Octodad: Dadliest Catch05.02.2014, Jan Wöbbeking
Octodad: Dadliest Catch

Im Test:

Was für eine bescheuerte Idee: Ein als Familienvater verkleideter Oktopus stolpert durch die Welt der Menschen und zerlegt so gut wie alles, was vor seine wild rudernden Tentakeln gelangt. Steckt hinter dem anarchischen Experiment auch ein lustiges Spiel?

Der wabbelige Wahnsinn geht weiter!

Einst war es nur ein bizarres Studentenprojekt – jetzt haben die Entwickler ihrem wackeligen Helden ein „ausgewachsenes“ Spiel gewidmet. Octodad: Dadliest Catch (ab 13,99€ bei kaufen) ist bereits der zweite Teil der Kraken-Saga. Wer den kostenlosen Vorgänger ausprobiert hat, bemerkt sofort, dass sich der väterliche Held ein ganzes Stück geschmeidiger steuern lässt. Natürlich ist es immer noch eine gewaltiger Balanceakt, durch den Alltag zu torkeln – darauf basiert schließlich die Herausforderung.

Das Spiel beginnt am größten Tag des Protagonisten: Nachdem er sich eine Scheinidentität als menschlicher Familienvater aufgebaut hat, will er nun vor den Traualtar treten. Auf dem Weg dorthin stehen natürlich jede Menge wackelige Dinge, die für einen Oktopus zu sensiblen Hindernissen werden: Gedeckte Tische, Geschenke, Spiegelrückwände – all das zerlege ich auf meinem Weg versehentlich mit den herumwabbelnden Tentakeln.

Glibbriger Balanceakt

Wird die raffinierte Tarnung auffliegen?
Die Steuerung erinnert an den Comedy-Klassiker „Ministry of Silly Walks“ aus Monthy Python’s Flying Circus. Behutsam strecke ich abwechselnd das linke und rechte Hosenbein in die Luft, in die das Weichtier seine knochenlosen Tentakel gezwängt hat. Die linke Maustaste hebt das linke Bein, die rechte das andere. Dann muss ich bloß noch rhythmisch die Maus nach vorne schubsen und schon stolpert der Krakenvater elegant vorwärts. Oder aber ich randaliere einfach durch die Gegend, schwinge die Beine mit wilden Mausbewegungen durch den Raum und reiße alles Zerbrechliche ins Chaos. Wer möchte, kann auch mit dem 360-Controller steuern: Das flutscht sogar schneller und einfacher, weil man dann gleichzeitig Dinge greifen und die Beine mit den Schultertasten anheben kann.

Das chaotische Herumspinnen gehört zu den unterhaltsamsten Elementen und wird zum Glück nur dann bestraft, wenn ich mich extrem dämlich in der Öffentlichkeit anstelle. Ein paar versehentliche Tritte ins Gesicht anderer Figuren und schon füllt sich die Tintenanzeige. Ist sie voll, löst das aber keinen Alarm aus wie in einem Schleichspiel. Stattdessen geht es zurück an einen der großzügig verteilten Checkpoints.

Multifunktions-Saugnapf

Lustig ist auch das Grabschen mittels Saugnapf: Nach einem Druck auf die Leertaste kann ich mit einer Hand-Tentakel vor mir herumrudern und per Mausklick Dinge greifen. Dann öffne ich Türen, verschütte die Hälfte des Kaffeepulvers auf dem Weg zur Maschine oder schleife irgendwelchen nutzlosen Krempel mit mir herum, den ich versehentlich mit dem Saugnapf erwischt habe.

Natürlich muss Octodad all das erledigen, was für einen glitschigen Mollusken nicht gerade alltäglich ist: Den Rasen mähen, im Ozean-Themenpark über wackelige Klettergerüste balancieren oder zentimetergenau Frikadellen wenden, ohne die eigenen Tentakeln zu grillen. Auch der Ausflug ins Aquarium wird zum Spießroutenlauf: Dort lungern schließlich jede Menge bärtige Meeresbiologen herum, welche ein Weichtier wie ihn schnell erkennen.

Geschicklichkeit statt Schleich-Einlagen

Im Koop-Modus teilen sich zwei bis vier Spieler die Extremitäten.
Schade, dass die Schleichsequenzen so simpel gestrickt sind: Meist muss ich lediglich über einen sichtgeschützten Umweg balancieren oder z.B. durch Tricks einen Alarm auslösen. Trotzdem macht es Spaß, kurzzeitig wie Solid Snake unter einer Kiste umher zu watscheln. Ab und zu gestaltet sich die Action übertrieben fummelig, z.B. im Bosskampf gegen den fiesen Koch, der Octodad ständig verfolgt. Auch beim Erklimmen einer Rolltreppe musste ich die Empfindlichkeit bis zum Maximum aufdrehen und die Maus wie ein Gestörter über das Pad wuchten, um die Beine schnell genug in die Höhe zu schleudern. Solche Momente nerven zwar, rufen allerdings auch ins Gedächtnis, dass alltägliche Dinge wie Treppen für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte zur mühsamen Barriere werden können.

Meist bewegt sich der Schwierigkeitsgrad aber ohnehin auf einem einsteigerfreundlichen Level. Wer mehr Herausforderung braucht, kann versteckte Objekte suchen oder die Levels mit Timer in Rekordzeit meistern. Für etwas Abwechslung nach dem Durchzocken sorgen außerdem von Usern erstellte Levels aus dem Steam-Workshop: Sie reichen vom freien Fall über den obligatorischen Mario-Klon bis hin zu chaotischen Geschicklichkeitstests in der Schwerelosigkeit. Oder aber man zerrt einen Freund vor den Rechner und steuert den Kraken gemeinsam. Einer hebt das linke Bein, der andere das rechte. Das gestaltet sich zwar noch wackeliger als ohnehin schon, sorgt aber für ein lustiges Wirrwarr und panische Kommandos. Sind genügend Freunde und Controller vorhanden, kann man sogar zu viert loslegen.

Verdammte Rolltreppen!

Alberne und leise Töne

Trotz aller Albernheiten hat mich auch die eigentlich abstruse Geschichte positiv überrascht: Wenn die Tochter oder andere Familienmitglieder ihrem Vater in kniffligen Momenten beistehen, kommt es immer wieder zu rührenden Momenten. Im Laufe des Spiels wird klar, dass seine Familie ihn für seinen wahren Charakter liebt - obwohl Octodad das Paradebeispiel für eine Person ist, die ihrem Umfeld etwas vorspielt. Auch die professionelle englische Synchro und die lustigen bis nachdenklichen Melodien erzeugen viel Atmosphäre. Richtig cool hören sich auch die mannigfaltigen Blubberlaute des Protagonisten an.

Fazit

Glückwunsch an die Young Horses: Beim ersten Blick auf den Trailer habe ich Octodad als albernes Experiment abgehakt, doch der charismatische Kraken hat mich positiv überrascht. Nach einer Gewöhnungsphase ist es herrlich durchgeknallt und herausfordernd, mit dem wackeligen Mollusken durch den Alltag zu torkeln und ganz nebenbei die halbe Welt auseinanderzunehmen. Ab und zu wird der Spießroutenlauf zwar zu fummelig; meist überwiegt aber die Freude über das Bezwingen zerbrechlicher Gerüste und über Octodads albernes Geblubber. Auch in der Geschichte kommt es trotz allem Slapstick immer wieder zu rührenden Momenten, in denen mir Octodad und seine Familie ans Herz gewachsen sind. Das Spiel ist zwar kein ausgewachsener Randale-Simulator wie Rabbids Go Home, aber als kurzer Arcade-Snack hat er aber für richtig gute Laune gesorgt.

Pro

herrlich überdrehtes Herumtorkeln
knifflige Balanceakte
alberner Humor
sympathische Figuren
herzerwärmende Geschichte
farbenfrohes Art-Design
teils schwungvolle, teils bedächtige Ohrwürmer
lustige User-Levels per Steam-Workshop
professionelle englische Synchro
Offline-Koop mit lustigem Koordinations-Chaos

Kontra

ein paar frustrierende Hürden
nur wenige, zu simpel aufgebaute Schleichsequenzen
nur zwei bis drei Stunden kurz
keine deutsche Vertonung
etwas detailarme Kulissen

Wertung

PC

Durchgeknallt, knifflig und liebenswert: Der wacklige Balanceakt auf acht Beinen ist eine Riesengaudi - trotz einiger Frustmomente.

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