafte Lokalisierung. Hinzu kommen ärgerliche KI-Aussetzer, das inkonsequente Schadensmodell sowie der enorm schwankende, mitunter frustrierende Schwierigkeitsgrad innerhalb der drögen Karriere, die man hätte streichen können. Obwohl die Technik rund läuft und Assetto Corsa mit schicken Kulissen sowie traumhaften Wagenmodellen derzeit die schönste PC-Simulation darstellen dürfte, habe ich angesichts der vielen faulen Kompromisse den Eindruck, mich immer noch in einer Beta zu befinden. Die Online-Rennen reißen zwar einiges raus und auch die Modder-Community sorgt für zusätzliche Inhalte. Aber Kunos Simulazioni wäre besser damit gefahren, noch etwas länger mit der Veröffentlichung der Vollversion zu warten, um ein runderes, vollständigeres und umfangreicheres Motorsport-Erlebnis zu verwirklichen.

Pro

fantastische Fahrphysik
hervorragendes Force Feedback
sehr gut modellierte Fahrzeuge verschiedener Klassen
Cockpitansicht mit Sitz-/Blickfeldverstellung
satte Motorenklänge
umfangreiche Setupmöglichkeiten (und Vorlagen)
(optionaler) Benzinverbrauch...
verschiedene Tageszeiten (inkl. Zeitrafferfunktion)...
nützliche Fahrhilfen und "Werksausstattungen"
abwechslungsreiche Veranstaltungen (Drift, Drag, Hotlapping)
volles Schadensmodell...
verschiedene Leistungsstufen bei ausgewählten Fahrzeugen
(optionaler & skalierbarer) Reifenverschleiß
großes Starterfeld (20 )
im Ansatz gelungenes Strafsystem
verschiedene Streckencharakteristiken einstellbar
lasergescannte Strecken
schicke Kulisse mit sehenswerten Lichteffekten
komplette Rennwochenenden möglich
saubere Performance bei Online-Rennen
voll anpassbares HUD mit diversen Apps
speicherbare Wiederholungen
gelungene Mod-Unterstützung
Fotomodus und verschiedene „Bühnen“
LAN-Unterstützung

Kontra

schwache, schlecht ausbalancierte Karriere ohne Motivation
kein Aufsetzen eigener Meisterschaften möglich
vereinzelte KI-Aussetzer
keine wechselnden oder verschiedenen Witterungsbedingungen
keine Flaggen
Boxenstopps nur in Mehrspieler-Rennen
...für den man Kompromisse bei der Rennlänge eingehen muss
...aber keine Nachtrennen
überschaubare Streckenauswahl
relativ kleiner Fuhrpark und wenige Hersteller
...das nicht immer nachvollziehbar ist
keine Siegerehrungen
kein (optionaler) Boxenfunk
sehr lückenhafte Lokalisierung
keine Splitscreen-Rennen

Wertung

PC

Eine Rennsimulation mit herausragender Fahrphysik, die hinsichtlich Umfang, Karriere und Funktionen derzeit mehr wie eine Beta wirkt und noch einige Wünsche offen lässt.

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