Unheimliche Fragen, fade Antworten
Die seltenen gezeichneten Zwischensequenzen sind stimmungsvoll.
Die Zeit, in der ich mich wirklich auf jeden Ansatz klassischer Tower Defense gestürzt habe, liegt lange zurück. Zwar kann ich die Qualität von Fieldrunners 2 & Co wertschätzen, doch mittlerweile braucht es schon mehr, um mich ans Pad oder an Maus und Tastatur zu locken. So etwas wie Dungeon Defenders z.B. oder auch Orcs must Die!, die beide die Turmverteidigung um aktive Angriffsmechanismen ergänzen. In die gleiche Kerbe schlägt auch die von Artifice Studio entwickelte Indie-Produktion Sang-Froid: Tales of Werewolves (SF), die jüngst grünes Licht auf Steam erhalten hat. Man schlüpft wahlweise in die Rolle der Holzfäller Jack oder Joe (oder auch Jacques und Joseph), die ihre aus der Stadt Wolvesvale geflohene Schwester aufnehmen und beschützen müssen.
Hat ihre Flucht mit den unsittlichen Annäherungen des Priesters zu tun, die in einer Auseinandersetzung gipfelten, in deren Folge die Kirche halb abbrannte? Oder vielleicht doch damit, dass sie in ihren Fieberträumen etwa einen halben Meter über dem Bett schwebt und mit zurückgerollten Augen und tiefer Stimme von Dämonen fantasiert? Warum wird die Farm der Brüder samt dem Umland allnächtlich von immer stärker werdenden Wolfswesen und anderen Höllenausgeburten heimgesucht? Und wieso hat selbst der Teufel Interesse an Josephine?
Die Dialoge hingegen sind technisch und akustisch schwach.
Die Antworten bekommt man im Laufe der 20 Missionen dauernden Kampagne. Doch so geheimnisvoll die Geschichte auch wirken mag, so schwach wird sie erzählt. Die Zwischensequenzen bleiben zwar dem Comicstil treu, der sich auch durch die Kulisse und das Figurendesign zieht. Doch wo andere Spiele mit einem ähnlich gelagerten Stil mit ihrem Minimalismus einen ganz speziellen Charme in der Erzählung entfachen, bleibt die Werwolf-Mär oberflächlich und steril. Die kurzen Sequenzen bieten jede für sich betrachtet kaum Spannung, sind technisch schwach und dazu nur selten gut vertont. Und das gilt für die englische Fassung (es gibt weder deutsche Texte noch Sprache)! Nur um die Auflösung der Geschichte zu erfahren, habe ich der starken Versuchung widerstanden, sie wegzuklicken.
Alpträume bestimmen Verteidigungstaktik
Das ist insofern bedauerlich, da die wenigen gezeichneten Vollbild-Zwischensequenzen durchaus den Wunsch nach mehr ausgelöst haben. Deutlich besser vertont und stimmungsvoller zusammengesetzt als die Schnippsel zwischen den Missionen wird der atmosphärische Grundstein für ein spannendes Abenteuer gelegt. Doch dies ist nur die eine erzählerische Ebene. Die spielerische ist deutlich besser gelungen. Jeder Tag auf dem Kalender, den man überleben muss, gliedert sich in zwei Teile: Tagsüber verschafft man sich einen Überblick, welche Monster auf welchem Wege versuchen, die wichtigen Gebäude im Umfeld der Brüder anzugreifen.
Tagsüber schaut man sich die Gegner sowie ihre Routen an und plant entsprechend seine nächtliche Verteidigung.
Mit diesem Wissen, das quasi den fabulierenden Träumen der Schwester entspricht und akkurat zutrifft, kann man versuchen, dem Schicksal Einhalt zu gebieten. Dazu platziert man z.B. Fallen in verschiedenen Kategorien, baut Verteidigungsanlagen in Form von Türmen, über deren verbindende Seiltrassen man schnell hin und her reisen kann oder versucht durch das Legen von Feuermauern die Laufwege der Gegner anzupassen. Zusätzlich kann man im Dorf seine Waffen von der Nonne segnen lassen (gegen eine kleine Gebühr für die Kollekte versteht sich), seine Munition aufstocken oder gar neue Waffen, temporäre Verstärkungen oder Heiltränke kaufen. Doch man muss nicht nur ein Auge auf die spärlich gefüllte Geldschatulle haben, die auch von der einen oder anderen Falle zusätzlich geschröpft wird. Das Auslegen der Fallen, Köder etc. verbraucht in jedem Fall Aktionspunkte, so dass man nicht wahllos auf der Karte herumplanen kann, sondern so gezielt und effektiv wie möglich vorgehen muss.