The Division10.03.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Kämpfen, quatschen, kooperieren

The Division (ab 9,38€ bei kaufen) kommt genau im richtigen Moment! Zu einer Zeit, in der Destiny seine Spieler nicht mehr so fesseln kann wie mit der Veröffentlichung seiner großen Erweiterung, saugt der ähnlich konzipierte Online-Shooter in einem apokalyptischen New York die Deserteure geradezu auf. Dabei ist Action nicht die Stärke von The Division. Seine Vorzüge zieht das Spiel vielmehr dorther, wo man sie vielleicht nicht vermutet hätte. Was wir erlebt haben, fassen wir im Test zusammen.

Endlich: Ein Virus ohne Zombies

Ich hatte nicht mit einer fesselnden Erzählung gerechnet: Nachdem ich das Spiel im Vorfeld schon einige Stunden lang gespielt hatte, war mir klar, dass die Geschichte hauptsächlich als Wegweiser dienen würde, um Einzelgänger und Gruppen von bis zu vier Spielern durch ein Manhattan zu führen, das von der Außenwelt abgeriegelt wurde. Nachdem ein Pockenvirus einen Großteil seiner Bevölkerung hingerafft hat, leben dort nur noch wenige Menschen. Banden haben die Macht an sich gerissen.

Der Schauplatz ist ein begehbares Terrarium, in dem man wenigen, immer gleichen Figuren dabei zusieht, wie sie Tote plündern oder sich einfach nur streiten. Interagieren kann man nur, indem man Kimme und Korn auf Zivilisten richtet – dann laufen sie davon. Gangster eröffnen natürlich das Feuer. In dieser Kulisse ist man unterwegs zum nächsten Auftrag; die meisten beginnen beim Betreten des Madison Square Gardens, eines Kaufhauses, von U-Bahn-Schächten oder Baustellen. Auf dem Weg dorthin befreit man Zivilisten aus der Gewalt von Gangstern, überfällt deren

Willkommen in New York - und einem von Chaos überrannten Manhattan!
Lager oder verhindert Waffenlieferungen.

Das große Ziel ist das Herstellen eines Antivirus'. Der Weg dorthin besteht aus dem Lernen neuer Fähigkeiten, dem Zusammenstellen besserer Ausrüstung und vor allen Dingen aus der Freude am gemeinschaftlichen Kämpfen, Quatschen, Kooperieren.

Der Eine oder einer von vielen?

Wie gesagt hatte ich keine ausnehmend gute Erzählung erwartet, zumal einem Spiel wie The Division das pragmatische Streuen leidlich interessanter Brotkrümel durchaus genügt. Aber dass gleich der Einstieg so schlecht sein würde... Da freue ich mich auf eine Onlinewelt voller Gleichgesinnter – gemeinsam werden wir New York entdecken! –, doch was erlebe ich? Mein frisch erstelltes Alter Ego wird von Beginn an zum alleinigen Helden stilisiert. Es ist mir ein Rätsel, wozu die Autoren eine Geschichte schreiben, die mit der spielerischen Realität nicht das Geringste zu tun hat. Eine Identifikation mit meiner Agentin fällt damit flach. Ich schiebe ein hübsch texturiertes Drahtgittermodell umher, mehr ist hier nicht drin.

Wie schlägt sich The Division gegen Destiny: König der Besessenen? In zwei Teilen und vierzehn Kategorien von Koop bis Langzeitmotivation stellen wir die Online-Shooter gegenüber. Mehr dazu hier!

Würde die Erzählung im Anschluss wenigstens Schwung aufnehmen... Stattdessen habe ich mehrmals die Augen verdreht, als mir eine Art Lehrerfigur weismacht, warum ihr der Kampf um New Yorks Insel so wichtig ist. Denn anstatt über Erlebtes oder durch Erzählungen indirekt zu vermitteln, warum sie mit Leib und Seele Recht und Ordnung wiederherstellen will, sagt sie sinngemäß einfach: "Ich will mit Leib und Seele Recht und Ordnung wiederherstellen." Das ist die billigste Art, traniges Pathos zu erzwingen! Von Emotionen kann keine Rede sein.

Nein, die Handlung steht nicht im Mittelpunkt. Enttäuscht bin ich trotzdem über die bemerkenswerte Diskrepanz zwischen dem Spiel, das Massive Entertainment aufbaut, und dem Stil, mit dem das schwedische Studio dessen Geschichte erzählt.

Massives Blickwechsel

Massive, das sind die Entwickler, deren Vita durch Echtzeit-Strategie geprägt ist, durch Ground Control und World in Conflict. Und das merkt man den taktischen Gefechten an, die Massive zum ersten Mal als Shooter inszeniert ähnlich Gears of War, Army of Two oder Sniper Elite. Man blickt dem eigenen Kämpfer also über die Schulter, heftet sie oder ihn per Knopfdruck an eine Deckung und schießt mit einer von drei Waffen. Das Besondere sind Fähigkeiten wie ein Geschützturm, der Gangster automatisch attackiert, Heilung auf Knopfdruck oder ein Schild, mit dem man Feinde in relativer Sicherheit umgehen kann. Ohne Schutz wird man immerhin so schnell verwundet, dass die meisten Schusswechsel aus der Deckung heraus geführt werden.

Natürlich können alle Fähigkeiten nur nach einer Abklingzeit erneut verwendet werden. Ein begrenzter Vorrat an Granaten zwingt Gegner außerdem aus ihrer Deckung, blendet sie oder steckt sie in Brand. Die Entwickler vereinen Taktik mit Rollenspiel und ihre Wurzeln in der Echtzeit-Strategie sind dort erkennbar, wo sich ein Feind deshalb nicht bewegen kann, weil das auf ihn zielende Geschütz eine automatisierte Zustandsänderung auslöst. Er versucht dann

Die Fähigkeiten sind wichtig. Der Geschützturm lenkt Feinde ab und schadet ihnen.
nicht einmal, seine Position zu verändern, um dem Kugelhagel zu entkommen, sondern steckt buchstäblich ein paar Sekunden lang fest.

Schwammig

Sind diese Wurzeln auch der Grund, dass sich die Action längst nicht so gut anfühlt wie ihr Gegenstück in Destiny? Schließlich ist vor allem das Trefferfeedback nicht so präzise und wohltuend wie in dem Ego-Shooter von Halo-Entwickler Bungie. Zum einen werden die Reaktionen der Feinde auf erfolgreiche Treffer teils mit erheblicher Verzögerung dargestellt und zum anderen sind sie zu unscheinbar: Selbst nach Kopfschüssen zucken die Gegner kaum zusammen, zögerlich wechseln sie unter Beschuss ihre Position und unaufhaltsam stürmen sie in Richtung eines Spielers, während sie massiven Schaden einstecken.

Das fällt besonders auf einem der höheren Schwierigkeitsgrade auf, wenn die Banditen bedeutend mehr Treffer schlucken als im Normalfall. Es ist frustrierend, ein gesamtes Magazin in einem heran stürmenden Feind zu versenken, ohne dass er langsamer wird. In Destiny zucken Gegner nach kritischen Treffern abrupt zusammen – das sind wichtige Erfolgserlebnisse in einem Shooter! Hier erleiden sie oft nicht einmal sichtbare Schmerzen.

Gebaut für die Ewigkeit

Was ist in Manhattan geschehen? Sprachaufnahmen und digitale Rekonstruktionen rollen die Vergangenheit auf.

Das Spielen auf einem höheren Level bringt zudem ein weiteres Problem: Stirbt man, kehrt man häufig an solchen Stellen in den Kampf zurück, die von Gangstern überrannt sind. Man beginnt also ohne Deckung und in unmittelbarer Nähe jener Feinde, die mehrere Magazine direkter Treffer wegstecken. Irgendwann ist meine Vierergruppe deshalb etliche Tode gestorben, bis sie dort wiederbelebt wurde, wo sie ihre Feinde hinter einer fernen Tür in Ruhe einzeln abknallen konnte. Langweiliger hätte das kaum enden können.

Und noch ein Makel macht The Division zu schaffen: Keine einzige Deckung ist zerstörbar. In einem modernen Shooter dieser Art ist das eigentlich ein Unding! Wenigstens kleine Barrieren sollten bei der Explosion eines Sprengkörpers bersten, gerne auf Kosten der Glaubwürdigkeit einer beständigen Welt. So lange getötete Wachen nach wenigen Minuten wieder auftauchen, dürfte ihre Deckung das jedenfalls auch tun.

Teamplayers only

Der Shooter ist die größte Schwäche des Spiels – das fällt vor allem Solisten auf, die ihre Gegner trotz des Geschützturms kaum flankieren können und auf die Hilfe von Mitspielern verzichten müssen. Im Team lässt The Division allerdings seine Muskeln spielen! Und hier kommt Massive endlich die Erfahrung aus der Echtzeit-Strategie zugute. Gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden zeigen die Banditen nämlich auch Stärken, weil sie Spieler umgehen und mit Flammenwerfern sowie Granaten zum Positionswechsel zwingen.

Eine gute Absprache ist dann hilfreich, effektives Flankieren notwendig. Während zwei Agenten etwa einen Ausgang blockieren, könnten ihre Partner den Gangstern von kleinen Türmen oder Gerüsten aus einheizen. Der Höhenunterschied bringt enorme Vorteile: Gegner können ihre Köpfe nicht hinter niedriger Deckung verstecken, während man selbst kaum angreifbar ist. Man erzwingt Übermacht-Situationen oder muss aus ihnen ausbrechen. Diese Raumverschiebung ist der Schlüssel zu vielen spannenden Gefechten!

Richtig gut gefällt mir außerdem die Ruhe vor dem Sturm, wenn sich mein Team einer Gangstergruppe nähert, die zum Glück nicht über hundert Meter schon das Feuer eröffnet. So hat man Zeit, Position zu beziehen: Scharfschützen

Wie kommen Spieler zusammen?

Ähnlich wie in Destiny sieht man, welche Freunde online sind, kann deren Gruppe beitreten und sie in die eigene einladen.

Ausschließlich an Stützpunkten sieht man zudem Spieler, die nicht der eigenen Gruppe angehören - auch mit ihnen kann man sich zusammenschließen. Man kann außerdem zu jedem Zeitpunkt eine Suche starten, um ähnlich starke Mitspieler zu finden. Das ist vor allem vor dem Start einer Mission hilfreich.

Obwohl außerhalb der Dark Zone nur die eigene Gruppe in der Spielwelt zu sehen ist, wird die aktuelle Position aller Freunde zudem auf der Übersichtskarte eingezeichnet.

Einen Clan darf man leider nicht eröffnen, so dass man stets nur den Status von Spielern der eigenen Freundesliste erkennt. klettern aufs Gerüst, jeder aktiviert seine erste Fähigkeit - "Alle bereit?" Dann kommt das Signal. Diese banale Vorbereitung unterstreicht auf einfache Weise den Teamgedanken. Es sind kleine Momente wie aus einem packenden Thriller.

"Was soll nur aus mir werden?"

Und spannend sind ja nicht nur die Schusswechsel, sondern auch die Mittel, mit denen sie geführt werden, also Waffen und andere Ausrüstung. Manches findet man in Kisten, anderes kauft man oder erstellt es aus den Einzelteilen zerlegter Gegenstände. Modifikationen ändern die Vergrößerung des Zielfernrohrs, die Stärke des kritischen Schadens, die Größe des Magazins oder die Wahrscheinlichkeit, mit der man Gegner auf sich aufmerksam macht.

Die Entwicklung des eigenen Charakters ist umfangreich, viel umfangreicher als in Destiny, da auch auf Kleidung Modifikatoren passen, während zahlreiche Fähigkeiten und passive Vorteile die bevorzugte Spielweise unterstreichen. Dazu später mehr.

Im Reich der Toten

Der heimliche Star des Online-Shooters ist dabei nicht die Charakterentwicklung – aber sehr eng mit ihr verbunden. Denn richtig gute Ausrüstung findet man vor allem in der so genannten "Dark Zone", einem abgesperrten Bereich nahe des Times Square. Nachdem ich schon mit einer Vorschauversion viel Spaß in diesem Areal hatte, kam meine Vierergruppe jedenfalls mit mehreren Rucksäcken starker Waffen und wertvoller Kleidungsstücke aus Zentral-Manhattan wieder heraus, was längst

Die Grafikeinstellungen auf Konsole

Auch Playstation-4- und Xbox-One-Spieler nehmen kleine Veränderungen an der Darstellung vor. Über einen Regler wählen sie die Schärfe ihres Bildes, während sie Chromatische Aberration an- oder abschalten. Vor allem Letzeres erhöht die Bildrate: Wer eine präzise Steuerung bevorzugt, sollte den Effekt daher abschalten. nicht selbstverständlich ist.

Die Dark Zone ist sowohl erzählerisch als auch spielerisch ein finsteres Areal – das Gebiet, in dem Infizierte nach Ausbruch der Epidemie eingesperrt wurden und in dem bis zum Tag der Spielzeit Chaos regiert. Es ist außerhalb kleiner Stützpunkte das einzige Gebiet New Yorks, in dem Spieler anderem Spieler begegnen. Und nur in der Dark Zone können sie sich gegenseitig attackieren. Macht eine fremde Gruppe am Horizont etwa Jagd auf vom Spiel gesteuerte Banditen oder ist sie auf der Suche nach menschlichen Opfern?

DivisionZ

Im Gegensatz zu Bungie inszeniert Massive ja keinen kunterbunten PvP in zahlreichen Varianten. Vielmehr ist die Dark Zone eine schnelle Variante von DayZ, also ein weitläufiger Bereich, in dem alle Spieler bei jedem Aufeinandertreffen entscheiden müssen, ob sie aufeinander schießen, friedlich ihrer Wege gehen oder gar zusammenarbeiten. Immerhin tragen viele von ihnen die von toten Gangstern fallengelassene Ausrüstung –

Das winterliche Manhattan sieht beeindruckend aus: Bekannte Wahrzeichen sind ebenso überzeugend wie die Backsteinhäuser gewöhnlicher Wohnviertel.
hochwertiges Material, das sie jedoch nicht einfach verwenden dürfen. Sie müssen es erst in eine Landezone tragen, per Leuchtrakete einen Hubschrauber rufen und bis zu dessen Ankunft warten, um die Gegenstände zu extrahieren. Auf dem Weg dorthin und während des Wartens kann alles passieren! Viele Banditen sind in der Dark Zone vergleichsweise stark und Plünderer müssen lediglich dem Leuchtfeuer folgen, um eine Gruppe Spieler mit lohnenswerter Beute zu finden.

Das ist stellenweise verdammt aufregend! Es komprimiert das Prinzip DayZ auf schnelle, zielgerichtete Action und lässt das Herz viel höher schlagen als in den anspruchsvollen Herausforderungen des restlichen Spiels. Man trägt ja fast immer eine gut sichtbare Beutetasche am Rucksack umher...

Todesstrafen

Dass so wenige Spieler in der Dark Zone andere Agenten angreifen, liegt an dem großen Verlust von Geld und Erfahrung: Stirbt man als Abtrünniger, büßt man mitunter mehrere Erfahrungsstufen ein. Und Abtrünnige können sich nicht verstecken, weil man für alle sichtbar markiert wird, sobald man einem Agenten genug Schaden zufügt. Sollte eine Vierergruppe auf die Belohnung scharf sein, jagt sie den oder die Übeltäter im schlimmsten Fall also durch's gesamte Areal. Nur wenn es unter diesen Umständen gelingt, eine bestimmte Zeit lang zu überleben, zahlt sich das Morden daher aus.

So gut das System dafür sorgt, dass heimtückische Überfälle eine Ausnahme sind, so sehr hat es Massive allerdings übertrieben, denn das Verhältnis von Strafe und Beute stimmt nicht. Man verliert dermaßen viel Geld und Erfahrung beim Tod als Abtrünniger, erhält als friedlicher Dark-Zone-Kämpfer aber so gute Ausrüstung, dass sich das Risiko einfach nicht auszahlt. Vermutlich wollten die Entwickler frustrierende Augenblicke für das Gros der Beutesammler vermeiden – immerhin läuft man in DayZ regelmäßig organisierten PvP-Banden in die Arme. Momentan hält Massive

Gerechte Strafe? Ein Tod in der Dark Zone kostet viel Geld und Erfahrung.
die Leine einfach zu kurz – und hat längst selbst entsprechende Änderungen angekündigt. Auch jetzt ist die Dark Zone der aufregendste Teil ihres Spiels! Ich gehe davon aus, dass sie nach behutsamen Anpassungen in Zukunft nur noch besser wird.

Was nun?

Eine echte Kunst ist das natürlich nicht, der beste Teil eines Spiels zu sein, dessen Inhalte für Agenten mit allen Fähigkeiten und starken Waffen erst in den kommenden Wochen und Monaten veröffentlicht werden. Mit zwei kostenlosen sowie drei kostenpflichtigen Downloadinhalten soll das Spiel erweitert werden, zu deren Inhalten hält sich Ubisoft aber noch bedeckt . Bekannt ist nur, dass die ersten beiden kostenpflichtigen Inhalte einen Monat früher für Xbox One als auf Playstation 4 und PC veröffentlicht werden – eine ärgerliche Geschäftemacherei in einem Spiel, das sich auf lange Sicht über nachkommende Inhalte definieren wird!

Was erleben Agenten denn, die ihre Entwicklung bereits abgeschlossen haben und nach Beschäftigung suchen? Für sie gibt es abseits der Dark Zone lediglich tägliche Aufgaben: Missionen der Kampagne auf dem höchsten oder

Allzu viel gibt es für voll entwickelte Agenten derzeit noch nicht zu tun.
zweithöchsten Schwierigkeitsgrad. Dafür erhalten sie wertvolle Beute und eine Währung zum Kauf besonders starker Ausrüstung. Und ein bisschen hängen sie damit in der Luft, denn kleine wechselnde Herausforderungen oder eine in Missionen eingebettete Suche nach besonderer Ausrüstung gibt es The Division nicht.

Auch bei den schweren Missionen fehlt Massive dabei noch das rechte Feingefühl, denn während die Einsätze in den ersten Stunden gelungene Herausforderungen sind, beseitigen voll ausgebildete Agenten im Eiltempo die inzwischen viel zu schwachen Gegnerwellen. Der darüber liegende Schwierigkeitsgrad ist hingegen dermaßen happig, dass die Meisten noch kein Land gegen die nahezu unbesiegbaren Feinde sehen. Das motiviert natürlich zur Suche nach besserer Ausrüstung. Besser wäre aber eine zusätzliche Variante zwischen den Extremen.

Appetizer und Hauptgang

Bemerkenswert übrigens, wie stark die Schweden das Spiel bis Level 30 von dem Erlebnis voll entwickelter Charaktere trennen. Sobald meine Agentin nämlich die höchste Stufe erreicht und ihre Basis voll ausgebaut hatte, verlor ich mit einem Schlag fast das gesamte Interesse an den vielen Nebenmissionen oder dem ganz normalen Erkunden Manhattans. Es gibt dann einfach nichts mehr, wofür es sich lohnt, mit Medizin gefüllte Kisten unter Beschuss aufzulesen und zum Sammelpunkt zu tragen, abgeschaltete Antennen zu aktivieren oder Nachschublieferungen zu sichern. Weder benötigt man die Erfahrungspunkte noch die Ressourcen, mit denen man zuvor die drei Flügel des Hauptquartiers erweitert hatte, um weitere Fähigkeiten zu erhalten. Die Banditen kippen ohnehin viel zu schnell um, weil sie ihre Stärke den starken Agenten kaum anpassen. Nennenswerte Beute lassen sie ohnehin nicht mehr fallen.

Immerhin: Sieht man davon ab, dass das Erledigen fast aller Aufgaben, auch in den Einsätzen der Kampagne, auf immer gleiche Schusswechsel gegen etliche Feindwellen hinausläuft, gehen vor allem Solisten einen Weg, der an viele andere Spiele in großen, frei begehbaren Welten erinnert. In den zahlreichen kleinen Missionen finden sie immer

Licht und Nebel

Manhattan lebt vor allem vom wechselnden Wetter und famosen Lichtstimmungen. Die kommen besonders dann zur Geltung, wenn Licht durch z.B. Nebel fällt; die voluminöse Luft verleiht New York eine bemerkenswerte Tiefe. Leise rieselnder Schnee und starker Wind ergänzen die eindrucksvollen Stimmungen.

Kleinigkeiten wie die Tatsache, dass manche Details erst spät auftauchen oder plötzlich verschwinden und dass viele Texturen nur mit Verzögerung geladen werden, lassen das Bild unruhiger wirken als im Konkurrenten Destiny. Auf Konsolen verschwimmt beim Umsehen zudem das Bild. Insgesamt sieht aber auch The Division richtig gut aus! eine Aufgabe, während sie ihren Charakter und die Basis entwickeln. Vor allem Letzteres spornt an; das ausrangierte James A. Farley Post Office spiegelt auf gelungene Art den Fortschritt wider, wenn sich erst wenige, später viele Menschen dort einfinden.

Als unglücklich empfand ich nur, dass das Einsacken besserer Ausrüstung bis zum Erreichen der höchsten Stufe kaum reizvoll ist. Allzu sehr ist höherstufige Ausrüstung immer derjenigen überlegen, die man vor einer Stunde erst erhalten hat. Das ist in dieser Art Rollenspiel zwar grundsätzlich üblich, Division wirkt auf dem Weg zum so genannten Endgame allerdings gehetzt. Anders als in Destiny darf man die Lieblingswaffe zudem nicht ständig verbessern, auf dass sie auch gegen stärkere Feinde stets genug Schaden anrichten würde. So wirkt die Kampagne wie ein überlanges Tutorial, ein 20 bis 30 Stunden langes Schmackhaftmachen, das erst nach Erreichen der letzten Filmszene mit dauerhaft guten Gegenständen belohnt wird – auf dass sich auch klassische Actionspieler endlich der Materialsucht hingeben, anstatt das Spiel mit dem Erreichen des Finales beiseite zu legen.

"Hallo, Echo!"

Falls sie dabei bleiben, finden sie ja durchaus Gründe, über New Yorks Insel zu streifen. Zum einen gibt es in Werkstätten und Kleiderläden Materialien, aus denen man eigene Ausrüstung herstellt, zum anderen liegen in Manhattan dermaßen viele Aufzeichnungen aus der Zeit des Ausbruchs der Epidemie, dass ich

New York lebt vor allem von seinem eindrucksvollen Lichteinfall.
selbst nach mehr als 70 Stunden nicht alle gefunden hatte. Und die sind richtig interessant! Nicht weil Massive auf dieselbe Art wie Irrational Games wichtige Nebenstränge der Handlung erzählt, sondern weil die Aufzeichnungen viele kleine, für die Geschichte eigentlich unbedeutende Begebenheiten dokumentieren. Sie hauchen den fast leeren Straßen Leben ein.

Dabei ist auch die Umgebung selbst ein Zeitzeuge, wo Leichenberge, Quarantäne-Stationen oder Wohnungen wirken, als seien sie gerade erst zurückgelassen worden. Wenn dann noch Männer in feuerfester Kleidung mit Flammenwerfern davor patrouillieren, entsteht in mancher Gasse ein durchaus beklemmender Eindruck.

Funktionales Klickwerk statt virtuelle Welt

Umso ärgerlicher, dass man New York viel zu schnell als funktionales Klickwerk durchschaut, in dem Augenblicke des Erkundens und Entdeckens unerwünscht sind. Ist es denn wirklich notwendig, selbst die Position fast aller Aufzeichnungen präzise zu markieren? So läuft man nicht sehenden Auges durch die eindrucksvollen Kulissen, sondern rennt immer nur bunten Stecknadelköpfen hinterher. Aus Angst etwas zu übersehen kleben die Augen ständig auf der Übersichtskarte. Es ist ärgerlich, dass Massive nicht dem Forscherdrang seiner Spieler vertraut und ihnen nicht nur gesuchte Ressourcen und Ballereien zum Fraß vorwirft, sondern auch das für die Immersion wichtige Entdecken wegnimmt. Das entwertet die interessanten Aufzeichnungen als X von 293 Zahlendingen und das Erkunden fühlt sich mehr nach Pflichterfüllung als spannendem Entdecken an.

Überhaupt ist die Welt zu statisch – mit Gegnern, die wie Pappaufsteller stets an denselben Flecken warten. Symptomatisch sind hilfesuchende Zivilisten, denen man eine Flasche Wasser oder Medizin spendiert, auf dass sie sich z.B. mit einem Kleidungsstück bedanken. Eine der wenigen Möglichkeiten, auf plausible Art mit der Umwelt zu interagieren, wird so zu einer Art Seifenspender: "Hier klicken für einen Gegenstand". Dabei wäre es so einfach gewesen, die versteckten Aufzeichnungen etwa nicht zu markieren. Ein dankbarer Zivilist hätte den Weg dorthin

Auch Müllberge sind Zeitzeugen. Die Umgebung dient aber vor allem als starre Kulisse.
weisen können – und Massive zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Einsam online

Auch spielerisch würde der Suche nach einem Gegenmittel mehr Abwechslung gut tun. Einige Zahlendinge muss man zwar suchen, was eine gelungene Auszeit vom steten Schießen ist. Doch selbst dann folgt man meist nur einer Hand voll Pfeile. Es hilft The Division nicht, dass in Manhattan ausschließlich die Spieler des eigenen Teams unterwegs sind. Destiny und selbst das dröge Defiance ziehen viel Schwung aus Wächtern, die sich einem Gefecht gegen die immer gleichen Feinde einfach anschließen. Hier fehlt diese Dynamik. Man hätte sie durch eine lebendigere Umgebung ersetzen müssen, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen.

Auch besondere Ereignisse, wie den Kampf gegen einen Mech oder das Herbeirufen mächtiger Gegner in Destiny, gibt es in The Division nicht. Ich stelle mir vor, dass Agenten das Stürmen eines besetzten Gebäudes verhindern oder gegen Hubschrauber und Panzer kämpfen. In der Dark Zone fehlen hingegen selbst kleinste Missionen. Dabei wäre das Beutesammeln gerade in diesem Gebiet noch aufregender, könnte man auch zusätzliche Aufgaben erledigen.

Charakter-Lego

Bleibt die wichtige Frage: Wie motivierend ist diese ewige Suche nach stärkeren Waffen und besserer Rüstung? Viel wird dabei von den kommenden Inhalten abhängen, denn ich will neue Ausrüstung auch außerhalb der Dark Zone und abseits von Missionen auf höchstem Schwierigkeitsgrad nutzen müssen. Viel machen aber auch jetzt schon die umfangreichen Möglichkeiten aus, mit denen man fast alle Gegenstände an Vorlieben und taktische Notwendigkeiten anpasst. Immerhin verstärken verschiedene Magazine, Visiere und Griffe die Eigenschaften fast aller Waffen. Knieschonern oder Westen verleiht man durch Modifikationen sogar zusätzliche Besonderheiten wie schnellere Heilung, zusätzliche Effizienz gegen bestimmte Banditen, eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen z.B. Feuer oder eine größere Reichweite des Geschützturms.

Diese Modifikationen sind keine Kleinigkeiten! Rüstungsteile steigern ja nicht nur sekundäre Eigenschaften, sondern auch den allgemeinen Schadenswert, die Verteidigung sowie die Wirksamkeit von Technologien wie des Geschützes, des Schilds, des manuellen Heilens und aller anderen Fähigkeiten. Man sollte sich festlegen, ob der eigene Agent

Jeder Charakter kann jede Fähigkeit erlernen: Klassenunterschiede gibt es nicht.
Alleskönner, Panzer, Heiler sein oder eine ganz andere Rolle übernehmen soll. Doch damit ist es nicht getan, denn auch Waffen verfügen je nach Seltenheit über eine, zwei oder mehr Besonderheiten, die nur aktiv sind, wenn man die verlangten Werte für Schaden, Verteidigung und Technologie erreicht.

Man sucht also immer einen Kompromiss aus der benötigten und der gewünschten Ausrüstung – und das ist Massive eine kleine Idee zu komplex geraten. Dass jede Ausstattung das Ergebnis persönlicher Vorlieben und langen Abwägens ist, macht das Basteln trotzdem zu einer ausgesprochen befriedigenden Zeitverschwendung! Ich fühle mich hier deutlich wohler als beim eingeschränkten Feintuning eines Destiny.

Kleider machen keine Online-Leute

Auch die Charakterentwicklung gefällt mir in The Division besser als im Bungie-Shooter, weil man nicht vor Spielbeginn schon wissen muss, welche Art Helden man spielen will. Stattdessen lernt man immer die Fähigkeit dazu, die man gerne hätte, darunter das Geschütz, zielsuchende Minen, Haftgranaten sowie eine Heilstation. Man hat stets zwei Fähigkeiten parat und wechselt jederzeit zu einer beliebigen Kombination. Das

Getroffen oder nicht?

Manche Aktionen registriert The Division erstaunlich spät: Viele Treffer kommen mit Verzögerung an und das Absetzen von Geschützturm oder Minen geschieht mitunter Sekunden, nachdem man es eingeleitet hat.

Hin und wieder werden vom Spiel gesteuerte Figuren auch einige Meter versetzt oder tauchen unverhofft auf. Ein großes Problem sind die gelegentlichen Verzögerungen nicht, auffallend aber schon. flexible Variieren gefällt mir wesentlich besser als eine enge Klassenaufteilung und dass die Entwicklung der Fähigkeiten über den Ausbau des Hauptquartiers erfolgt, stärkt die Verbundenheit mit dem Spiel.

Schön, dass die Kleidung übrigens keinen einzigen Wert beeinflusst! Die vielen Jacken, Mützen und Schuhe entschädigen für die wenigen Gesichter, deren Brüder und Schwestern man in fast jedem kooperativen Einsatz trifft. Hervorragend sind auch die Händler, die zum einen sehr unterschiedliche Waren führen und zum anderen stets wertvolle Teile anbieten. Im Gegensatz zu einigen ähnlichen Spielen sind viele Waffen, Modifikationen und Rüstungen selbst ohne Änderungen starke Ergänzungen des Inventars. Und wer lieber selbst Hand anlegt, fertigt aus zerlegten oder gesammelten Waffenteilen sowie Stoffen eigene Gegenstände: Aus Blaupausen unterschiedlicher Stärke entstehen entsprechend effektive Gewehre oder Handschuhe mit nur teilweise vorhersehbaren Eigenschaften. Mit etwas Glück erhält man so genau die Modifikation, die gerade fehlt.

Fazit

Natürlich wird sich The Division durch die fünf bereits angekündigten Erweiterungen noch verändern. Vor allem Spieler vollständig entwickelter Charaktere warten auf die Neuerungen – auch weil sie derzeit nicht viel zu tun haben im virusverseuchten New York. Man spielt bereits erledigte Missionen erneut, macht einen Abstecher in die Dark Zone, das war's im Wesentlichen. Für den Augenblick fehlt der Onlinewelt Manhattans inhaltliche Tiefe und die Action ist nicht so griffig wie im großen Konkurrenten Destiny, wo das tägliche "Anfassen" des Spiels aufregender ist. Das erzählerische Fundament versteckt eine gute Idee um die natürliche Auslese zudem unter tranigem Pathos und auch die Umgebung wirkt starr: Weil Spieler nur von Symbolen auf einer Karte geleitet werden, verkommt der aufwändige Schauplatz zur Nebensache. Das Erkunden fühlt sich mehr nach Pflichterfüllung an. Dabei macht das schwedische Studio Massive Entertainment vieles richtig: die offene Charakterentwicklung etwa und ganz besonders das umfangreiche Zusammenstellen von Waffen und Rüstungsteilen. Dass man die Ausrüstung bis ins Detail eigenen Vorlieben sowie taktischen Notwendigkeiten anpasst, spornt mitunter mehr an als die Suche nach neuen Waffen. Wichtig ist das vor allem im Spiel zu viert, wenn jedes Mitglied eine bestimmte Aufgabe übernimmt. Denn gegen starke Banditen spielt die taktische Action ihre Stärken aus: das Stellungsspiel mit Sperrfeuer, Flankieren und dem Ausnutzen von Höhenvorteilen. Die größte Stärke ist aber die Dark Zone, ein Gebiet, in dem man nie weiß, ob das Aufeinandertreffen mit andern Agenten friedlich verläuft. Weil man Beute erst extrahieren muss, um sie zu nutzen, erlebt man in dem DayZ-ähnlichen Areal spannende Minuten, die das Onlinespiel deutlich von anderen seiner Art abhebt. Wenn die Entwickler diese Stärken mit den Erweiterungen der kommenden Monate ausbauen, könnten sie The Division ähnlich verbessern wie es Bungie mit Destiny im Verlauf des ersten Jahres gelang. Ein guter Start ist Massive auf jeden Fall gelungen!

Pro

spannendes Suchen und Bergen von Ausrüstung in der Dark Zone
Dark Zone: hohe Strafe für Erschießen von Spielern verhindert chaotisches Team Deathmatch
Matchmaking bringt in jeder Spielsituation bis zu vier Spieler zusammen
Charakterentwicklung ohne feste Klassen
unterschiedliche Fähigkeiten wie ballistische Schilde und Geschütztürme können verschieden modifiziert werden
umfangreiches Anpassen der Ausrüstung
Gegner rücken konsequent vor, nutzen Deckung sowie Höhenunterschiede und flankieren geschickt
spannendes Stellungsspiel und Kombinieren der richtigen Fähigkeiten vor allem für kooperative Spieler
viele Arten von Nebenmissionen
Händler bieten oft wertvolle Ausrüstung an
Herstellen eigener Gegenstände über Blaupausen und Materialien
eindrucksvoller Schauplatz mit imposanten Licht- und Wetterverhältnissen
zahlreiche Aufzeichnungen und Umgebungsdetails dokumentieren Ausbruch der Epidemie und ihre Folgen
motivierender Ausbau der Basis
Kleidung beeinflusst weder Charakterwerte noch Ausrüstung
Verbrauchsgegenstände (Wasser, explosive Munition, Energieriegel u.a.) verleihen kurzfristige Wertsteigerungen

Kontra

aktuell wenige Aufgaben für voll entwickelte Agenten
keine Missionen oder andere Ereignisse in Dark Zone
Gegner reagieren zu verhalten auf kritische Treffer
unbeholfener Nahkampf
manche Gegner und Zivilisten rennen ziellos umher
viele Treffer werden mit Verzögerung registriert und Figuren mitunter mehrere Meter weit "gebeamt"
statische, komplett durchsymbolisierte Oberwelt mit wenigen Erkundungsreizen
immer gleiche Zivilisten und Gegner wirken wie festgesteckte Pappaufsteller
Hauptmissionen bestehen aus hintereinander gesteckten Arenakämpfen
Waffenlevel kann nicht erhöht werden – mindert unter Level 30 Lust auf neue Ausrüstung
keine regelmäßigen Herausforderungen außer Wiederholungen von Missionen
ständige Nebenmissionen und Ereignisse verlieren mit kompletten Charakter ihren Sinn
interessante Geschichte wird auf über uninteressante Figuren und unpassendes Pathos erzählt
keine nahtlosen Übergänge zwischen Solo
und kooperativem Spiel
wenige Gesichter für Charaktererstellung – viele "Doppelgänger" im kooperativen Spiel

Wertung

PC

Spannende Gefechte und die freie Charakterentwicklung sind das Markenzeichen des kooperativen Shooters, der vor allem in der DayZ-ähnlichen Dark Zone seine Stärken ausspielt.

XboxOne

Spannende Gefechte und die freie Charakterentwicklung sind das Markenzeichen des kooperativen Shooters, der vor allem in der DayZ-ähnlichen Dark Zone seine Stärken ausspielt.

PlayStation4

Spannende Gefechte und die freie Charakterentwicklung sind das Markenzeichen des kooperativen Shooters, der vor allem in der DayZ-ähnlichen Dark Zone seine Stärken ausspielt.

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