Test: Vampire: Die Maskerade - Bloodlines (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Activision
Release:
19.11.2004
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ab 10,00€
Spielinfo Bilder  
Spuk- und Splatterhorror

Vampire bietet zudem einige bitterböse und dramaturgisch famos eingeleitete Überraschungen, die sowohl Fans des subtilen als auch blutigen Horrors verzücken werden. Einfach grandios wurde z.B. der Ausflug ins verfluchte Hotel inszeniert, das von Geistern bewohnt wird. Eigentlich sollte man sich als Vampir ja keine Gedanken über Gespenster machen, aber spätestens, wenn die ersten Glühbirnen
Nur wer gut schleichen kann, wird ohne Gewalt weiterkommen. Die dünne Leiste (links) zeigt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung ist.
platzen, Bilder von der Decke auf euch zufliegen, Treppen einstürzen und Kinderstimmen jammern, kriegt man auch als Blutsauger eine Gänsehaut. Hier werden wohlige Erinnerungen an die paranormalen Höhepunkte des GameCube-Klassikers Eternal Darkness wachgerufen.

Aber Vampire hat auch eine derbe Fratze, die wiederum Splatter-Fans ansprechen dürfte: In der Kanalisation treibt z.B. ein Menschenfresserkult sein Unwesen und in den düsteren Kellern unter blitzsauberen Büros geht es mit Skalpell und Säge chirurgisch zur Sache. Und spätestens, wenn man die schummrige Kultisten-Absteige schlurfender Zombies betritt, weht auch der faulige Hauch von Resident Evil durch Los Angeles. Das Team von Troika spielt gekonnt auf der ganzen Klaviatur des Horrors und überrascht mit kreativen Szenarien, die nie Langeweile aufkommen lassen.

Stadt der Vampire

Eigentlich sollen die Vampire ja laut Story 100.000 zu 1 unterlegen sein, dennoch wirkt das virtuelle Los Angeles eher wie eine von Blutsaugern, Ghulen und Werwölfen bewohnte Metropole mit einer menschlichen Minderheit. Aber auch wenn dieses Übermaß an Übernatürlichkeit konservative Freunde des Pen&Paper-Systems stören wird, verströmt das Abenteuer von der ersten Sekunde an eine herrlich morbide Atmosphäre. Das Team von Troika hat es geschafft, die moderne Welt von Draculas Erben in all ihren Facetten darzustellen. Und wer sich fragt, warum sie sich Kainskinder nennen und was die Bibel mit all dem zu tun hat, wird im Laufe des Spiels mit den Fundamenten des Vampir-Mythos vertraut gemacht.

Die zubeißende Gesellschaft erscheint als komplexes Gebilde mit interner Hierarchie und politischen Grabenkämpfen. Da gibt es ein reiches Establishment, idealistische Anarchisten und brutale Terroristen. Ihr seid zu Beginn nur ein Spielball des Prinzen, aber mit wachsender Macht könnt ihr in die eine oder andere Richtung rollen. Die Story bietet trotz ihres linearen Einstiegs einige Möglichkeiten, den eigenen Weg zu finden oder die Fraktionen zu testen. Und wenn der Vorhang fällt, warten immerhin mehrere Enden auf euch!

Freiheit in Grenzen

Die vier Stadtteile sind wesentlich größer als die von Deus Ex: Invisible War  und abwechslungsreicher als die von Thief: Deadly Shadows . Hinzu kommt, dass die Kulisse architektonisch wunderbar eingefangen wurde: Es gibt verrottete Hotels und Luxus-Wolkenkratzer, schummrige Bars und kleine Restaurants. Zusammen mit der spärlichen Beleuchtung, dem ständigen Regen und den deprimierten Gestalten fühlt man sich umgehend in einen Anne Rice-Roman versetzt.

Wichtige Hinweise finden sich oft auf PCs. Wer das Hacken beherrscht kann Codes knacken. Andere müssen nach Hinweisen suchen.
Das Leveldesign erinnert mit seiner Kanalisation, den engen Gassen sowie den vielen Lüftungsschächten und Kellern an die vielen Wege in Deus Ex: Invisible War . Wer lästigen Schießereien aus dem Weg gehen will und genau hinschaut, kann sich  durch bröckelnde Wände zwängen oder Lastenzüge nutzen.

Und wer durch die Gassen streift, wird auf Passanten treffen, Sprayer beobachten oder Zeuge von Schießereien. Insgesamt gibt es von diesen geskripteten Ereignissen aber zu wenige. Nur auf den ersten Blick kommt ein Gefühl der Freiheit auf, aber auf den zweiten erkennt man, dass man hier leider kein GTA für Vampire vor sich hat. Es gibt klare Beschränkungen wie z.B. den fehlenden Auto- oder Busverkehr - nur ein Taxi wartet pro Viertel auf zahlende Kunden. Außerdem kann man nicht jeden Passanten ansprechen, nicht jedes Gebäude betreten - schade.

Viel ernüchternder ist jedoch, dass ein Großteil der Figuren einfach geklont wurde: Vor allem bei den Obdachlosen gibt es nur zwei Varianten. Und ganz extrem sieht`s bei den Polizisten aus: Auf dem Frachter gibt es ein Dutzend eineiige Gesetzeshüter, die alle die gleiche Sonnenbrille, Frisur und Haltung haben - arrrgh! Hätte man hier nicht wenigstens ein paar unterschiedliche Typen designen können? Warum haben die Polygonkünstler hier so faul auf Copy&Paste zurückgegriffen? Hier wird die Illusion einer echten Bevölkerung leider zu schnell zerstört. Dabei hat schon Shenmue auf Dreamcast bewiesen, dass man eine Stadt mit einzigartigen Individuen füllen kann.
            

Kommentare

casanoffi schrieb am
Und mach Dir keine Gedanken, was geschnitten/ungeschnitten betrifft.
Die deutsche "geschnittene" Version wurde nur um eine einzige kurze Szene im Vorspann verändert
Spoiler
Show
als vor dem Tribunal der angeklagte Vampir enthauptet wird
Guffi McGuffinstein schrieb am
Rutgar hat geschrieben:Absolut korrekt und wichtig! Mit diesem Patch ist das Spiel in meinen Augen eins der besten aller Zeiten :)
Voll Zustimmung. Allein der Wiederspielwert ist enorm mit den verschiedenen Clans und unterschiedlichen Enden. Ich hab' am liebsten die weibliche Malkavianerin gespielt. Malks sind ja bekanntermaßen etwas durchgeknallt und das merkt man dann auch in den Dialogzeilen. Sogar die Schrift ist bei denen ja anders. :D
Von daher: Nicht auf YouTube gucken, sondern selber spielen! Kostet doch so gut wie nix mehr.
Rutgar schrieb am
casanoffi hat geschrieben:Falls Du es Dir zulegst - besorge Dir unbedingt den aktuellen (inoffiziellen) Fan-Patch!
Ohne ist das Spiel ein technisches Desaster.
Absolut korrekt und wichtig! Mit diesem Patch ist das Spiel in meinen Augen eins der besten aller Zeiten :)
casanoffi schrieb am
Falls Du es Dir zulegst - besorge Dir unbedingt den aktuellen (inoffiziellen) Fan-Patch!
Ohne ist das Spiel ein technisches Desaster.
schrieb am