Gabriel Knight: Sins of the Fathers22.10.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Misslungene Schönheitskur?

Zur Feier des zwanzigjährigen Geburtstags hat Adventure-Koryphäe Jane Jensen ihren Sierra-Klassiker um eine mysteriöse Voodoo-Mordserie neu aufgelegt: Gabriel Knight: Sins of the Fathers protzte seinerzeit mit echten Stars wie Tim Curry oder Mark Hamill als Sprechern. Haben Jensen und die Phoenix Online Studios (Cognition) dem Oldie einen gelungenen Neuanstrich verpasst?

Fauler Zauber im alten New Orleans

An der Geschichte hinter dem Abenteuer haben die Entwickler natürlich nichts verändert: Eigentlich wollte Horror-Autor Gabriel Knight nur Recherche für seinen neuen Roman betreiben. Doch als in New Orleans, bekanntlich auch heute noch ein Zentrum für Voodoo-Aktivitäten, eine Reihe von Ritualmorden geschehen, versinkt er bei seinen Nachforschungen immer mehr in einer Welt voller Mysterien, Gewalt sowie übernatürlicher Mächte, die sich wie ein roter Faden durch seine Familiengeschichte ziehen und auch sein Schicksal bestimmen sollen. Wer mehr über das Original und seine Hintergründe erfahren möchte, wird in unseren Rückblick fündig.

Gabriels Buchladen im französischen Viertel ist auch sein Zuhause.
Die unheimlichen Ereignisse und Gabriels Horror-Träume sorgen auch im Remake sofort wieder für angenehme Gruselstimmung, die vom Großteil der Neuerungen aber eher gestört als unterstützt wird. Misslungen wirkt z.B. die neue Betonung der Sprecher: Während die Erzählerin im Original mit ihrer kratzig hauchenden Stimme wie eine charmant-authentische Voodoo-Priesterin klang, erinnert die neue mit ihrem durchdringenden Ton beinahe schon an eine strenge Oberin aus einer Klosterschule.

Misslungene Neuvertonung…

Die übrigen Figuren sind etwas besser getroffen, allerdings kommen auch sie nicht an die Originalaufnahmen heran. Dass alle Stimmen neu eingesprochen werden mussten, hat übrigens technische Gründe: Das damals aufgenommene Rohmaterial lag nicht mehr vor. Man habe dann testweise versucht, die Stimmen aus dem Originalspiel zu extrahieren - die Qualität habe aber nicht mehr ausgereicht. Auch die Identifikation mit dem neuen Gabriel fällt mir schwer: Sein Auftreten als ewig baggernder Möchtegern-Casanova wirkte natürlich schon 1993 reichlich chauvinistisch. Mit seiner neuen Stimme und der sauber getrimmten Mähne nebst Nackenspoiler passt er jetzt aber noch besser ins Klischee des schleimigen Aufreißers. Im Original sorgte die verschlafene Wuschelfruisur mit Undercut noch für etwas mehr lockeres Underdog-Flair. Seltsamerweise haben sich die Entwickler bei Gabriels Design eher am zweiten Serienteil orientiert.

Das Spiel ist nur auf Englisch erhältlich. Wer möchte, kann deutsche Untertitel hinzuschalten - manche Übersetzungen klingen allerdings etwas gebrochen.
Auch das Aufpolieren der Schauplätze ist nur bedingt gelungen: Der Gemischtwarenladen voller Voodoo-Gadgets sieht dank vieler Details noch uriger aus, die kargen Rasenflächen im Park wirken dagegen, als hätten die Entwickler keine Zeit mehr für ein ernsthaftes Redesign gehabt. Ein schönes Extra sind die kleine Artworks und Screenshots aus dem Original, welche passend zur jeweiligen Szene im Journal eingebunden wurden. Gegen Rätselfrust helfen Gabriels Notizen sowie die Hinweise, die nach einer kurzen Wartezeit freigeschaltet werden und die Komplettlösung überflüssig machen.

…und weitere Wehwehchen

Die Steuerung wurde zwar entschlackt, aber nur halbherzig überarbeitet. Neuerdings muss man sich nicht mehr umständlich durch die Befehls-Symbole „Walk, look, ask, talk, pickup, open/close, operate, move“ scrollen, bevor man mit der Maustaste eine entsprechende Aktion startet. Trotzdem lassen sich Inventar-Gegenstände nicht so komfortabel aus dem Inventar nehmen wie etwa in aktuellen Daedalic-Titeln: Stattdessen wird das Objekt zuerst aus der Tasche in die Hand genommen und dann mit zwei weiteren Klicks benutzt. Ärgerlich sind außerdem einige kleine Bugs: Gelegentlich sprechen die Figuren wild durcheinander, ohne ihr Gegenüber ausreden zu lassen. Manchmal verschwindet sogar der Mauszeiger oder Objekte verändern plötzlich ihre Größe.

Am Fundort der Leiche untersucht man einige verdächtige Spuren im Sand, um später weitere Nachforschungen anzustellen.
Erzählerisch kommt das Abenteuer zwar nicht so schnell in Schwung wie moderne Krimis im Stil von Cognition, in denen es schon früh zu dramatischen Rückblenden oder einschneidenden Erlebnissen kommt. Nach der vor sich hin plätschernden Eröffnung wird man aber auch hier immer tiefer in die Geschichte hineingezogen. Damit Kenner des Originals nicht zu schnell ans Ziel gelangen, wurden einige Gegenstände anders in der Welt verteilt. Die Einteilung in Tage sorgt nach wie vor für einen guten Rätselfluss. Nachdem ich einige Dinge erledigt und mich mit einer gestohlenen Polizeimarke am Butler vorbei ins Anwesen einer einflussreichen Frau gemogelt habe, geht es zurück nach Hause in die Federn, wo Gabriel am nächsten Tag neu durchstartet. Praktisch ist auch, dass sich seine Angestellte Grace für Nachforschungen abstellen lässt (auch sie wird natürlich pausenlos von ihm angegraben). Manchen Rätseln merkt man aber an, dass sie lediglich die Spielzeit strecken sollen: Der Hotdog-Verkäufer im Park z.B. weigert sich doch tatsächlich, mir Hotdogs zu verkaufen. Nur mit einem anderswo gefundenen Gegenstand kommt Gabriel endlich an den Snack, mit dem er wiederum einen hungrigen Tänzer dazu überredet, ein Bild aus einem Gitter zu fischen. Das Gemälde hilft ihm schließlich bei einer anderen Gefälligkeit weiter.

Fazit

Gabriel Knight: Sins of the Fathers gehört zu den schlechteren Neuauflagen. Die frischen Sprecher klingen zwar nicht mehr so kratzig wie die Original-Spur aus dem Jahr 1993, aber sie betonen ihre Texte deutlich unpassender und rauben dem Adventure-Klassiker eine Menge seines Charmes. Das ist vor allem deshalb verwunderlich, weil die Phoenix Online Studios an der Entwicklung beteiligt waren. Und deren Cognition-Reihe gehört schließlich zu den am besten vertonten Spielen des Genres. Auch anderswo wurde beim Aufpolieren geschlampt: Oft reden die Figuren einfach wild durcheinander oder Fehler wie ein verschwindender Mauszeiger funken dazwischen. Schade, denn die Geschichte um die geheimnisvollen Voodoo-Morde hat mich zwar langsam, aber mit der Zeit immer intensiver ins Spiel hineingezogen. Wer in Nostalgie abtauchen oder den Adventure-Klassiker zum ersten Mal erleben möchte, sollte also lieber zum Original statt zur unausgegorenen Neuveröffentlichung greifen.

Pro

nach wie vor faszinierende Mord-Geschichte des Klassikers
urige Schauplätze im alten New Orleans
viele gruselige Voodoo-Einflüsse und -Verflechtungen
gelungene Aufteilung in Ermittlungs-Tage
interessante Ermittlungen zu mysteriösen Morden...
schrittweises Hilfe-System
Artworks und Original-Screenshots schön ins Menü eingebunden

Kontra

aufpolierte Grafik versprüht nicht den Charme des Originals
deutlich schlechtere Sprecher als im Vorbild
Figuren sprechen oft wild durcheinander
gelegentliche Bugs, z.B. unsichtbarer Mauszeiger
...aber auch einige veraltet wirkende Gefälligkeiten zum Strecken der Spielzeit
pausenlos baggernder Gabriel wirkt ziemlich peinlich
kitschig dudelnder Soundtrack erinnert mitunter an Midi-Zeiten
Deutsch nur in (mitunter schlecht übersetzten) Untertiteln

Wertung

PC

Die mysteriöse Geschichte um Ritualmorde fesselt nach wie vor, doch die misslungenen Neuerungen rauben dem Klassiker eine Menge Charme.

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