Im Test:
Monster statt Helden
Ganz anders mein Vampir: Obwohl er der Heiler der Gruppe ist, kann er sowohl hart austeilen als auch einstecken - ein Multitalent. Selbst der Goblin-Schurke landet mittlerweile mit seinem "Steel Dagger 5-14dmg +10crit" und der hohen Gewandheit von 25 harte Treffer; zudem kann er Schlösser knacken und Feinde mitten im Kampf bestehlen. Auch die Killerpuppe schlägt bereits ordentlich zu - ich kann ihren Kopf, ihre Arme und andere Gliedmaßen übrigens so austauschen, dass sie eher defensiv agiert.
Gefangen im Buch des Königs
Worum es geht? Man soll aus einem ungewöhnlichen Knast ausbrechen. In der Rolle eines ehemals gefürchteten Zauberers sucht man nach einem Ausweg aus einem magisch versiegelten Buch. Scheinbar wurde man von einem König seiner Macht beraubt, die man auf dem Weg durch die Labyrinthe stückweise zurückerlangen kann. Darunter auch die Möglichkeit, drei Monster zu beschwören, die man frei entwickeln darf. An bestimmten Stellen hat man die Wahl unter einem Dutzend Schreckgestalten vom Skelett bis zum Schatten, vom Kultisten bis zur Hexe, vom Goblin zum Vampir.
Und die Unterstützung braucht man, denn in den Kerkern warten zig klassische Helden wie Krieger, Zwerge, Waldläufer, Kleriker, Ritter, Magier oder Riesen - alle mühevoll handgezeichnet von markant, verschroben bis hässlich. Das billige Figurendesign erinnert mitunter an private Pen&Paper-Rollenspiele in meinem Keller, die Musik trullert viel zu modern daher. Man fühlt sich fast wie in einer Art Spukkomödie. Trotzdem üben die schwarzweißen Flure eine gewisse Anziehungskraft aus. Vielleicht liegt das an den subtilen Andeutungen in den Texten oder an der Beschränkung auf das Wesentliche. Vielleicht ist es auch ein wenig Nostalgie.
Erkundung in Echtzeit
Es gibt zwar keine Karte, aber die Dungeons sind dafür sehr kompakt - sie ähneln zu Beginn eher Zellentrakten als Labyrinthen. Dafür kann man dort mit der Zeit immer mehr Geheimnisse und Geheimgänge, Fallen und Fahrstühle entdecken, wenn man auf gelegentliche Hinweise oder Schalter achtet. Und sollte man sich tatsächlich mal verlaufen, darf man sich komfortabel in eine Art Hauptquartier mit Händler, Trainer, Zimmer & Co zurückziehen. Dazu gehört auch eine Spukvilla: Wofür braucht die Kreatur dort bloß die Seelen? Sie öffnet damit weitere Katakomben mit stärkeren Feinden und wertvollen Schätzen.
Rundengefechte mit Spezialfähigkeiten
Die Gefechtsdynamik erinnert entfernt an The Banner Saga: Auch hier gibt es neben den Lebenspunkten einen Wert für die Verteidigung, die erstmal Schaden abfängt und schrittweise dezimiert werden kann. Allerdings darf man sich als Angreifer hier nicht aussuchen, ob man Leben oder Rüstung attackiert - sie wird quasi automatisch beschädigt. Trotzdem sorgt dieser Schutz dafür, dass man schwer gepanzerte Gegner erstmal zermürben muss. Dazu gehören z.B. Bosse, die am Etagenende warten.
Gruppentaktik & Wiederbelebung
Falls jemand stirbt, braucht man entweder einen Trank oder den entsprechenden Zauber zur Wiederbelebung. Apropos Schwierigkeit: Leicht ist wirklich viel zu leicht. Wenn ihr mit etwas Anspruch viel sehen und weit kommen wollt, solltet ihr normal spielen. Mit deutlich mehr Geduld solltet ihr es auf schwer versuchen, aber um den 80er-Stil solltet ihr tunlichst einen Bogen machen - da ist quasi jeder Meter tödlich und es gibt fast keinen Komfort mehr.
Fazit
Billige Zeichnungen, kaum Animationen, Monster als Wolken. Paper Sorcerer kann auch weder mit dem vertrackten Dungeonflair eines Legend of Grimrock noch mit der komplexen Gruppentaktik eines Etrian Odyssey mithalten. Von epischer Story ganz zu schweigen! Warum komme ich dann trotzdem nicht von diesem Spiel los? Vielleicht, weil es als Dungeon-Crawler eine Nische in der Beschränkung auf das Wesentliche findet: erkunden, kämpfen, rätseln, aufrüsten. Vielleicht, weil es mich augenzwinkernd in die 80er zurückbeamt. Je länger ich spiele, desto mehr schätze ich die verborgenen Stärken dieses verschrobenen Abenteuers. Das Artdesign lockt mit surrealen Winkeln, der Spielfluss profitiert von kompakten Verliesen, die Neugier wird von verschlossenen Türen und Geheimgängen befeuert. Glückwunsch an Jesse Gallagher, dem eine letztlich zu monotone, aber stilistisch markante Hommage an Klassiker wie Wizardry und Dungeon Master gelungen ist.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Trotz vieler Schwächen: Eine angenehm markante Hommage an Klassiker wie Wizardry und Dungeon Master.
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