Im Test: Konservativer Turmbau in Reinkultur
Krieg um die Kerne
„Gott sei Dank ist der Kern wieder zurück“, keucht Commander Fletcher. Kurz bevor ein Hochgeschwindigkeitsalien mit dem Energiekern aus dem Kampfareal spurten konnte, schoss mein auf Stufe 3 aufgewerteter Raketenturm eine gezielte Salve auf den Feind. Das schwer angeschlagene Alien sackt in sich zusammen und der freigesetzte Energiekern schwebt langsam zurück zum Lager. Da kein Gegner mehr zu sehen ist, der sich den Kern schnappen könnte, kann ich mich weiter der Verbesserung der Verteidigung widmen. Und genau das macht man im Tower-Defense-Spiel Defense Grid 2: Türme bauen, Aliens zerstören und Energiekerne beschützen. Grundsätzlich spielt es sich wie der Vorgänger, nur ausgereifter, umfangreicher, übersichtlicher und im Detail verbessert.
20 Missionen auf fünf Planeten
In der Kampagne warten 20 Missionen, die im Vergleich zum Vorgänger deutlich an Umfang zugelegt haben. Wie immer gibt es auf den Karten einen oder mehrere Eingänge, aus denen die
Zerstört werden die Gegner ausschließlich mit unterschiedlichen, stationären Geschütztürmen, die auf bestimmten Positionen der Karte hochgezogen werden können. Dabei gibt es Karten, auf denen die Türme nur neben dem (jederzeit eingeblendeten) Laufweg des Gegners gebaut werden und wiederum andere Karten, die fast ausschließlich aus Bauplätzen bestehen. Bei letzteren kann der Laufweg der Aliens durch die Platzierung der Türme aktiv verändert werden – idealerweise macht man den Weg länger, damit die Feinde länger zum Kernlager laufen und dadurch länger beschossen werden können. Vollständig blockieren lässt sich ein Weg nicht. Und dann gibt es noch Karten, die beide Komponenten miteinander verbinden, was die Schlachtfelder vielfältiger als im Vorgänger erscheinen lässt. Die Schauplätze sind nicht nur weitläufiger und aufwändiger gestaltet, sondern bieten eine größere Vielzahl an taktischen Möglichkeiten zur Platzierung der Türme.
Taktiktiefe durch Turmkombination, Boost und Aufwertung
Neben der Positionierung sind die drei möglichen Aufwertungen und die Kombination der verschiedenen Turmtypen miteinander das A und O. Da es Türme gibt, die Flächenschaden anrichten, Gegner verlangsamen, Schutzschilde effektiver zerstören, Hitzeschaden über Zeit anrichten oder langsam große Kaliber verschießen, kommt die taktische Vielfalt durch die Türme und ihre Vor- und Nachteile im Kampf gegen die diversen Aliens ins Spiel. Hinzu kommen je drei Aufwertungsmöglichkeiten, die jeweils Schaden, Reichweite und Feuerrate beeinflussen.
Schade ist nur, dass es abgesehen vom Boost-Tower keine neuen Türme im Vergleich zum ersten Teil gibt. Gestrichen wurde zudem der Kommandoturm, dessen Funktion (mehr Geld für erledigte Aliens) in den Boost-Turm integriert wurde. Obwohl auf dem Papier jeder Turm irgendwie nützlich klingt, kommt es mir so vor, dass Meteor- und Inferno-Türme (deutlich) schwächer als im Vorgänger und die Kanone sowie der Raketenturm ein bisschen zu stark sind. Dafür hat mich die Effektivität des Erschütterungsturms, der Flächenschaden auf kleinstem Raum anrichtet, in manchen Missionen positiv überrascht. Im ersten Teil hatte ich das Ding jedenfalls nie gebaut. Kleine Macken in Sachen Balance sind in der zum Test freigegebenen Version also festzuhalten.
Einziger Neuling im Turmrepertoire ist der Boost-Turm, der ziemlich günstig ist und das Feld, auf dem er gebaut wurde, anhebt. Dies ist eine Möglichkeit, den Laufweg der Feinde günstig zu beeinflussen. Auf dem Boost-Turm können normale Türme errichtet werden, die dann drei zusätzliche Upgrade-Optionen erhalten. So kann der auf dem Boost Tower errichtete Geschützturm 20 Prozent mehr Schaden anrichten oder es werden getarnte Einheiten in einem größeren Radius aufgedeckt
Ohne Luft-Einheiten, aber mit Zinsen
Eine Änderung gibt es noch: Der Raketenturm schießt nicht mehr nur ausschließlich Lufteinheiten, da sämtliche fliegenden Alien-Einheiten gestrichen wurde, was mich keinesfalls traurig macht, da ich die Flieger eh immer unnötig fand und kaum taktischen Mehrwert brachten. Der neue Raketenturm kann gezielt einzelne Feinde auf große Entfernung ausschalten, schießt aber langsam. Ansonsten hat sich in Sachen Transparenz einiges getan. So kann im Turmbaumenü abgelesen werden, wie viel Schaden jeder Turm bisher gemacht hat. Es kann daher beurteilt werden, wie effektiv der Turm an der Stelle im Vergleich zu anderen Türmen ist. Außerdem kann auf die „Schadenskarte“ umgeschaltet werden, die eine Wärmesicht-Karte anzeigt, wo am meisten Schaden verursacht wird.
Geld für den Turmbau erhält man durch das Erledigen von Aliens und als Bonus zwischen den Wellen. Zudem wird – wie schon beim Vorgänger – Effizienz belohnt. Soll heißen, wenn Aliens mit weniger Ausgaben für Türme und damit mehr Geld auf dem Konto
Holprige Story-Kampagne
Jede der 20 Karten kann entweder im Story-Modus oder in einem der zahlreichen Herausforderungsmodi mit Bestenlisten-Ambitionen (Turme dürfen z.B. nicht verkauft werden) gespielt werden. Im Story-Modus darf man sich die Geschichte um mehrere künstliche Intelligenz-Protagonisten und einen Alien-Übergriff auf KI-Charaktere anhören, während Menschen in Sicherheit gebracht werden sollen. Dabei trifft man Commander Fletcher und seine legendäre Vorliebe für Himbeeren wieder sowie eine Handvoll neuer Charaktere, die allesamt leicht verhaltensauffällig sind und für künstliche Intelligenzen ziemlich geschwätzig sind bzw. noch viele menschliche Überbleibsel in sich tragen. Das führt letztendlich zu Dialogen zwischen den KI-Charakteren, die von witzig über bizarr bis völlig belanglos und langweilig reichen.
Obwohl die hervorragend vertonten Dialoge (auch in Deutsch) am Anfang der Kampagne ziemlich wahllos, holprig und zusammenhanglos wirken, wird daraus im späteren Verlauf eine „halbwegs brauchbare“ Geschichte, wenn man einige Augen zudrückt. Auch die Tagebucheinträge in Textform im Ladebildschirm versuchen einen Mehrwert zu schaffen, wirken aber überladen und unnötig. Immerhin werden die Missionen so zusammengehalten, aber mehr als eine Bonusdreingabe ist die Hintergrundgeschichte nicht und stellenweise störte das Geschehen sogar beim Turmbau. Schade!
Superwaffen und vertane Chancen
Apropos Computerintelligenzen: An diese KI-Protagonisten sind die Superwaffen gebunden. Vor dem Beginn einer Mission wählt man den Begleit-Commander aus und entscheidet sich so für den bekannten Orbitallaser, eine kleine Ressourcenspritze, eine kartenweite Verlangsamung oder eine Fokusziel-Markierung (Türme greifen gemeinsam ein Ziel an) – jeweils mit Abklingzeit. Im Gegensatz zum Vorgänger hat der Einsatz der Superwaffe keinen negativen Effekt auf das Punktekonto.
Haufenweise Spielmodi
Jede Karte lässt sich auf vier Schwierigkeitsgraden spielen, wobei die „einfache Variante“ wirklich viel zu einfach ist und wenig taktisches Geschick erfordert. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad kann es gelegentlich etwas haarig werden, gerade wenn mehrere Eingänge und Höhenstufen vorhanden sind. Auf den Stufen darüber, kommt es mehr auf Spezialwaffen-Einsatz,
Multiplayer-Turmbau
Neben den Solo-Modi gibt es einen kooperativen Mehrspieler-Modus für zwei Personen (auf einer Karte) und einen kooperativen, koordinierten Modus. Bei letzterem ist die Karte in Felder mit zwei Farben aufgeteilt und die Spieler können nur auf den Feldern bauen, die ihrer Farbe entsprechen. Gegeneinander darf man ebenfalls antreten: In "DG Fighter" spielen zwei Kommandanten einzeln auf der identischen Version der Karte. Wenn Spieler A dann ein anrückendes Alien besiegt, erscheint bei Spieler B exakt an dieser Stelle der Gegner erneut auf dem Spielfeld - und umgekehrt. Und damit der Karten-Nachschub in Zukunft gesichert ist, gibt es einen Level-Editor.
Fazit
Bei Defense Grid 2 bekommt man, was man erwartet: Eine durchdachte und umfangreiche, aber auch sehr konservative Tower-Defense. Die sinnvoll aufeinander abgestimmten Türme sowie ihre Verbesserungs- und Boost-Möglichkeiten erlauben umfangreichere Turmbau-Taktiken als im Vorgänger. Das liegt aber auch an den größeren Karten, die in der Regel mehr Möglichkeiten zum Abfangen und Ablenken der anstürmenden Gegner bieten. Abgesehen davon, dass ich den gestrichenen Alien-Flugeinheiten nicht nachtrauere und die kleinen Verbesserungen (Schadenskarte) sich positiv auf die Nachvollziehbarkeit der Gefechte auswirken, hätte es dem Spiel gut getan, wenn es mehr Türme, Gegner und eine Fortschrittsmechanik gegeben hätte. Auch die Geschichte zwischen den Missionen ist trotz toller Sprecher leider nicht der große Wurf. Dafür muss ich nur noch einmal das Kartendesign und die zahlreichen Modi loben, genauso wie die Multiplayer-Varianten. Alles in allem ist Defense Grid 2 ein konservatives, aber richtig gutes Gesamtpaket, das auch auf Konsole mit ordentlicher Kulisse und guter Steuerung punktet.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Bei Defense Grid 2 bekommt man, was man erwartet: Eine durchdachte und umfangreiche Tower-Defense in Reinkultur.
XboxOne
Bei Defense Grid 2 bekommt man, was man erwartet: Eine durchdachte und umfangreiche Tower-Defense in Reinkultur.
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