Rogue Legacy18.07.2013, Jan Wöbbeking
Rogue Legacy

Im Test:

Welcher Held darf’s sein? Ein blitzschneller Ritter mit ADHS und Rauschebart? Oder lieber sein kurzsichtiger Bruder, der sich besonders kräftig durch Spukmonster schnetzelt? Im bockschweren Rogue Legacy besitzt jede Generation der Schlosseroberer ganz eigene Stärken und Schwächen – mit einschneidenden Auswirkungen für den Spielablauf.

Welches Gebrechen hätten’s gern?

Entscheide ich mich z.B. für die kurzsichtige Erzmagierin Lady Prescilla, wird der Rand des Bildschirms unscharf. Ihr Bruder besitzt dagegen eine krankhafte Hühner-Phobie: Statt Energie spendende Hähnchenschenkel zu verspeisen, muss er vor wild gewordenen Exemplaren flüchten. Ein großer Held erreicht die schwebenden Kapuzenwesen leichter mit seinem Schwert. Plagt ihn zusätzlich eine neuronale Krankheit, erscheint aber der Text in spiegelverkehrter Form – oder es wird gleich das komplette Bild auf den Kopf gestellt.

Die Entscheidung für einen neuen Helden steht immer dann an, wenn man gestorben ist. Das Spiel übernimmt einige Elemente aus dem Genre der Rogue-likes: Der Held erforscht zufallsgenerierte Kerker, besteht extrem knifflige Kämpfe gegen Monster und rafft jede Menge Schätze zusammen. Anders als im rundenweise gespielten Vorbild Rogue wird das Abenteuer aber nicht aus der Vogelperspektive gezeigt, sondern inszeniert das Abenteuer als Plattformer - ähnlich wie Spelunky oder Castlevania. Der Protagonist versucht, seinen Geschwistern zuvor zu kommen und den sagenhaften Schatz aus dem Spukschloss zu erobern. Dazu hüpft er über fiese Stachelfallen und kämpft mit allerlei Waffen wie Schwertern, Wurfäxten und magischen Attacken gegen Geister, Skelette und andere aufdringliche Biester.

Nur die Harten kommen an die Beute?

Bei manchen Figuren steht die Welt auf dem Kopf, im Gegenzug können Sie viel einstecken.
Bei manchen Figuren steht die Welt auf dem Kopf, im Gegenzug können Sie viel einstecken.
Das Spiel nimmt die Grenzen seines Genres aber nicht bierernst. Die Gemäuer des zu erobernden Spukschlosses sind zufallsgeneriert. Doch sobald ich einen Architekt freigeschaltet habe, kann er den Aufbau konservieren, damit ich mich beim nächsten Anlauf cleverer anstellen kann. Mit der Hilfe von Portalen gelange ich z.B. blitzschnell wieder zum pink leuchtenden Totenkopf-Boss, der durch den finsteren Pixelwald schwirrt. Kostenlos ist die Schloss-Konservierung aber nicht: Im Gegenzug muss ich einen Teil meines Goldes an den Architekten abdrücken.

Auch Unmengen rollenspieltypischer Extras erleichtern die Streifzüge der Nachfahren.  Statte ich die Familien-Burg mit einem Trainingsraum aus, bauen die Nachkommen stärkere Muskeln auf. Siedle ich einen Schmied und eine Zauberin an, kann ich das ergatterte Gold meiner Streifzüge fortan in bessere Ausrüstung und magische Tricks wie einen Doppelsprung investieren. Auch mein Gesamt-Level wird quasi vererbt. Äußerst nützlich ist auch die Zeitlupe. Sie saugt den Mana-Balken zwar blitzschnell leer, hilft aber bei Bosskämpfen und im hektischen Projektilhagel.

Alte Schule

Der Projektilhagel des Glubschauges erinnert an Shoot-em-ups.
Der Projektilhagel des Glubschauges erinnert an Shoot-em-ups.
Das System bietet einen guten Kompromiss zwischen knackigem Oldschool-Gemetzel und hilfreichen Extras. Wer genug Mut, Können und Wahnsinn mitbringt, kann sich natürlich an einem Speedrun ohne Exitus versuchen. Wer es nicht ganz so erbarmungslos mag, wird hier aber auch bedient: Da der Held je nach Statur und Rüstung einige Treffer aushält, ist der Ablauf für Neulinge deutlich weniger frustrierend als in Spelunky. Der Trip führt durch den finsteren Wald, Kerker im Maya-Design und birgt viele Geheimnisse und versteckte Gänge. Um manche Truhen zu öffnen, muss man kleine Herausforderung wie das Erlegen aller Biester oder das Durchqueren ohne Energieverlust bestehen.

Die schlichten Angriffsmuster lassen die Kämpfe auf Dauer aber fade werden. Das pixelige Design steht den Rittern, Wölfen und schwebenden Dämonen zwar gut, aber solch eine Oldschool-Aufmachung muss nicht bedeuten, dass Gegner und Bosse nur simple Bahnen abklappern dürfen. Zugegeben: das Studieren verlässlicher Bewegungen ist ein elementarer Bestandteil von Rogue-likes, doch die Entwickler hätten deutlich mehr Abwechslung in die Kämpfe bringen können.

Schmied, Zauberin und das ausbaubare Anwesen versorgen die Nachfahren mit nützlichen Extras.
Schmied, Zauberin und das ausbaubare Anwesen versorgen die Nachfahren mit nützlichen Extras.

Sammelwahn

Dass es trotzdem auch nach Stunden nicht langweilig wird, liegt an den vielen kleinen Boni und Geheimnissen: Es warten verwunschene Wälder, geheime Durchgänge und vor allem viele lustige Extras zum Aufmotzen der Nachfahren. Schade, dass keine analoge Steuerung unterstützt wird. Der Stick des 360-Controllers wird zwar unterstützt, aber nur digital abgefragt: Es gibt nur Vollgas oder Stillstand. Wer möchte, kann aber immerhin die Tasten von Joypad oder Tastatur frei belegen.

Fazit

Verdammt, schon wieder tot! Wer sich in die Kerker von Rogue Legacy wagt, muss eine hohe Frusttoleranz mitbringen. Ganz so erbarmungslos wie in Spelunky oder klassischen Genre-Vertretern wird es aber nicht. Cellar Door Games lockert seinen gnadenlosen Plattformkampf geschickt mit rollenspieltypischen Upgrades und anderen motivierenden Extras auf. Das Salz in der Suppe sind natürlich die vererbten Gebrechen und Fähigkeiten der Nachfahren. Wer einmal über Kopf durchs Gegnerchaos gehüpft ist, wird vermutlich nicht mehr so schnell zu einer Figur mit neuronalen Störungen greifen – auch wenn sie noch so viele Schläge einstecken kann. Schade, dass die Entwickler beim Gegner-Design nicht ähnlich kreativ waren. Die vielen kleinen Pixel-Biester sehen zwar knuffig aus, attackieren aber mit schrecklich altbackenen Angriffsmustern. Das Erforschen von Extras und Gesetzmäßigkeiten macht die knifflige Entdeckungsreise trotzdem spannend.

Pro

gelungener Mix aus Anspruch und helfenden Extras
cool designte Oldschool-Monster... 
knackiger Geschicklichkeitstest
Unmengen lustiger Magie- und Waffen-Extras
humorvolles Nachfahren-System
eingängige Chiptune- und Gitarren-Melodien

Kontra

auf Dauer zu wenig Abwechslung
...Gegner bieten aber nur simple Angriffsmuster
keine Analog-Steuerung

Wertung

PC

Knackiger Plattformer mit Unmengen lustiger Extras für Freunde zufallsgenerierter Action.

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