Im Test: Der andere Held mit dem Fedora-Hut
Nach dem Boss ist vor dem Abenteuer
Es beginnt nicht mit "Ein paar Jahre später". Das Indie-Team von Neocore setzt mit The Incredible Adventure of Van Helsing 2 genau dort an, wo Teil 1 vor etwa zwölf Monaten aufhörte: Der Held ist nach dem Kampf gegen Prof. Fulmigati am Boden. Er wird aber nicht von seinem Geister-Sidekick Katarina gerettet, sondern von dem ominösen "Häftling Sieben". Und der sagt ihm auch gleich, dass der erschöpfte Held sich nicht ausruhen kann: Die Steampunk-Stadt Borgova wird von den Gruppen General Harkers belagert, gegen den Fulmigatis Größenwahn wie ein Lausbubenstreich aussieht. Und bevor man sich versieht und sich auf seine Qualitäten als Monsterjäger besinnen sowie die weitreichenden Landstriche von absonderlichen Gegnern befreien kann, muss die Stadt verteidigt und der Widerstand organisiert werden.
Bei allen Verbesserungen, die Neocore im Vergleich zum Vorgänger eingebaut hat, bleibt man in einem Bereich weiterhin schwach: Die Geschichte. Zwar bekommen diejenigen, die den ersten Teil nicht gespielt haben, einen kurzen Überblick über die Geschehnisse. Doch das ändert nichts daran, dass die Story auch hier bald den Faden verliert. Der Antagonist ist schnell etabliert, die Jagd auf ihn wird zum Hauptthema gemacht, Nebengeschichten finden zwar statt, verlaufen aber ebenso konfus im Sand wie der Haupterzählstrang. Damit unterscheidet sich Van Helsing 2 zwar nur unwesentlich von anderen Genre-Vertretern, doch man lässt die Möglichkeit ungenutzt, sich abseits von Beute, Charakterentwicklung und ansehnlicher Kulisse von der namhaften Konkurrenz abzusetzen.
Humor ist Trumpf
Und das auch völlig unabhängig, ob man sich zu Beginn des Spiels für einen Veteranen-Charakter mit Stufe 30 und entsprechender entscheidet, seine Figur aus dem ersten Abenteuer importiert und bei Null (also Stufe 1) anfängt. Bei den drei Klassen Jäger (Standard-Mischung aus Nah- und Fernkampf), Thaumaturg (Zauberer) und Arkan-Mechaniker (quasi ein aggressiver Gagdet-Ingenieur) macht Neocore zwar nichts neu und nutzt nur die Figurentypen, die man im Original per DLC nachgeliefert hat. Aber immerhin sind sie hier von Beginn an wählbar und sorgen dadurch für Abwechslung - bei der "Veteranenauswahl" findet man sogar jeweils zwei Varianten mit jeweils anderen Spezialisierungen.
Bekannte Muster, neue Wendungen
Zwar nicht beim einsteigerfreundlichen "normalen" Schwierigkeitsgrad, der auf beinahe "ungefährliches Durchkommen" angelegt ist. Doch ab "Hart" trifft man nach fordernden, aber fairen Gefechten, in denen man auch mal den geregelten Rückzug antreten muss, um nicht überwältigt zu werden, urplötzlich auf Zusammenstellungen oder Gruppengrößen, die einen an den Rand der Verzweiflung bringen können. Immerhin kann man sich gegen Gold (zehn Prozent des aktuellen Bestands) an den zumeist fair gesetzten Kontrollpunkten wiederbeleben lassen. Wenn man mehr Gold investiert, kann man auch an Ort und Stelle wieder auferstehen. Sparfüchse hingegen bevorzugen das kostenlose neue Leben ab unterirdischer Monsterjäger-Höhle, die man als Refugium ebenfalls aus dem ersten Teil übernommen hat.
Es bleibt auch weiterhin bei der Möglichkeit, seine angesammlte "Wut" in temporäre Steigerungen der Standardangriffe zu investieren und mit der nächsten Attacke einen besonders durchschlagenden Versuch zu starten. Dadurch bekommt das Kampfsystem erneut eine taktische Note, die es von vielen anderen Kollegen abhebt und die von der umfangreichen Charakterentwicklung unterstützt wird. Alle drei Grundklassen bieten Fähigkeiten-Bäume, die zahlreiche Spezialisierungen oder Anpassungen an die bevorzugte Spielweise erlauben. Fast schon zu viel. Denn bis man sich durch alles durchgewühlt und nachvollzogen hat, was in welcher Form am besten harmoniert, dauert es etwas. Zumal auch passive Fähigkeiten eine Rolle spielen - und der "Buff"-Baum von Lady Katarina ebenfalls beachtet werden sollte.
Der Unterschlupf als... Ja wofür eigentlich?
Die Abschnitte sind stringenter, es gibt ordentliche Upgrade-Möglichkeiten für die Verteidigungsanlagen, die jedoch nur an vorgesehenen Positionen platziert werden können. Größtenteils sind diese unterhaltsamen Abweichungen vom Monsterjäger-Alltag jedoch optional. Man bekommt zwar in den Außengebieten immer Meldungen, dass man im Unterschlupf benötigt wird, doch eine Rückkehr ist eigentlich nicht notwendig. Schade, denn mit etwas mehr Verpflichtung und entsprechender Verzahnung mit der Kampagne und ggf. Auswirkungen auf die Monsterbevölkerung wäre mehr als nur ein Gimmick aus diesem Element geworden. Doch dieses Manko teilt es mit zwei anderen Mechaniken: Zum einen kann man ähnlich wie in der Ezio-Trilogie der Assassin’s-Creed-Serie Generäle des Widerstands auf Sondermissionen
Ein Van Helsing, zwei Van Helsinge?
Egal, ob der Plural nun Van Helsings, Van Helsinge oder mehrere Van Helsing ist, der Online-Modus hat im Vergleich zum ersten Teil einen großen Fortschritt gemacht. Er ist zwar immer noch nicht komplett vor Lags und Abstürzen gefeit. Doch in der gegenwärtigen Version sind Abbrüche eher die Ausnahme, so dass mit Gleichgesinnten alsbald Metzelspaß aufkommt. Man kann entweder kooperativ mit bis zu vier Jägern Monster vertreiben oder mit bis zu acht Spielern gegeneinander antreten. Doch sowohl die PvP-Duelle als auch die kooperativen Albtraum-Szenarien stehen nur erfahrenen Spielern mit Figuren ab Stufe 57 zur Verfügung. Es ist allerdings schade, dass der Mehrspieler-Modus kaum frequentiert wird. Vermutlich sind dies die Nachwirkungen des im ersten Teil lange und auch hier zum Start sehr unzuverlässig arbeitenden Netzcodes, der die Spieler vorsichtig werden ließ. Die Möglichkeit eines Offline-Koop bietet sich nicht.
Fazit
Neocore macht es clever: Man schließt erzählerisch an den ersten Teil an, nutzt die Fortschritte, die man durch Patches und Download-Inhalte am Vorgänger vornahm und erweitert diese. Man hat sofort Zugriff auf drei "Klassen", die aus Van Helsing entweder einen Zauberer, einen Ingenieur oder den bekannten Monsterjäger machen. Schnell entsteht der Hack&Slay-typische Motivationssog, der allerdings vom unausgewogenen Schwierigkeitsgrad häufig ins Wanken gebracht wird. Im ordentlichen, aber gegenwärtig nicht lagfreien Online-Modus wirken sich im Koop-Spiel die Probleme mit den großen Feindesgruppen nur selten aus. Hinzu kommt der Humor: Mit seinen zielsicher gesetzten Pointen, Anspielungen und Easter Eggs trifft er ebenso ins Ziel wie die Pistolen des Protagonisten. Schade ist allerdings, dass die verbesserten Tower-Defense-Elemente wie nahezu alles, was mit dem Unterschlupf zu tun hat, nur selten mehr als schmückendes Beiwerk ist und die Story nicht nur schwach, sondern konfus erzählt wird. Doch auch so ist das prall gefüllte Abenteuer in Borgovia ein lohnenswerter Ausflug für Beutejäger und Monstersammler.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Beim zweiten Ausflug des Monsterjägers hat Neocore konsequent Feinschliff betrieben und bietet mehr von allem: Klassen, Fähigkeiten, Beute, Monster. Einige Elemente sind aber ebenso konfus integriert wie die Story.
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