Space Colony12.10.2003, Bodo Naser
Space Colony

Im Test:

In Space Colony (ab 21,96€ bei kaufen) kommt es nicht nur darauf an, dass Ihr Euch die fiesen Aliens vom Hals haltet und möglichst viel Ressourcen scheffelt. Ganz nebenbei müsst Ihr Euch bei der Simulation der Stronghold-Macher auch noch um die ausgeflippte Crew Eurer Raumkolonie kümmern. Ob der Mix aus Aufbaustrategie und The Sims genauso viel Spaß macht wie das Kommando über eine mittelalterliche Festung, erfahrt Ihr im Test!

Fern der Heimat

Das Innere einer Raumstation durftet Ihr bislang nur in Startopia gestalten. Firefly, die Entwickler der erfolgreichen Burgenbau-Simulation Stronghold, lassen Euch nun gleich eine ganze Kolonie auf einem fernen Planeten errichten. Wer seine Kolonisten aber wie einst zu Frondiensten verpflichtete Leibeigene behandelt, wird schnell scheitern.

Hier ist eher moderne Personalführung gefragt. Soll heißen, Ihr müsst die Bedürfnisse Eurer Mannschaft befriedigen, die im wesentlichen Wert auf einen Schlafplatz, nahrhaftes Essen und ein wenig Unterhaltung legt. In der 20-köpfigen Crew gibt es leider auch welche, die nicht so leicht zufrieden zu stellen sind. So müsst Ihr schon mal ein ganzes Observatorium einrichten, da einer partout die Sterne beobachten will!

Enormer Spielumfang

Vom Umfang eines Space Colony können andere Aufbauspiele nur träumen. Der vom Schwierigkeitsgrad her variable Titel bietet insgesamt an die 50 teils komplexe Missionen, die in zwei komplette Kampagnen plus freien Sandkasten-Modus eingeteilt sind. Die erste ist mit Story-Häppchen garniert und handelt von der jungen Kolonistin Venus, die Karriere bei der Weltraumfirma Blackwater Industries macht. Bei der zweiten Kampagne ohne Story bestehen mehr Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich Eures Einsatzortes. Einen Multiplayer-Modus besitzt die in Echtzeit ablaufende Weltraumsimulation übrigens nicht - für langen Spielspaß ist trotzdem gesorgt.

__NEWCOL__Anspruchsvolles Gameplay

Nach dem flotten, aber wenig aufschlussreichen Tutorial fang Ihr am besten mit der storybasierten Kampagne an, deren Missionen kontinuierlich immer schwieriger werden. Die Missionsziele sind dabei höchst unterschiedlich: Einmal geht es darum, einen bestimmten Rohstoff zu ernten, ein anderes Mal müsst Ihr aus zwei Kolonisten ein Liebespaar machen oder eine Station vor Alien-Insekten beschützen. Im weiteren Verlauf könnt Ihr zwischen militärischen und zivilen Einsätzen wählen, von denen Letztere für Anfänger weniger frustrierend sein dürften. Insgesamt wurde der Schwierigkeitsgrad also deutlich angehoben.

Ausgeflippte Crew

Wer einmal ein paar Kolonisten von Blackwater Industries erhalten hat, wird sich wünschen, dass ihm nur pflegeleichte Roboter zur Verfügung stünden. Der Dienst auf den Kolonialplaneten scheint nicht sehr beliebt zu sein, denn wer dort arbeitet, kann getrost zum "Bodensatz" der Gesellschaft gezählt werden.

Gänzlich ungeeignete Figuren wie die nervige, texanische Putzfrau Tami sind ebenso mit von der Partie wie aufbrausende Oberloser, debile Farmersöhne oder kalifornische Modepüppchen. Aber das ist das Personal, mit dem Ihr auskommen müsst! Es fällt daher ein wenig schwer, die verschrobene Crew so richtig lieb zu gewinnen. Zum Glück gibt es auch arbeitsame Leute wie Venus, Stig und Nikolai, mit denen sich was anfangen lässt.

Sims lassen grüßen

Um Eure recht unselbständige Mannschaft wenigstens einigermaßen zur Arbeit zu bewegen, müsst Ihr deren sieben wichtigste Bedürfnisse ständig im Auge behalten. Das fängt bei ganz alltäglichen Dingen an, die sich mit einfachen Einrichtungen wie Bett, Dusche oder Kantine verwirklichen lassen. Dann kommt jedoch der "Sims-Faktor" durch: Das Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Kommunikation etwa kann nur durch ein kurzes Gespräch mit einem befreundeten Charakter gestillt werden.

Sind sich zwei nicht grün, kommen sie zum Ausdiskutieren in die im Stil der 70er-Jahre möblierte Kuschelecke. Wenn das nicht klappt, gibt es noch einen Boxring! Liebespaare sind da schon schwerer zu verbinden, erfordern sie doch ganz bestimmte romantische Einrichtungen. Und bei der Liebe sollte keinesfalls die schnöde Arbeit in die Quere kommen.

Brot und Spiele

Damit nicht genug, denn der gemeine Arbeiter will auch unterhalten werden. Für die einen tut es eine Tanzfläche zum Abrocken, wieder andere brauchen eine Sauna, eine ausgewachsene Bar oder gar eine eigene Shoppingmöglichkeit. Für jene, die einen Hang zum Ausflippen haben, gibt es sogar einen Psychoroboter, wo sie ihr Herz ausschütten können. Manch einer benötigt auch einfach einen kurzen Aufenthalt in der Gummizelle, deren Wände im Jahr 2153 freilich aus Energiestäben bestehen. __NEWCOL__Über 80 Einrichtung gibt es insgesamt, von denen Ihr nicht immer alle errichten müsst, um zu gewinnen. Schon am Anfang solltet Ihr peinlich darauf achten, nicht zu viel des raren Platzes zu vergeuden, da Ihr bei der nächsten Mission oft an derselben Station weiterbaut.

Arbeit, Arbeit, Arbeit

Für diejenigen, die derartig gefühlsduseliges "Gesimse" nur schwer ertragen, gibt es aber auch Handfesteres zu tun. Die Kolonie will beispielsweise mit Energie versorgt sein. Dafür ist ein Kraftwerk (Sonne, Iridium oder Lava) nötig sowie ein Arbeiter am Schaltpult. Ganz ähnlich funktioniert das auch bei der Sauerstoffversorgung, der Gewinnung verschiedenster Rohstoffe, dem Säubern der Räume, der Wartung der Maschinen, dem Sanitätswesen und der Erzeugung von Lebensmitteln. Für jede Arbeit muss stets ein dafür ausgebildeter Arbeiter bereit stehen. Mit Hilfe der Bibliothek könnt Ihr Eurer Crew neues Wissen beibringen. Wenn Ihr Euren Kybernetiker richtig einsetzt, könnt Ihr sogar Androiden bauen, die allerdings nur eine gewisse Lebensdauer besitzen.

Handel und Tourismus

An Geld kommt Ihr übrigens heran, indem Ihr mit der Galaxie handelt. Für von Euch produzierte Waren wie Space-Hühner, Argon-Gas oder Alien-Gelege wird im Weltall gutes Geld bezahlt. Der eigentliche Grund, warum Ihr von Blackwater Industries auf die teils unbeleuchteten Planeten geschickt werdet! Im Gegenzug könnt Ihr das erwerben, was Euch fehlt, wie z.B. Medikamente.

Das auf einem wüsten Planeten auch ein Paradies für Weltraum-Touristen entstehen kann, könnt Ihr dann im weiteren Spielverlauf zeigen. Was ein wenig an Tropico erinnert, ist nicht ganz einfach, da ein Raumhafen und ein Hotel allein nicht ausreichen. Die Touristen wollen richtige Attraktionen wie einen Golfplatz oder einen Alien-Zoo haben. Keinesfalls förderlich ist es jedoch, wenn einer der Gäste von einem Außerirdischen gemampft wird!

Aliens greifen an!

Die Verschrobenheit der Crew wird nur noch von einem übertroffen - der Vielfalt des außerirdischen Lebens. 20 Alien-Rassen gibt es, die vielen seltsamen Pflanzen gar nicht mitgezählt: Gackernde Space-Hühner, putzige Nager, nervige Felsenhüpfer, mäßig intelligente Fibulaner, mutierte Bienen und tödliche Protoraptoren sind nur einige davon. Bisweilen ist es daher erforderlich, Eure Kolonie gegen die oft massenhaft auftretenden Feinde zu verteidigen. Dafür stehen Euch Abwehrmaßnahmen vom einfachen Zaun über automatische Laser bis hin zum Raketensilo zur Verfügung. Ein dafür geeignetes Crewmitglied im Laserstand hält gleich ein komplette Armee von Aliens fern. Die Kämpfe erreichen dennoch nicht das Niveau von Stronghold, wo ganze Heere gegen die Burgmauern anrannten. Trotzdem erinnert der mechanische Laserwachhund entfernt an die wilden Biester aus dem Zwinger der Burg.

Bedienung

Die Simulation spielt sich per Maus eigentlich ganz flüssig, obgleich es bisweilen schwer ist, die einzelnen Arbeiter in dem Durcheinander der vermüllten Station überhaupt zu finden. Zum Glück hilft hier die Leiste mit den Gesichtern rechts unten. Dennoch gestalten sich die zwischenmenschlichen Angelegenheiten ziemlich schwer, da man hier häufig daneben klickt oder auch schon mal den Falschen erwischt. Warum Ihr die Außenanlagen nicht verschieben dürft, weiß niemand. __NEWCOL__Viele Dinge ließen sich auch schlicht automatisieren: Warum muss man beispielsweise den einzelnen Mitgliedern ihre Betten per Hand zuweisen? Oder wieso geht ein Arbeiter nicht schon früher zum Essen und wartet nicht bis kurz vorm Verhungern?

Bunte 2D-Optik

Über die 2D-Optik von Stronghold konnte man durchaus streiten, war sie doch insgesamt etwas farblos geraten. Diesen Vorwurf kann man Space Colony nicht mehr machen, was Ihr schon am flippigen Cover des PC-Spiels seht. Die Entwickler setzen dabei wieder voll auf eine zweidimensionale Darstellung mit isometrischer Sicht.

Sicher kein Nachteil, erfreut sich das Auge des Spielers doch an vielen bewegten Details, wie sich im Wind wiegende Pflanzen, Luftblasen oder Duftwolken. Die kniffligen Missionen spielen auch in ganz unterschiedlichen Umgebungen. Es gibt aber leider zu wenig vorgerenderte Filmchen, die man gern nach jeder Mission sehen würde. Ein Stück weit wettgemacht wird das von den für Firefly ebenfalls typischen, animierten Gesichtern, die rechts unten ihre akustischen Kommentare von sich geben.

Passender Sound

Wer bei der hektischen Musik während der Menüauswahl meint, dass die Klänge im Spiel genauso nervig seien, wird zum Glück eines Besseren belehrt. Denn die sphärische Musik in den Missionen bleibt immer hübsch im Hintergrund und stört überhaupt nicht. Auch die vielen technisch anmutenden Geräusche passen gut in das futuristische Szenario. Leider nicht so gelungen ist die deutsche Sprachausgabe, die zwar professionelle Stimmen bietet, aber auch bisweilen unfreiwillig komisch klingt, etwa wenn Norweger Stig seinen Smörrebröd-Koch aus der Muppet-Show gibt.

Fazit


Space Colony von Firelfly besitzt eigentlich alles, was ein gutes Aufbauspiel ausmacht: Ein witziges Spielkonzept, abwechslungsreiche Aufträge und eine hochauflösende 2D-Grafik sorgen für lang anhaltenden Spielspaß. Trotzdem will der Zündfunke nicht so recht überspringen, was vielleicht auch am abgespaceten Szenario liegt. Eine steinerne Burg ist einem eben doch näher als eine durchscheinende Biosphäre auf einem fernen Planeten. Auch der Multiplayer-Modus von Stronghold machte viel Spaß, hier gibt es leider gar keinen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Eure Mannschaft gar so unselbständig ist, dass Ihr fast noch mit jedem aufs Klo gehen müsst. Den verschärften Schwierigkeitsgrad kann man hingegen auch als Herausforderung ansehen. Die knifflige Weltraumsimulation wendet sich also an die Generalisten, denn für Freunde der Sims gibt es zu wenig Herzschmerz und Hardcore-Strategen werden sicher schnell von ihrer Crew angenervt sein. Trotz alledem ein überdurchschnittliches Spiel, das man empfehlen kann!

Pro

<li>zwei umfangreiche Kampagnen</li><li>insgesamt 48 Missionen</li><li>abwechslungsreiche Aufträge</li><li>Persönlichkeit der Arbeiter wichtig</li><li>80 verschiedene Bauten</li><li>20 teils lustige Aliens</li> <li>bunte 2D-Grafik</li><li>sphärische Hintergrundmusik</li><li>Holografie als Cover</li>

Kontra

<li>teils frustrierender Schwierigkeitsgrad</li> <li>ständig um Crew kümmern</li><li>teils umständliche Steuerung</li><li>Tutorial bringt wenig</li><li>kein Multiplayer-Modus</li><li>wenig Filmchen</li>

Wertung

PC

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