Als Liedermacher Lieder machen
Was macht die kleine Maus da eigentlich auf einer Burg, deren uralte Mauern langsam vom sauren Meer abgetragen werden? Nun, zum einen ist Tilo dort eingekerkert – nicht für lange natürlich, denn schon bald entflieht er zumindest seiner Zelle und kann sich in der Festung frei bewegen. Zum anderen ist er auf der Suche nach seiner geliebten Merra, die ebenfalls gefangen genommen wurde, nachdem sie sich weigerte, für den Baron zu singen.
Tatsächlich ist nicht nur die Geschichte um Tilo, sondern auch der erzählerische Hintergrund um einen vergangenen Krieg und um Verrat sowie den Zwist unter verschiedenen Völkern, Verzeihung: Tierarten, wunderbar stimmig. Sie wird von cleveren Details getragen, die die Handlung mit dem Spiel verknüpfen und sie so zu einem gewichtigen Bestandteil des Abenteuers
Tilo erlebt spannende Abenteuer und entdeckt atemberaubende Aussichten.
machen. Tilo selbst ist z.B. Minnesänger und stimmt nicht nur seine (leider nicht vertonten) Lieder an, sondern schreibt sogar ein neues, indem man Zeile um Zeile bestimmt, wie der Vers fortgeführt wird.
Ratten, typisch!
Dass sich ein Liedermacher nicht Säbel schwingend durch Horden von Wachen, sprich: Ratten, schnetzelt, die ihn um zwei Köpfe überragen, versteht sich selbstredend. Und so geht der Mausmann lieber in Deckung, schleicht geduckt an schnarchenden Torwärtern vorbei – oder sprintet flink um zwei Ecken, wenn er doch mal gesehen wird. Zum Glück rennen die Wachen nur wenige Meter weiter, nachdem sie Tilo aus den Augen verlieren, sodass man brenzlige Situationen meist binnen Sekunden auflöst. Ghost of a Tale ist trotz offensichtlicher Anleihen keine Stealth-Action. Es ist ein Versteckspiel, das seinen
In Kisten und Fässern versteckt sich Tilo vor Wachen. Nur in einem der (zahlreichen) Verstecke kann man das Spiel speichern.
Reiz aus den lebendigen Kulissen zieht.
Man muss ja trotzdem vorsichtig seinen Weg suchen und manch knifflige Herausforderung durch gutes Timing sowie einen geschickten Sprung meistern. Ein gelungener Anreiz ist zudem der Diebstahl des Taschentuchs, das jede Wache bei sich trägt - eine sehr nette Idee!
Tausend schiefe Ecken
Und wie lebendig die Kulissen wirken! Alleine die eigenwilligen Größenverhältnisse, mit denen Grafikkünstler Lionel Gallat eine Maus so groß wie einen Tisch sein lässt, aber nicht groß genug, um bequem daran sitzen zu können, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Dazu kommen tausend schiefe Ecken, die er scheinbar von Hand geschliffen hat, sowie verwinkelte Gänge, in denen sich etliche Geheimnisse verbergen. Nachdem man Dutzende Male an ihnen vorbeigelaufen ist, entdeckt man noch versteckte Tunnel oder Seilzüge, über die man Gebiete erreicht, die zuvor nur Blickfang schienen. Es ist unglaublich motivierend, sich das Labyrinth aus Kellern, Gemächern und kleinen Waldstücken zu eigen zu machen!