Politische Einbahnstraße
Zwar kann man pro Gebäude noch die Zuschüsse erhöhen und somit die Arbeitsverhältnisse verbessern sowie einen Manager mit speziellen Fähigkeiten wie Umweltschützer einstellen, aber dieses Mikromanagement ist vollkommen überflüssig. Wen interessiert die Schönheit der Umgebung, wenn man nicht konkret weiß, wie sich das auf die Zufriedenheit in dieser regionalen Nachbarschaft auswirkt? Das sind alles nur Placebos. Wer komplexere Aufbaustrategie kennt, wird die einfachen wirtschaftlichen Prinzipien jedenfalls zu schnell durchschauen und sein Konto zu rasch füllen, zumal es neben dem automatisierten (!) Export auch noch immer wieder lukrative Zusatzangebote über Schmuggler gibt.
Fatal für den Spielspaß ist, dass abseits dieser leichten Wirtschaft auch die Politik nur scheinbar offenen Pfaden, aber letztlich einer Einbahnstraße folgt - mir ist das für ein Tropico alles zu glattgebügelt und berechenbar, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Man fühlt sich fast wie der Präsident einer Demokratie, der auf alles warten muss! Ich hatte viel zu selten Konflikte mit Rebellen oder ausländischen Mächten, obwohl ich z.B. über Jahre gezielt die Krone provoziert habe – trotzdem wird mein Mandat verlängert. Warum? Diese Inkonsequenzen lassen mich einfach weiter scheffeln, wo es nur geht. Und wenn es mal kracht, dann hat man kaum taktischen Einfluss auf die seltsam animierten Scharmützel – aber das ist letztlich verschmerzbar.
Unabhängigkeit? Egal!
Die Berater sorgen zwar für Stimmung und Feedback, aber letztlich gibt es kaum außenpolitische Konsequenzen, wenn man gegen den Strom schwimmt.
Aber dass eine Unabhängigkeitserklärung fast untergeht, weil es nur ein Klick, aber keine Aktion ist – das ist schmerzhaft! Und wo sind z.B. die Versprechen und die Reden vor Wahlen, die mich persönlicher an mein Volk gebunden haben? Die Zustimmung des Volkes ist letztlich in nahezu allen Spielen nur eine Statistik, die ich über bestimmte Gebäude beeinflussen kann – aber man hätte die Illusion von Charisma und Rhetorik über diese Reden erzeugen können, meinetwegen mit Multiple-Choice. Ich kann ja nicht mal selbst in El Presidente schlüpfen und durch die Straßen wandern! So sind mir die politischen Gedanken der Bewohner letztlich vollkommen schnuppe. Es gibt ja auch keine Gefängnisse mehr, keine Arbeitslager…
Immerhin kann ich jeden Bewohner anklicken und diskreditieren, bestechen, töten oder verbannen. Ist das nötig? Nein! Und das ist fatal für ein Spiel, das ja mehr sein will als ein karibisches Tycoon. Zwar hat man auf der innenpolitischen Ebene durchaus Einfluss auf die Verfassung, aber man muss da auch immer brav warten: Man kann beim Wahlrecht, bei Kirche/Staat sowie Militär je eine von drei Statuten festlegen – z.B., dass nur Männer, Reiche oder alle wählen dürfen. Der wichtigere Wert ist aber die etwas schwammige Zufriedenheit und die damit verknüpfte Zustimmung, denn sie muss über 50% liegen, damit man am Ende der Amtszeit weiter reagieren darf. Warum ich bisher noch nichts vom Tourismus erzählt habe? Weil er
Karibisches Wuselflair will nicht aufkommen: Zu steril wirkt die Welt, zu oberflächlich ist die Interaktion zwischen Präsident und Bewohnern.
kaum noch eine tragende Rolle spielt, vor allem nicht in der ersten Zeitspanne – erst in der Moderne kommt er in Fahrt, wenn man schon längst sehr profitabel ist, und man hat hier nur noch rudimentäre Möglichkeiten.
Wo ist der Karibikeffekt?
Dieses Tropico 5 ist nichts für Wuselfreunde oder Fans von möglichst realistischen Miniaturwunderländern – oder wann habt ich dir erste „Highschool“ in der Kolonialzeit gesehen? Von der Mode des El Presidente oder der Bewohner ganz zu schweigen. Das Artdesign mutet zunächst charmant an, aber wird immer mehr zu einem Füllhorn an Anachronismen. Es lohnt sich also nicht, mit der Kamera näher an das Geschehen heranzufahren: Erstens passiert nicht wirklich etwas Interessantes oder Lustiges. Zweitens sehen die Bewohner nicht individuell genug aus. Drittens entlarvt man so viele kleine Inkonsequenzen wie plötzlich verschwundene Schubkarren oder viel zu schnell rasende Arbeiter.
Regelrecht plump wirkt zudem der Wechsel von der Kolonialzeit in die Zeit der Weltkriege: Die Autobahnen scheinen fast vom Himmel zu fallen! Da hätte man behutsamer den Schritt in die Moderne vorbereiten müssen. Hinzu kommen kleine Unstimmigkeiten im Gewusel: Warum ziehen Obdachlose nicht in freie Wohnungen? Warum kann ich da überhaupt so wenig an Häusern bauen? Warum wird nicht produziert, obwohl eine Fabrik voll besetzt ist und die Rohstoffe nicht erschöpft sind?