Im Test: Viel Witz und Charme
Guten Morgen, liebe Sorgen...
Es gibt beschissene Tage. Und es gibt richtig beschissene Tage. Und während Rhys, einer der beiden Protagonisten von Tales from the Borderland, gefesselt von einem maskierten Fremden durch die staubige Prärie von Pandora gezogen wird, ist schnell klar: Der aufstrebende Hyperion-Mitarbeiter hat letzteren erwischt! Wie er in diese unangenehme Situation gekommen ist? Das darf ich zusammen mit dem mysteriösen Entführer erfahren, denn kurz darauf wird die Zeit zurückgedreht und ich darf die Geschichte des Gefangenen selbst erzählen...
Eigentlich fing alles so gut an. Endlich, endlich sollte sich die viele Schufterei an Bord der Raumstation für Rhys auszahlen. Doch es kam alles ganz anders: Statt der erhofften Beförderung gab's die Degradierung zum Hausmeister – und das ausgerechnet vom Intimfeind, der überraschend im Chef-Sessel Platz genommen hatte, während der leblose Körper seines Vorgängers am gigantischen Fenster vorbei durch das All schwebte. So ein Mist! Alles umsonst!
Ein riskanter Deal
Was folgt, ist eine rasante Jagd nach dem Artefakt und Geldkoffer, die von spritzigen Dialogen, gelungenen Tempowechseln sowie einem herrlich trockenen Humor geprägt ist. Mehr will ich an diesem Stelle nicht verraten, um euch nicht die eine oder andere gelungene Überraschung innerhalb der unterhaltsam und klasse inszenierten Geschichte zu verderben, die zwar nicht das emotionale Potenzial eines Walking Dead oder Wolf Among Us besitzt, aber dieses Manko mit schrulligen Charakteren, schrägen Situationen und einigen Lachern wieder wett macht.
Die kleine Gaunerbande
Willkommen auf Pandora
Die Situation hat mich oft an Zombieland erinnert. Im Kult-Streifen von Ruben Fleischer raufen sich die Überlebenden zunächst ebenfalls eher widerwillig zusammen, hauen sich sogar gegenseitig übers Ohr, bevor sie sich am Ende gemeinsam als Freunde durch die Zombie-Apokalypse schlagen. Und noch eine Gemeinsamkeit: Bei all dem Witz geht es sowohl im Film als auch hier teilweise ganz schön herb und blutig zur Sache. Pandora ist zwar weit von einem Endzeit-Szenario entfernt und es entstehen mehr Parallelen zum futuristischen Western-Universum im Stil von Firefly, doch ist es Telltale in Zusammenarbeit mit 2K hervorragend gelungen, das von Cel-Shading geprägte Artdesign der Vorlage einzufangen. Angefangen bei den Figuren über die Kulisse bis hin zur Präsentation von Info-Fenstern nach dem Scannen: Hier wird sofort klar, dass man in der Welt von Borderlands gelandet ist!
Mehr interaktive Graphic Novel
Zudem bleiben die Entwickler auch in anderen Bereichen ihrer Design-Philosophie treu: Die Areale sind alle sehr klein angelegt, so dass Erkundungsreize ausbleiben. Auch hinsichtlich der Spielzeit orientiert man sich am Episoden-Umfang eines Walking Dead oder den Ausflügen nach Fabletown, so dass der finale Cliffhanger bereits nach etwa zwei Stunden erreicht wird. Rätsel spielen ebenfalls wieder nur eine untergeordnete Rolle und sind ähnlich anspruchslos wie die Reaktionstests, die auch der Durchschnittsspieler problemlos meistern dürfte. In einem Abschnitt muss man z.B. auf der Suche nach einem Schlüssel diverse Figuren in ihren Vitrinen scannen. Stellt man sich dabei zu dumm an, löst der Begleiter „ganz zufällig“ eine kleine Kettenreaktion aus und der gesuchte Schlüssel landet direkt
Klasse Besetzung
Die hervorragend ausgewählten englischen Sprecher tragen ihren Teil dazu bei – allen voran Troy Baker in der Rolle von Rhys, der zuvor schon als Joel in The Last of Us sein Talent unter Beweis stellte, zuletzt Pagan Min in Far Cry 4 seine Stimme lieh und nächstes Jahr auch als Revolver Ocelot in Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain zu hören sein wird. Weitere professionelle Sprecher, darunter auch Nolan „Nathan Drake“ North, runden die gelungene Besetzung ab.
Schade nur, dass man wie schon bei der Veröffentlichung von The Wolf Among Us vorerst noch auf deutsche Untertitel verzichten muss. Bisher ist der Borderlands-Ableger ausschließlich auf Englisch erhältlich und da die Figuren in den Dialogen teilweise ein ordentliches Tempo vorlegen und oft mit umgangssprachlichen Begriffen um sich werfen, sollte man schon halbwegs fit sein oder sich optional die englischen Untertitel einblenden lassen. Ärgerlich, dass man gegen Ende im Rahmen einer aufregenden Verfolgungsjagd die Tonabmischung etwas vergeigt hat und die Stimmen im Soundeffekt-Gewitter zu sehr untergehen.
Fazit
Eigentlich habe ich mit Borderlands ziemlich wenig am Hut. Aber ein Ziel hat Telltale mit Tales from the Borderlands auf jeden Fall bei mir erreicht: Der Ableger hat meine Neugier an der interessanten Welt mit ihren schrulligen Figuren geweckt, so dass ich sicher in den nächsten Wochen und Monaten im Sammel-Shooter nach Pandora zurückkehren werde – und sei es nur, um die Wartezeit zur nächsten Episode zu überbrücken, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt. Vor allem die schlagfertigen Dialoge zwischen den interessanten Charakteren und der trockene Humor haben mir neben der gelungenen Inszenierung sowie den passend gesetzten Tempowechseln richtig gut gefallen. Da sehe ich gerne drüber hinweg, dass nicht die emotionale Tiefe eines Walking Dead erreicht wird. Für die Zukunft würde ich mir dennoch größere Areale und einen etwas höheren Anspruch bei der Rätselkost wünschen. Zudem hoffe ich, dass sich in zukünftigen Episoden noch stärkere Konsequenzen meiner getroffenen Entscheidungen spüren werde, obwohl ich diesbezüglich großes Vertrauen in Telltale habe.
Nachtrag zur PS4-Version:
Mittlerweile konnten wir auch die PS4-Umsetzung von Tales from the Borderlands unter die Lupe nehmen. Und die ist qualitativ ähnlich gut gelungen wie das kürzlich veröffentlichte Gesamtpaket von The Wolf Among Us. Die Darstellung ist überwiegend sauber, Ladeunterbrechungen halten sich in Grenzen und insgesamt befindet sich die PS4-Fassung auf Augenhöhe mit dem PC-Vorbild.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Technisch präsentiert sich die amüsante Geschichte auf der Xbox One etwas schwächer als auf PS4 und PC.
PlayStation4
Auch auf der PS4 gelingt Telltale ein toller Auftakt zu den Geschichten aus der Welt von Borderlands!
PC
Ein gelungener Ableger des Loot-Shooters, der mit viel Witz und Charme seinen Fokus auf Story und Charaktere legt.
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