Im Test: Magier auf Scherbenwelten
Achtung: Dauerhafter Monsterbefall
Verdammt nochmal! Jetzt sind zum vierten Mal Monster neben meiner Hauptstadt erschienen. Und wieder habe ich keine Truppen zurückgehalten, um sie zu bekämpfen – wie auch, wenn der Kampf an der Front Opfer ohne Ende fordert. Also muss ich erneut kostbares Mana nutzen, um den Zombies mit einem Kampfzauber einen Strich durch die Rechnung zu machen. Im Anschluss werde ich mich dann mit einer Gruppe Bogenschützen auf die Suche nach ihrer Gruft machen müssen – denn es erscheinen nicht nur die nervigen Viecher selbst, sondern immer auch ein Lager, das ausgeräuchert werden muss.
Inbesondere wenn ich schon seit mehr als 300 Zügen an einer Partie sitze, nervt der ständige Monsterbefall bereits gesäuberter Gebiete. Mal sind es nur Wölfe, mal ausgewachsene Drachen, die in meinem Hinterland Amok laufen und nichts als Ressourcen (und Nerven) kosten. Ja, die Partien werden dadurch anspruchsvoller, aber auch erheblich zäher – zumal mit diesem Kniff eine erschreckend schwache Feind-KI überspielt wird , die im mittleren Schwierigkeitsgrad Probleme damit hat, von der eigenen Weltenscherbe herunterzukommen.
Von Scherbe zu Scherbe
Moment mal – Weltenscherbe? Ja! In Warlock 2 – The Exiled siedelt man nicht wie im Vorbild Civilization auf einer zusammenhängenden Karte, sondern auf Weltenscherben, die durch Portale miteinander verbunden sind. Jede Scherbe besitzt einen eigenen Umgebungstyp und eigenes Kroppzeug, das mir als Großmagier das Leben schwer macht. Es gibt u.a. Wüsten, Eis-Ebenen, totes Land, subtropische Paradiese und gemäßigte Zonen. Jede Umgebung begünstigt unterschiedliche Ressourcentypen: Eine grüne Ebene ist perfekt für die Landwirtschaft geeignet, während totes Land gut für die Manaproduktion ist. Apropos Mana: Dies ist notwendig, um Zauber zu wirken und magische Armeen zu unterhalten. Wie in Age of Wonders kann ich über ein Zauberbuch Feuerbälle regnen lassen, Landschaften verändern oder Einheiten heilen.
Genau wie in Civilization 5 errichte ich Städte, die mit ihrer Bevölkerung wachsen. Bei jedem Stufenanstieg kann ich ihn ihrem Umkreis ein Gebäude platzieren, wobei die Umgebung Auswirkungen auf die Kosten und die Ressourcenproduktion hat. Diese ist deutlich komplexer zu managen als bei Age of Wonders 3: Es gibt mit Gold, Nahrung, Mana und Wissen vier Rohstoffe, die sorgsam austariert werden müssen. Jede der Produktionsstätten kann mit Spezialgebäuden wie Mühlen oder Finanzämter verbessert werden, sodass schnell auf eine Ressource spezialisierte Städte entstehen. Neutrale oder feindliche Städte können eingenommen und eingegliedert werden, was den Zugriff auf Einheiten und Verbesserungen anderer Rassen ermöglicht.
Produktive Wirtschaft
Bis dahin muss ich dafür aber ziemlich vorsichtig vorgehen, denn je weiter ich von Weltenscherbe zu Weltenscherbe vordringe, desto haariger werden die Kämpfe mit den Monstern. Mein Ziel: Die Eroberung von Ardania, die Zentralwelt. Diese wurde nach dem Ende des Vorgängers von einem anderen Großmagier erobert – und das kann so natürlich nicht bleiben. Die dünn inszenierte Handlung der "Rückkehr nach Ardania" ist im Spiel bedeutungslos und bietet nur ein Ziel für die Kampagne. Dazu kommen kleinere Nebenquests à la „Baue einen Hafen“. Spannend geht anders, zumal viele der Anweisungen nicht nur einfach, sondern auch blödsinnig sind. Warum sollte ich z.B.an einem 2x2 Felder großen See einen Hafen errichten, wenn der nur wertvolle Ressourcen und Bauplatz kostet? Immerhin gibt es auch an den Portalen kleinere Aufgaben, die aber durch Kampf oder Geld ebenfalls schnell gelöst sind. Der Modus "Legacy of Warlock" funktioniert ähnlich - allerdings können hier die Siegbedingungen selbst gewählt werden.
Bedienungsfrust
Allerdings gibt es auch so richtig nervige Quests, die in Kombination mit dem furchtbar unübersichtlichen Interface gravierende Folgen haben können. In meiner ersten Partie traf ich auf einen Magier, der drohte, so lange Terraforming-Zauber in meinen Welten zu wirken, bis ich einen mächtigen Spruch gefunden hätte. Allerdings brauchte ich für diese Aufgabe viel Gold um mir Informationen von einer Hexe zu kaufen. In den allgemeinen Kriegswirren im Anschluss geriet der Magier völlig in Vergessenheit – bis seine Globalzauber zur Auslöschung ganzer Städte führten. Dies wiederum hatte in einer selbstverschuldeten Wirtschaftskrise den Zusammenbruch meines Reiches zur Folge. Prinzipiell würde ich ja sagen: selber Schuld! Allerdings werde ich in jeder (!) Runde an Portalen ungefragt daran erinnert, dass ich noch eine Quest zu erledigen habe. Warum nicht bei einer so gravierenden Aufgabe?
Sinnlose Diplomatie, schwache Religionen
Ebenso fragwürdig, weil völlig sinnlos, ist die Diplomatie. Viel mehr als Bündnisse schließen, Ressourcen bzw. Forschung tauschen oder Krieg erklären ist mit den dumpfbackigen KI-Kollegen nicht drin. Da es keinen Diplomatiesieg gibt und die KI sich ohnehin nicht sehr geschickt anstellt, habe ich bald darauf verzichtet überhaupt diplomatisch vorzugehen. Zudem funktioniert das System teilweise gar nicht: In einer Partie wurde ich von einem Computerspieler jede zweite Runde gefragt, ob ich nicht sein Verbündeter sein möchte. Dass ich jedes Mal (!) auf ja klickte, hielt ihn nicht davon ab es immer wieder zu versuchen. Allerdings schaffte es dieser Spieler auch nicht, von seiner Weltenscherbe herunterzukommen. Falls die Intention war, einen totalen Vollidioten zu programmieren, ist Ino-Co Plus diesem Ziel sehr nahe gekommen.
Auch die Religionen sind eher überflüssig – obwohl die Idee zunächst überzeugt. Ich kann in jeder Stadt den Schrein von einer der acht Gottheiten errichten. Dies verschiebt meine Sympathie sowohl im Pantheon als auch bei den Mitspielern und ermöglicht mir den Zugriff auf neue Zaubersprüche. Während die Symphathie aufgrund der vermurksten Diplomatie eh zu vernachlässigen ist, sind auch die Zauber den Aufwand nicht wert und finden sich in anderer Form auch unter denen, die ich jederzeit erforschen kann. Zwar können auch einige neue Einheiten gebaut werden, aber hier wäre viel mehr drin gewesen.
Visuell einfach - taktisch simpel
Auch die Kulisse kann nicht mit der Konkurrenz mithalten. Sowohl Civilization 5 als auch Age of Wonders überflügeln die betagt und steril wirkenden Städte, Landschaften und Einheiten mühelos. Schatten, Effekte und Oberflächen wirken nicht zeitgemäß und viele Menüs sehen aus wie Platzhalter. Es fehlt ein schlüssiges Artdesign, welches die einzelnen Elemente zusammenhält. Immerhin: eine vorbildliche Einbindung von Modifikationen und der mitgelieferte Editor könnten in diesem Zusammenhang einige der Probleme beheben.
Fazit
Warlock 2 – The Exiled hat gute Ansätze, scheitert aber in der Kür. So überzeugen die Balance aus Komplexität und Übersicht im Ressourcenmanagement, der an Civilization 5 angelehnte Städtebau und die Rangaufstiege sowie Upgrades der Einheiten. Auch das ordentliche Kampfsystem gefällt und der Weltenscherben-Ansatz erschafft angenehm abwechslungsreiche Umgebungen. Allerdings vermiesen die schwache KI, das völlig vermurkste Diplomatie-System und die oberflächliche Religion den guten Eindruck. Dazu kommt, dass vieles während des Spielens einfach nervt: Sei es die unübersichtliche und ungenaue Bedienung, die viel mehr Klicks erfordert als nötig wären, seien es die ständig neu erscheinenden Monster oder sterile Menüs mit fehlerhaft eingebundenen Texte. An einigen Stellen wirkt die Rundenstrategie unnötig sperrig, nicht durchdacht und sogar unfertig. Schließlich macht die Kulisse einen veralteten Eindruck und kann nicht mit den malerischen Landschaften und Städten von Age of Wonders 3 oder Civilization 5 mithalten.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Gute Ansätze, aber Fehler in der Kür - Warlock 2 bietet solide Rundenstrategie, schwächelt aber bei Diplomatie, Bedienung und Kulisse.
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