Never Alone26.11.2014, Eike Cramer
Never Alone

Im Test: Unterwegs im Reich der Iñupiat

Mit Never Alone verbindet das Independent-Studio Upper One Games die Sagenwelt des Volkes der Iñupiat mit der Mechanik eines kooperativen Plattformers. Ob die warmherzige Geschichte und der dokumentarische Anspruch zusammenpassen, klärt der Test.

Ein Mädchen und ihr Fuchs

Never Alone, oder Kisima Ingitchuna in der Sprache der Iñupiat

Upper One Games verbindet Spiel und Dokumentation mit hochwertigen Videos über das Leben der Iñupiat.
, erzählt eine der großen Geschichten der Ureinwohner Alaskas. Die Erzählung handelt von einem jungen Mädchen das sich auf die Suche nach dem Ursprung der unbarmherzigen Schneestürme macht, die ihre Welt verwüsten. Auf der Reise muss sie zusammen mit ihrem Freund, einem kleinen Polarfuchs, viele Gefahren der Arktis überstehen und begegnet Naturgeistern, Polarlichtern und dem „kleinen Volk“.

Das Besondere: Der Plattformer um die warmherzige Geschichte der Freundschaft eines ungleichen Duos wurde in enger Zusammenarbeit mit Kulturvertretern der Iñupiat entwickelt. So wird die Handlung durch eine Off-Stimme eines Meister-Geschichtenerzählers vorangetrieben, der die Handlung in der Sprache seines Volkes erzählt. Zudem finden sich überall in der Spielwelt Teile einer Videodokumentation, die einem während der Erkundung der Welt Einblicke in das traditionelle Zusammenleben und den kulturellen Schatz der Ureinwohner ermöglichen.

Diese Verbindung aus Spiel und Doku funktioniert von Anfang an ausgezeichnet. Die hochwertige  Produktion der kurzen Videos, die historische Aufnahmen, Interviews und Landschaftspanoramen verbinden gibt Aufschluss über die mythischen Gestalten, Waffen und Verhaltensweisen, denen das Mädchen im Laufe ihres Abenteuers begegnet. Da werden z.B. die Legenden der Kindergeister erzählt, die als Nordlichter in Erscheinung treten kurz bevor man ihnen in Kletterpassagen ausweichen muss. Man ist immer gespannt, welchen Einblick der nächste Videoschnipsel bietet, um noch tiefer in die Welt der Iñupiat abtauchen zu können.

Niemals alleine

Die jahrhundertealte Geschichte wird in Never Alone als kooperativer Plattformer inszeniert. Ist man alleine unterwegs, steuert man wahlweise das Mädchen oder den Fuchs, die über unterschiedliche Fähigkeiten

Die Kulisse bietet oft zauberhafte Panoramen, obwohl man technisch hinter einem Trine 2 zurückbleibt.
verfügen. So ist der knuffige Polarfuchs in der Lage durch elegante Sprünge an Wänden schnell Schächte emporzuklettern, Seile herabzulassen oder Naturgeister zu beeinflussen. Das Mädchen hingegen kann Kister verschieben oder mit ihrer Bola, einer Waffe für die Vogeljagd, u.a. eisige Barrieren zerstören.

Dieses Prinzip funktioniert gut, da man stetig zwischen den beiden Protagonisten wechseln muss, um durch die eisigen Level zu navigieren. Zudem gibt es viele kleine Rätsel, bei denen man die Fähigkeiten der beiden Figuren kombinieren muss – etwa um mit Geistern einen Abgrund zu überwinden, oder in einem Bosskampf zu bestehen.

Ärgerlich ist, dass die KI, die den jeweils anderen Protagonisten übernimmt,  dazu tendiert ärgerliche Fehler bei Absprüngen oder Positionierungen zu begehen, die meist zum Ableben der Figur führt. Oft ist man als Solist so mit störendem Trial-and-Error beschäftigt. Immerhin kann jederzeit ein zweiter Spieler einsteigen, um in schwierigen Situationen auszuhelfen. Zudem ist auch die Sprungsteuerung  etwas schwammig, was präzise Landungen unnötig erschwert.

Ein stimmungsvolles Abenteuer

Sehr gelungen ist hingegen die Stimmung der einzelnen Abschnitte. Man erkundet die klirrend kalte Tundra, erklimmt Pfahlbauten auf King Island, streift durch einen düsteren Wald und gerät in eisige Höhlen.  Trotz des allgegenwärtigen Schnees sind die Level auf diese Weise angenehm abwechslungsreich. Auch spielerisch gibtman sich keine Blöße: Mal muss ich vor einem Eisbären fliehen, mal den Aurora-Kindergeistern ausweichen, die Kobolde des „kleinen Volkes“ austricksen oder über schwankende Plattformen manövrieren.

Die Kulisse glänzt dabei mit einem markanten Artdesign, das Naturgeister, Schneegestöber und die klirrende Kälte der Arktis in fabelhaften Bildern einfängt, auch wenn man technisch insgesamt längst nicht auf der Höhe eines Trine 2 ist. Die Streifzüge werden zudem von einem wundervollen Soundtrack begleitet, der die mal

Trotz des allgegenwärtigen Schnees sind die Szenarien angenehm abwechslungsreich.
düstere, mal warmherzige Reise durch die Welt der Iñupiat jederzeit gelungen unterstreicht.

Die Handlung wird zudem in schönen Zwischensequenzen im Stile der Scrimshaw-Aufzeichnungen des Volkes erzählt. Never Alone dürfte übrigens eine der ersten medialen Aufbereitungen der Geschichte von Kunuuksaayuka abseits dieser Zeichnungen sein. Traditionell wird der kulturelle Fundus an Geschichten und Mythen nämlich nur verbal von Generation zu Generation weitergegeben, da die Sprache der Iñupiat keine Schrift kennt.

Fazit

Never Alone erzählt in stimmungsvollen Bildern die warmherzige Geschichte von Kunuuksaayuka. Auch wenn die Spielmechanik mitunter etwas träge reagiert und die Begleiter-KI mit nervigen Aussetzern auffällt, wäre das Spiel schon für sich alleine eine schöne Erfahrung. Gleichzeitig bietet Upper One Games aber einen seltenen Einblick in die faszinierende Kultur und Mythen der Ureinwohner Alaskas, deren Lebensraum und traditionelles Zusammenleben durch den Klimawandel stark bedroht sind. Fast jedes Spielelement ist mit den Sagen und Traditionen der Iñupiat verknüpft und man hat das Gefühl durch ein lebendiges Stück der mythischen Welt Alaskas zu streifen – gerade weil die hochwertige Videodokumentation jederzeit einen Bezug zu den realen Bewohnern der Region bietet. So gelingt Kisima Ingitchuna trotz kleinerer spielerischer Abstriche eine durchweg gelungene Verbindung von Dokumentation und Videospiel.  

Pro

gelungene Verbindung von Dokumentation und Videospiel
atmosphärische Kulisse
abwechslungsreiche Szenarien
warmherzige Geschichte
Koop-Mechanik
gut aufeinander abgestimmte Fähigkeiten der Protagonisten

Kontra

Koop-Ki mit nervigen Aussetzern
schwammige Sprungsteuerung
Kulisse technisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit
streckenweise etwas nerviges Trial-and-Error

Wertung

PC

Gelungene Verbindung von Dokumentation und Videospiel mit leichten Abstrichen in der Spielmechanik

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