Shadows: Heretic Kingdoms27.11.2014, Mathias Oertel
Shadows: Heretic Kingdoms

Im Test: Seelenfang statt Beutejagd

Das Hack&Slay-Feld ist mit Titeln wie Torchlight oder Diablo ordentlich bestellt und bietet kaum Platz für Neuankömmlinge. Um gegen die Platzhirsche bestehen zu können, muss man sich dementsprechend etwas Besonderes einfallen lassen. Hat das Team von Games Farm für Shadows: Heretic Kingdoms (ab 6,99€ bei kaufen) die richtigen Ideen gehabt? Der Test gibt die Antwort.

Fehler der Vergangenheit

Erinnert sich noch jemand an das etwa zehn Jahre alte Action-Rollenspiel Kult: Heretic Kingdoms? Vermutlich nicht. Denn obwohl die Story mit ihren moralischen Entscheidungen für ein Hack&Slay erstaunlich tiefschürfend war und man sich mechanisch keine allzu groben Schnitzer erlaubt hatte, blieb ihm angesichts der Konkurrenz von Sacred oder Dungeon Siege 2 der Erfolg versagt. Schade, denn die Elemente, die es anders machte, darunter z.B. das Hinzufügen einer Parallelwelt, in die man jederzeit abtauchen konnte oder das "Learning-by-doing-Prinzip" bei der Waffennutzung, waren interessant und motivierend genug, sich in den Königreichen zu verlieren - wenn man die steile Lernkurve bei den Kämpfen mit dem ungewöhnlichen Heilsystem hinter sich brachte. Insofern ist es überraschend, dass das Team vom Games Farm, das seinerzeit unter dem Namen 3D People arbeitete, nach so langer Zeit dieser Welt wieder einen Besuch abstattet. Noch überraschender ist für mich allerdings, dass sie ihrer damaligen Linie treu bleiben und versuchen, dem von Blizzard, Runic Games und mit Einschränkungen Neocore (Van Helsing) dominierten Hack&Slay neue kreative Facetten abzugewinnen.

Für ein Hack&Slay sind die Gefechte in Shadows: Heretic Kingdoms dank des Seelenmanagements erstaunlich taktisch.
Interessanterweise hält man in einigen Punkten sogar an Elementen fest, die Kult vor zehn Jahren geprägt haben. Dazu gehört erneut eine Parallelwelt, in die man jederzeit abtauchen kann. Möglich macht dies die Hauptfigur des Seelenverschlingers. Dieser Dämon hat sein Zuhause in der so genannten Schattenwelt und wurde von einem Magier beschworen, um zu helfen, das führungslose Reich der Heretic Kingdoms wieder in sichere Fahrwasser zu leiten. Dass der Höllenfürst dies natürlich nicht aus freien Stücken macht, führt immer wieder zu absurden, manchmal auch zu witzigen Dialogen, die mitunter gegen die düstere Grundstimmung gehen, aber das erzählerische Fundament nie ins Wanken bringen. Die zweite Ebene ist die der menschlichen Bevölkerung, quasi die "Oberwelt" mit ihren Städten, Landstrichen und Dungeons. Diese kann vom Dämon nur in Form einer seiner so genannten Marionetten betreten werden, besondere Seelen von Verstorbenen, die wiederbelebt werden können. Drei dieser Seelen stehen zu Beginn zur Verfügung, wobei mit der Magierin, dem Bogenschützen und dem Nahkämpfer klassische Hack&Slay-Archetypen angeboten werden.

Qual der Wahl

Die Schattenwelt des Verschlingers wird auch zur Lösung von Rätseln eingesetzt.
Sehr schön: Mit der initialen Wahl legt man nicht nur quasi die "Primärklasse" fest, sondern auch die zur Verfügung stehenden Nebenmissionen. Jede der Figuren hat ihre eigene Rachemär, der sie folgt und die mehr oder weniger parallel zu den Hauptgeschehnissen abläuft. Und die Gespräche zwischen Dämon und Vasallen, die neben Büchern und Briefen einen weiteren Einblick in die Historie der Heretic Kingdoms erlauben, sorgen für eine interessante Fortführung der Hauptgeschichte, die allerdings größtenteils spröde inszeniert wird. Insgesamt können einem in Shadows über ein Dutzend "„Helden" zur Verfügung stehen, von denen man neben dem Verschlinger als feste Figur drei weitere mitführen und sich ihre Spezialfähigkeiten im Kampf zu Nutze machen kann. Der Clou: Man kann jederzeit zwischen den Charakteren und ggf. sogar ad hoc zwischen den Welten springen. Und dieses Element nutzt Games Farm reichlich. Mal muss man Rätsel lösen oder Fallen ausweichen, die nicht nur Geschick erfordern, sondern die einen Wechsel der Dimension erzwingen - und sei es nur, um in Dämonenform einen Hinweis auf die Lösung zu bekommen. Ebenso wichtig ist der Wechsel im Kampf. Nicht nur, weil man auf eine andere Figur schalten kann, bevor die Lebenspunkte zu Ende gehen. Sondern auch, weil ein Magier oder Bogenschütze gegen diesen Gegnertyp effektiver sein kann und ein Nahkämpfer besser gegen jenen funktioniert. Oder weil ein Wiederbeleber in der Schattenwelt seine Schergen in der Oberwelt ständig reanimiert. Darüber hinaus kann man den Ehrgeiz entwickeln, um besondere Kombos zu entdecken, bei der die einzelnen passiven oder aktiven Fähigkeiten in möglichst effektiver Reihenfolge eingesetzt werden.

Man kann die Umgebung auch zu seinen Gunsten einsetzen.
Das Heilsystem erinnert in Grundzügen ebenfalls an den Vorgänger. Nur dass man hier zusätzlich zur Verwendung klassischer Heiltränke die aufgenommen Seelen der getöteten Feinde durch Druck auf die Leertaste in Lebensenergie verwandelt. Die Quelle ist allerdings begrenzt. Zum einen durch die Maximalanzahl an Seelen, die man mitführen kann. Zum anderen durch das begrenzte Gegneraufkommen im jeweiligen Level. Wobei das Kampfsystem bzw. dessen Balancing alsbald erste Risse bekommt. Während man über einen Großteil der Zeit auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad in einem angenehmen Tempo vorwärts kommt und gelegentlich hinsichtlich des Seelenmanagements gefordert wird, trifft man auch immer wieder auf störende Ausreißer. Sprunghaft steigt der Schwierigkeitsgrad an, man ist nahe an der Frustgrenze und auch ein taktischer Wechsel der Figuren hat keinen Erfolg. Wohl dem, der kurz vor solchen Auseinandersetzungen von der Schnellspeicher-Funktion Gebrauch gemacht hat - oder noch ein paar Missionen in anderen Gebieten hat, auf die man ausweichen kann.

Kampf-Probleme

Dass sich genau in diesen Momenten auch die ansonsten gut funktionierende sowie akkurate Steuerung von ihrer hässlichen Seite zeigt, passt ins Bild. Anstatt dem Klickbefehl zu folgen und an eine andere Position auf dem Schlachtfeld zu laufen, um z.B. Geschossen oder Umgebungsgefahren auszuweichen, bleibt die Figur einfach stehen oder bewegt sich nur wenig, weil der Klickbereich eines Gegners im Weg ist. Und im schlimmsten Fall werden sogar die Angriffsbemühungen kurzzeitig eingestellt. Abgesehen davon sorgt das Kampfsystem für ein erfrischend anderes und häufig sogar taktisches Spielerlebnis im Hack&Slay, bei dem alle "Seelen"-Elemente gut ineinander greifen. Im Vergleich zum schnellen Diablo 3 wirkt das Kampfsystem zwar wie auf Valium. Das sorgt jedoch dafür, dass neben dem Wechsel oder der Heilung auch die Positionierung der Figur, Abstand zu den Gegnern und geschickter Einsatz der Fähigkeiten in den Vordergrund gerückt werden. Man kann sich nicht einfach durch eine Gegnerhorde pflügen. Allerdings ist nicht nur der Schwierigkeitsgrad an sich ausgewogen, sondern es sind auch Balancing-Probleme innerhalb der Marionetten zu finden, die man nur über Grind und entsprechende Figurenaufstiege einigermaßen in den Griff bekommen kann. Man bekommt z.B. relativ früh den "Gepanzerten Zombie", der sich zwar relativ langsam bewegt, aber verheerenden Schaden anrichtet und mit seiner hohen Anzahl an Lebenspunkten sowie den mächtigen Spezialangriffen schnell zum Überheld wird - zumindest im Vergleich zu den anderen Marionetten, wobei auch hier die individuell bevorzugte Spielweise eine Rolle spielt.

Der Fähigkeitenbaum ist nicht gerade üppig bestückt, bietet aber dennoch ausreichend Optionen. Im Kampf sind ohnehin Positionierung und Figurenwechsel wichtiger.
Beim Fähigkeitensystem zeigt sich Shadows überschaubar: Jede Figur verfügt über ein Dutzend aktiver oder passiver Fähigkeiten, die in jeweils vier Stufen aufgerüstet werden können. Aktive Eigenschaften lassen sich zudem in zwei Richtungen (wieder mit je vier Stufen) weiterentwickeln, so dass z.B. der "Faulige Atem" des "Gepanzerten Zombies" einen Schaden über Zeit und/oder eine Verringerung der gegnerischen Bewegungsgeschwindigkeit nach sich zieht. Unter dem Strich mag dies sehr sparsam scheinen, doch die taktischen Möglichkeiten auf dem Schlachtfeld ergeben sich nur sekundär aus den Figuren-Fähigkeiten, sondern primär aus dem Seelenmanagement sowie dem strategischen Figurenwechsel. Auch in anderen Bereichen setzt man auf den Grundsatz "Weniger ist mehr". Bei der Beute z.B. brauchen Jäger und Sammler nicht auf eine permanente Über-Ausschüttung à la Diablo 3 zu hoffen - obwohl das Inventar reichlich Platz bietet. Es gibt vergleichsweise nur wenige Gegenstände und angesichts gut bestückter Händler ist nur selten etwas wirklich Sinnvolles darunter. Immerhin werden die angelegten Gegenstände visuell adäquat an der Figur dargestellt. Und es gibt ein ordentliches Crafting-System, bei dem man von Waffen oder Rüstungen bis hin zu Tränken vielerlei Güter herstellen kann - sofern man die nötigen Rohstoffe und die Kenntnis in Form der Rezeptur besitzt. Eine Option, auf gut Glück zu experimentieren, fehlt leider.

Schick, aber spröde

Die Kulisse ist ansehnlich und größtenteils stimmungsvoll, hat aber auch mit technischen Problemen zu kämpfen.
Wenn es um atmosphärische Kulissen geht, in denen man dutzenden Gegnern den Garaus macht, ist nicht nur Diablo 3 im vorderen Feld zu finden. Auch Dungeon Siege 3 oder die bisherigen Incredible Adventures of Van Halsing können mit überzeugender Grafik punkten. Hier ist Shadows theoretisch ebenfalls auf einem guten Weg. Zwar ist es schade, dass wie bei Blizzard die Kamera vorgegeben ist und nicht gedreht werden darf - nur heranzoomen ist erlaubt. Doch die Umgebungen können sich sehen lassen und punkten mit schicken Lichteffekten, Partikeln sowie weiteren bewegten Details, die einen lebendigen Eindruck hinterlassen. Dieser fehlt jedoch leider in den bewohnten Hub-Welten, da die NPCs hier meist nur in der Gegend herumstehen und darauf warten, dass man mit Ihnen interagiert, um z.B. eine weitere Mission abzugreifen oder den Handel zu starten. Immerhin kann man hier dynamische Tageszeiten feststellen. Zudem ist manche Kampfanimation etwas hakelig. Und zu allem Überfluss stören technische Mankos das Gesamtbild. Immer wieder gerät das Bild leicht ins Stocken. Und obwohl V-Sync eigentlich aktiviert ist, lässt sich hinsichtlich des allgegenwärtigen Tearing keine Besserung feststellen.

Auf akustischer Seite gibt es weitaus weniger zu beklagen. Die Musik erinnert immer wieder positiv an Themen, mit denen auch die Diablo-Serie zu gefallen wusste und unterstreicht damit die düstere Grundatmosphäre. Die textliche Vertonung geht ebenfalls in Ordnung, wobei es innerhalb der Sprecherriege sowohl in Englisch als auch in Deutsch qualitative Unterschiede gibt. Während die meisten Synchronstimmen ordentlich und professionell eingesprochen worden, werde ich bei einigen Nebenfiguren das Gefühl nicht los, dass hier kurzfristig jemand ins Studio gezerrt wurde, der entweder keine Lust oder kein Talent hatte.

Fazit

Nachdem mit Kult der letzte Ausflug in die Heretic Kingdoms zu sperrig war, hat Games Farm hier mehr Sorgfalt walten lassen - und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Im Vergleich zu Diablo 3 wirkt das Kampfsystem zwar sehr behäbig. Doch darin liegt gleichzeitig eine Stärke, da die Auseinandersetzungen mit dem Figurenwechsel, dem seelenbasierten Heilsystem sowie dem ständig möglichen Abtauchen in die Schattenwelt eine neue taktische Note hinzugewinnen. Schade, dass hier manchmal Bewegungsbefehle zum Wechsel der Position schlichtweg nicht erkannt oder als Angriff fehlinterpretiert werden und man unnötig Schläge einsteckt. Auch die Geschichte um den Seelenverschlinger und seine für ihn kämpfenden "Marionetten", die mitunter zu amüsanten Zwiegesprächen führt, ist ein interessanter Ansatz, wird aber nur mäßig inszeniert. Während man mechanisch abseits der unausgewogenen Figuren mit ordentlichem Crafting, sinnvoller Inventar-Führung, kleinen (aber effektiven) Fähigkeitsbäumen und einer passablen Missionsanzahl mindestens solide Werte erreicht, bleiben die Heretic Kingdoms technisch fragil. Unter dem Strich ist die Kulisse zwar ebenso stimmungsvoll wie die an die Blizzard'schen Teufelsjagden erinnernde Musik. Doch leichte Ruckler, Tearing und im Detail unsaubere Animationen führen einem immer vor Augen, dass hier Atmosphäre-Potenzial liegen gelassen wurde. Dennoch ist Shadows ein Geheimtipp für alle, die von stromlinienförmigen Hack&Slays genug haben - auch wenn die Geschichte erst Anfang nächsten Jahres mit dem zweiten Buch "Age of Demons" fortgesetzt und vermutlich komplettiert wird.

Pro

interessante Story
ansehnliche Kulisse...
angenehm behäbiges Kampfsystem...
Gesundheitssystem und Figurenwechsel bringen taktische Note in die Gefechte
jederzeit betretbare Schattenwelt sorgt für Variation und Spieltiefe
zahlreiche spielbare Charaktere, häufig mit eigenen Neben-Missionen und Geschichte
ausreichend Missionen
ordentliche Sprachausgabe
Rätsel und Fallen in Dungeons
gemeinsamer Stufenaufstieg der Figuren
stimmungsvolle Musik
keine Beuteflut
passables Crafting-System
Disc-Version beinhaltet Soundtrack-CD

Kontra

keine freie Kamera
... die aber technisch mitunter wackelt (Ruckler, Tearing)
... bei dem die Maus-Steuerung allerdings manchmal zickt
schwache Inszenierung
überschaubare Fähigkeitenbäume
unausgewogenes Balancing der Figuren
niedrig aufgelöste Videos in den Zwischensequenzen
kleinere Übersetzungsfehler

Wertung

PC

Unterhaltsames Hack&Slay mit interessanter Story, das beim Kampf weniger auf Fähigkeiten und schnelle Action, sondern auf Figurenmanagement und sogar leichte taktische Elemente setzt.

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