Im Test: Retro-Rollenspiel aus Portugal
Schnörkelloser Minimalismus
Dass man lediglich den Schwierigkeitsgrad fest- und dann gleich mit dem Spiel loslegen kann, sorgt nicht nur für einen authentischen, sondern auch sympathischen Einstieg ins pixelige Retro-Abenteuer der Portugiesen. Selbst als Kopierschutz reicht die einmalige Eingabe einer achtstelligen Seriennummer aus. Doch wem die standardmäßige Vollbilddarstellung zu aufgeblasen wirk, wird schnell feststellen, das auch sonst absoluter Minimalismus herrscht.
Zwar gibt es durchaus die Möglichkeit, das Abenteuer im Fenstermodus zu bestreiten, dessen Abmessungen sind allerdings nicht nur extrem mickrig, sondern auch unveränderbar. Fans klassischer Retrofilter mit Scan-Zeilen & Co gehen schauen ebenfalls in die Röhre. Nicht einmal die Tastenbelegung lässt sich anpassen, was vor allem Pad-Spielern wenig schmecken dürfte, da sich selbst bei standardisierten Eingabegeräten wie dem Xbox-Controller für Windows weder Steuerkreuz, noch A-Taste benutzen lassen.
Mit der Maus geht's natürlich auch, was einem aber immer wieder nervige Verhänger beschert, da die indirekte Cursorsteuerung nicht mit der direkten Charaktersteuerung des Spiels harmoniert und Hindernisse nicht automatisch umgangen werden. Auch das Formationssystem könnte kaum primitiver sein: Zwar gibt es vier verschiedene Kampfpositionen, die wirken sich aber einzig darauf aus, wer bei einem zufällig initiierten Überraschungsangriff zum Zug kommt und wer nicht.
Auf Schritt und Tritt
Die rundenbasierten Auseinandersetzungen an sich werden hingegen nicht zufällig, sondern exakt alle 40 (RPG-Modus) bzw. 50 (Casual-Modus) Schritte ausgelöst.
Des Weiteren genießen Casual-Abenteurer automatische Teilheilungen nach Kämpfen, auf die Stärke der Gegner hat die Moduswahl hingegen keinen Einfluss. Nur wenig Einfluss hat man auch auf die Entwicklung der Charaktere, deren Attribute und Fähigkeiten abgesehen vom Konsum spezieller Items völlig automatisch zunehmen. Auch sonst gibt es nur wenige, aber teils durchaus gravierende Entscheidungen zu treffen.
Sympathisches Arschloch
Antiheld Jordan, der eigentlich nur einen Dämon mit einem alchemistischen Gebräu am Wachwerden hindern soll, ist jedenfalls nicht auf den Mund gefallen und schreckt mit seinem schroffen Sarkasmus selbst vor Kindern, Senioren oder Prinzessinnen nicht zurück. Das sorgt nicht nur beim Besuch von Städten und Dörfern, sondern auch innerhalb der stetig wachsenden Anti-Dämonenbrigade für jede Menge süffisanter Reibereien.
Meist sind die entsprechenden Dialoge sogar weit interessanter als die eigentliche Handlung um das titelgebende Buch der Legenden, das Dämonenaktivitäten vorhersagt, die es dann rechtzeitig zu unterbinden gilt. Schade nur, dass man die verbalen Konfrontationen ganz ohne Sprachausgabe serviert bekommt, was die Konversationen noch zusätzlich hätte aufwerten können.
Kunterbuntes Gefolge
Neben menschlichen Weggefährten kann sich Jordan auch die Treue diverser tierischer Begleiter im Lauf des Abenteuers sichern. Zwar können nie mehr als vier Figuren gleichzeitig ins Kampfgeschehen eingreifen, aber bei besonderen Konfrontationen muss man nicht nur Gegnerwelle auf Gegnerwelle bestehen, sondern teils auch an mehreren Fronten parallel kämpfen und sein Gefolge entsprechend aufteilen.
Die Optionen im Kampf sind allerdings überschaubar, die Vorbereitung bezüglich Charakter- und Ausrüstungswahl zumindest bei Bosskämpfen wesentlich wichtiger, da man mit den passenden Angriffsboni und Resistenzen selbst wesentlich stärkere Gegner in die Knie zwingen kann. Allerdings kann es auch zu fatalen Endlosschleifen kommen, wenn man über hohe regenerative Kräfte, aber keinen Schutz vor lähmenden Statusbeeinträchtigungen verfügt. Da hilft dann nur noch ein erzwungener Spielabbruch...
Konfrontationen mit Standardgegnern können hingegen trotz Schnellkampffunktion schnell zehren und langweilen. Auch das Angebot an optionalen Quests, die einem angesprochene Einwohner hin und wieder anbieten, reißt einen nicht gerade vom Hocker, andere Nebenbeschäftigungen fehlen abgesehen von längst ausgelutschten Standards wie einem Kolosseum fast gänzlich.
Schnell verlaufen
Schmerzlich vermissen wird der ein oder andere sicher auch die fehlende Kartenfunktion innerhalb von Dungeons. Die sind nämlich mitunter ganz schön groß und verwinkelt.
Über die Spielwelt selbst kann man sich hingegen jederzeit sowohl regional als auch global einen Überblick verschaffen, wenngleich die Weltkarte wenig liebevoll gestaltet, fast wie ein Grafikfehler wirkt. Schnelle, wenn auch anfangs noch recht kostspielige Ortswechsel sind jedoch möglich.
Während die Ohren immer wieder von stimmungsvollen Kompositionen verwöhnt werden, lässt die grafische Präsentation trotz Retrostils doch hier und da zu wünschen übrig. Vor allem die im Kampf völlig starr da stehenden, aber im Vergleich zur restlichen Optik viel zu detaillierten Gegner kosten wertvolle Atmosphärepunkte. Die hier und da eingeflochtenen Wettereffekte und Tageswechsel sind hingegen durchaus charmant. Wirklich homogen wirkt der Pixellook aber nicht.
Fazit
Ich habe durchaus ein Faible für 2D-Rollenspiele im 16Bit-Stil, aber Aldorlea Games macht es sich mit The Book of Legends doch etwas zu einfach. Wo andere Retro-Entwickler mit flexibler Benutzerführung, liebevollen Pixelanimationen und nostalgischen Filtern aufwarten, kann man bei den Portugiesen nicht einmal Einfluss auf Spielfenstergröße oder Tastenbelegung nehmen. Auch dass sämtliche Gegner nur als völlig starre Abziehbildchen erscheinen und es abseits von Quests und Kämpfen so gut wie keine Nebenbeschäftigungen gibt, wird vielen echten 16Bit-Klassikern kaum gerecht. Der stimmungsvolle Soundtrack sowie die schroffen Akteure und Dialoge sind hingegen durchaus gelungen. Unverständlich nur, dass Rokapublish extra eine deutsche Retail-Fassung produzieren und die dann nicht einmal lokalisieren ließ...
Pro
Kontra
Wertung
PC
Duchwachsener Retro-Trip, der in erster Linie durch seine süffisanten Dialoge zum Weiterspielen animiert.
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