Dracula 4: Shadow of the Dragon26.07.2013, Jan Wöbbeking
Dracula 4: Shadow of the Dragon

Im Test:

Nach fünf Jahren Pause kommt wieder morbider Adventure-Nachschub aus Frankreich. Die Weiterentwicklung des Genres ist offenbar völlig an den Entwicklern vorbeigezogen: Die Erkundung eines gruseligen Anwesens wirkt angestaubter als Myst oder The 7th Guest.

Zurück in die Neunziger

Manchmal sagen Kommentare von Kollegen mehr über ein Spiel als seitenlange Tests – zum Beispiel der von Eike nach einem kurzen Blick auf meinen Bildschirm: „Ich finde es gut, das wir Adventures aus den Neunzigern nachtesten!“. So bitter das klingen mag – der Satz bringt es auf den Punkt. Das Gemeinschaftsprodukt französischer Teams wie Koalabs, Totem und Mzone wirkt von vorne bis hinten schrecklich veraltet.

Das Tauerspiel beginnt schon bei der Darstellung: Wie vor 15 Jahren klicke ich mich Bild für Bild aus der Ego-Perspektive durch ein karg eingerichtetes Grusel-Anwesen im britischen Küstenort Whitby. Ein Klick auf einen Pfeil befördert mich ein paar Meter weiter. Halte ich die linke Maustaste gedrückt, kann ich die Perspektive ein wenig verschieben, um mich umzuschauen. Hier und da fliegt ein kleiner Vogelschwarm am Himmel entlang, von solchen Details abgesehen bleibt der Hintergrund starr.

Nicht nur Seeluft macht müde

Gestatten, Kommissar 00 Schneider von der Polizei.
Gestatten, Kommissar 00 Schneider von der Polizei!
Die inneren Werte sind noch enttäuschender: Die fade inszenierte Rahmenhandlung um ein Kunstraub, ein verfluchtes Gemälde und die tödlich erkrankte Protagonistin wirken wie ein Alibi-Konstrukt, welches lediglich die vielen Rätsel miteinander verbindet. Kunstrestauratorin Ellen Cross bereist Budapest und Istanbul, um ein mysteriöses Portrait Draculas zu finden. Dabei kommt sie einem alten Konflikt zwischen dem finsteren Fürsten und einem Vampir-Orden auf die Spur. Der karge Smalltalk klingt allerdings nicht nach einem professionellen Autor. Ähnlich öde wirkt das Artdesign: In der heruntergekommenen Klischee-Baracke der ungarischen Polizei rechnete ich jeden Moment damit, dass Kommissar 00 Schneider um die Ecke biegt.

Zu Beginn erforsche ich ein altes Anwesen am Meer und öffne in einer Gruft allerlei Geheimräume durch Symbol- und Code-Rätsel. Um den Schließmechanismus einer massiven Steintür zu aktivieren, müssen z.B. drei Steinscheiben mit Symbolen gegeneinander verdreht werden. Die Hinweise auf die richtige Kombination finden sich meist in unmittelbarer Nähe, zum Beispiel auf alten Schrifttafeln oder in markierten Buchstaben in der Bibliothek. Die Rätsel sind logisch aufgebaut, auf Dauer wirkt die Aneinanderreihung von Code-Puzzles aber ermüdend.

Pflichtprogramm

Schiebung: Dracula 4 reiht ein Dechiffrierungs-Rätsel an das andere.
Schiebung: Dracula 4 reiht zahlreiche Dechiffrierungs-Rätsel aneinander.
Auch die einfach gestrickten Inventar- und Umgebungsrätsel habe ich unmotiviert abgeklappert. Oft brachten mich bereits die Hinweise auf die Lösung, welche direkt unter den Inventar-Gegenständen angezeigt werden. Eines der wenigen Stärken von Dracula 4 ist die Vertonung: Die kaum animierten Figuren sprechen zwar nicht lippensynchron, der (englische) Text wird aber passend betont.

Auch die entspannende Musik bleibt zwar nicht im Gedächtnis, passt aber zum ruhigen Erforschungstrip. Das Gesundheitssystem der tödlich erkrankten Protagonistin wirkt dagegen aufgesetzt: Ab und zu fülle ich die Lebensleiste mit ein paar Äpfeln oder Pillen, welche kombiniert eingenommen besonders viel Lebenskraft zurückgeben. Schade auch, dass das Spiel trotz des Vampir-Themas nie wirklich gruselig wird – es besitzt eher die Atmosphäre eines entspannten Mystery-Abenteuers.

Fazit

Dracula 4 wirkt wie eine Reise in die Vergangenheit des Adventure-Genres – vor allem, wenn man kurz vorher das moderne The Raven gespielt hat. Starre Hintergründe, eine plumpe Inszenierung, fade Texte, austauschbare Code-Rätsel – all das wirkt in Zeiten von The Walking Dead schrecklich altbacken und lieblos inszeniert. Die französischen Entwickler habe nur das Allernötigste unternommen, um ein klassisches Adventure im Stil von Myst abzuliefern. Wer nur ein wenig knobeln und erforschen will, wird trotzdem ausreichend bedient. Der Großteil der Rätsel ist schließlich logisch aufgebaut und in der Sackgasse landet man dank des moderaten Schwierigkeitsgrades nur selten. Nach nur knapp fünf Stunden ist der nicht vorhandene Spuk aber auch schon wieder vorbei – damit ist das Spiel sogar kürzer als manch ein Kapitel der episodisch erzählten Konkurrenz.

Pro

entspannte Stimmung
logisch aufgebaute Puzzles
professionelle englische Sprecher...

Kontra

fades Artdesign
altbackene stille Renderkulissen
...Vertonung aber nicht lippensynchron
Aneinanderreihung uninspirierter Code-Rätsel
schlichte Rahmenhandlung spielt kaum eine Rolle
nur wenige, öde Dialoge
nur knapp fünf Stunden kurz
zu viele Hinweise
aufgesetzt wirkendes Gesundheits-System

Wertung

PC

Das fade inszenierte und uninspirierte Horror-Adventure wirkt rundum veraltet.

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