Astebreed10.07.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Mehr ist mehr!

Indie-Entwickler Edelweiss bombardiert die Synapsen von Arcade-Fans mit einem Overkill an Farben, Projektilen und Perspektivwechseln: Das japanische Shoot-em-up Astebreed orientiert sich an Horizontal-Klassikern wie Darius Gaiden, peppt die Action aber mit verrückten Waffenkombinationen und vielen eigenen Ideen auf.

Eier legender Wollmilch-Mech

Im Zentrum des Spiels steht ein erstaunlich vielseitiger Kampfroboter, der seine Gegner mit mehreren Projektil-Systemen angreift – oder sie einfach mit dem Schwert in Stücke hackt. Auf den ersten Blick wirkt das Shoot-em-up wie eine Hommage an Saturn- und Spielhallen-Klassiker der Neunziger. Damals experimentierten die Entwickler auch in althergebrachten Horizontal-Scrollern wild mit den Möglichkeiten der frischen 3D-Technik herum. Astebreed treibt diese Dynamik auf die Spitze: Meist fliege ich von links nach rechts durch stachelige Gegnerhorden und das Kugelchaos, doch in einem Canyon z.B. schwenkt die Kamera plötzlich hinter den Mech, wodurch das Spielgefühl kurzzeitig an Rail-Shooter wie Child of Eden oder Crimson Dragon erinnert.

Bei einem Bosskampf versetzt mich die Kameraführung auch mal in die Vogelperspektive oder in eine schräge bis seitliche Sicht. Das coole daran: Dank der sehr unterschiedlichen Waffen-Systeme bleibe ich auch in solchen Ausnahmesituationen souverän. Wenn das Dauerfeuer an den Feinden vorbei zischt, markiere ich sie eben mit ein paar Homing-Schüssen und weiche nach der Explosion instinktiv einigen Trümmern aus. Natürlich klappt all das nicht ganz so verlässlich wie in einem klassischen Bullet-Hell-Shooter, doch genau das macht Astebreed so erfrischend anders. Wenn man berücksichtigt, wie wild hier die Kameraeinstellungen und Gegnerschwärme wechseln, funktioniert das Zusammenspiel der Waffensysteme erstaunlich gut.

Zu dritt gegen die Aliens

Ob horizontal...
Hinter dem ganzen Chaos stecken natürlich böse Aliens (Filune genannt), welche der Menschheit an den Kragen wollen. Ich schlüpfe in die Rolle von Roy Becket, einem der letzten Krieger, der Hilfe von unerwarteter Seite bekommt. Um die Invasion doch noch abwehren zu können, haben menschliche Wissenschaftler sogar das Bewusstsein zweier Mädchen angezapft und in einen Mech übertragen. Ohne Japanisch-Kenntnisse wird es schwer, die Details der etwas wirren Gechichte zu durchschauen. Sie wird nämlich nicht nur in kurzen Anime-Sequenzen erzählt; auch während des Spiels brabbeln und quietschen die Mädchen fast ununterbrochen. In der Hitze des Gefechts ist es natürlich nicht gerade leicht, auf die Untertitel zu schauen. Außerdem passen der stampfende Japano-Pop und die kitschigen E-Gitarren-Melodien reichlich schlecht zu den futuristischen Mechanik-Monstern.

Visuell hingegen ist Astebreed ein Genre-Highlight. Die Technik der etwas schlichter und kantiger gehaltenen Polygone kommt zwar bei weitem nicht an den Detailüberfluss von Sine Mora heran, doch das Design überzeugt: Die stacheligen Schiffe, Kampfmechs, leuchtende Metallkrebse oder bunt wabernde biomechanische Riesenorgane sind den Entwicklern prima gelungen. Viele von ihnen zerlege ich mit einem fokussierten oder streuenden Dauerfeuer. Umkreist mich ein Gegnerschwarm,  kann ich ihn mit einem selbstaufladenden Homing-System ärgern. Je länger ich den Knopf gedrückt halte, desto ausdauernder bleiben meine kleinen blauen Drohnen-Kügelchen auch bei den Widersachern und decken sie mit Geschossen ein.

Flexible Waffensysteme

...oder mit Schulterkamera - in jeder Lage ist es motivierend, sich mit den mächtigen Waffensystemen auf die schnellen Szenenwechsel einzustellen.
Noch praktischer ist es, die blau glühenden Helferchen fokussiert einzusetzen: Taucht sich ein fetter Gegner hinter mir auf, drücke ich den Stick schnell in seine Richtung und richte den Markierungsstreifen auf ihn. Bei solch gezielten Angriffen kann ich die Homing-Schüsse viel schneller aufladen. Noch mehr Schaden füge ich nahen Gegnern mit meinem Schwert zu. Oder ich starte eine der effektiven „EX“-Superattacken. Es wäre zu verwirrend, auf alle Feinheiten einzugehen – aber im Großen und Ganzen gibt es für fast jede Situation unterschiedlich geeignete Reaktionen und es macht viel Spaß, mit ihnen zu experimentieren. Damit der Spieler nicht überfordert wird, wartet im Hauptmenü ein ausführliches Tutorial und auch im Prolog werden die Techniken erläutert.

Zu Beginn ist all das trotzdem zu viel: Es wäre sinnvoller gewesen, wenn ich manche Attacken erst im späteren Spiel hätte lernen können. Im Gegenzug haben die Entwickler den Schwierigkeitsgrad sehr moderat angesetzt und geben mir viele Instrumente an die Hand, mit denen ich mich aus brenzligen Situationen herausmogeln kann. Statt eines Lebens-Systems gibt es z.B. einen robusten wiederaufladenden Schild. Ist er leer, geht es mit einem Continue weiter. Außerdem darf ich ruhig mit meinen Gegnern kollidieren und kann sogar einen Großteil der fetten Projektile mit dem Schwert aus dem Weg räumen. Wer sich nie an knifflige Bullet-Hell-Spiele gewagt hat, kann hier bedenkenlos hineinschnuppern. Für Profis wird es dagegen manchmal zu leicht. Im Gegenzug ist aber das Punkte-System ähnlich eigenwillig aufgebaut wie die Waffen, so dass sich geübte Spieler ihre Herausforderung in den weltweiten Bestenlisten suchen können. Ein voller Schild erzeugt z.B. einen Multiplikator und im Bosskampf wirkt sich ein Countdown auf die Puntzahl aus. Außerdem lässt sich mit gewöhnlichen Attacken ein „Tension Level“ in die Höhe treiben, welcher durch Nahkampf- und EX-Attacken ausgenutzt werden kann.

Fazit

Was für ein Ritt: Mit seinem fantasievollen SciFi-Design und schnellen Perspektivwechseln erinnert Astebreed sofort an Shoot-em-up-Klassiker der 32-Bit-Ära. Der japanische Entwickler Edelweiss begnügt sich aber zum Glück nicht mit Nostalgie. Im Spiel stecken viele unterschiedliche Waffen- Energie- und Punktesysteme, die toll aufs wilde Spiel abgestimmt wurden. Durch die guten Ideen fühlt sich die schnelle Action erfreulich frisch an. Gestört wird der Spaß nur durch den kitschigen Soundtrack, die wirr präsentierte Anime-Geschichte ohne englische Sprachausgabe und den mitunter zu niedrigen Schwierigkeitsgrad. Im Gegenzug kann ich das Spiel aber all jenen ans Herz legen, die sich trotz Interesse am Genre bislang von zu knackigen Bullet-Hell-Shootern abschrecken ließen. Wer das Spiel lieber stilecht vor dem Fernseher zocken möchte, kann übrigens auf die PS4-Umsetzung warten, welche noch in diesem Jahr folgen soll.

Pro

gelungene Kombination sehr unterschiedlicher Attacken
wilder Action-Ritt mit schnellen Perspektivwechseln
dank vieler Abwehrmechanismen auch für Einsteiger geeignet...
leuchtend bunte SciFi-Panoramen
durchgeknallte Gegner und fette Bosse

Kontra

wirre Anime-Geschichte ohne englische Sprachausgabe
unpassend seichter bis kitschiger Japano-Pop
...mitunter etwas zu einfach

Wertung

PC

Erfrischend ideenreiches Shoot-em-up mit sehr unterschiedlichen Attacken und wilden Perspektivwechseln.

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