Im Test: Möchtegern-General Standard
Klassisches Vorbild
Nach Act of War, R.U.S.E. und der Wargame-Trilogie versucht sich Eugen Systems mit Act of Aggression an einem Echtzeit-Strategiespiel in einer nicht so fernen Zukunft, das sich mit Basisbau und dem Sammeln von Rohstoffen an den klassischen Grundlagen à la Command & Conquer orientiert. Juhu! Endlich wieder Basisbau - ein Element, das in vielen Strategiespielen der letzten Jahre unverständlicherweise zu kurz kam. Egal, welche der drei Fraktionen man spielt, es dürfen Kasernen, Fahrzeugfabriken, Helikopter-Landeplätze, Kraftwerke, Rohstofflager, atomare Superwaffen, Verteidigungsanlagen und (viel zu viele) Gebäude mit Technologieupgrades hochgezogen werden - ohne das Tempo in den Partien zu sehr zu drücken. Und mit diesen Produktionsanlagen wird die Kriegsmaschinerie in Gang gebracht, sofern genug Ressourcen vorhanden sind. Die dazu notwendigen Rohstoffe können auf der jeweiligen Karte gesammelt werden und gerade in diesem Bereich gibt sich Act of Aggression vergleichsweise komplex.
Ressourcenwettlauf
Drei Ressourcen (plus Strom) sind nötig: Öl, Aluminium und seltene Erden. Diese Rohstoffe sind zunächst verborgen und können aufgedeckt werden, indem man eine Erkundungseinheit über die Karte schickt, die dann mit stetig den gleichen
Es gibt darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten, um an Rohstoffe zu gelangen und diese erweitern die taktischen Möglichkeiten ungemein. So lassen sich auf den Karten mehrere Banken erobern, die regelmäßig für den Halter "Öl" produzieren, sofern sie der Gegner einem nicht streitig macht. Zudem bleiben bei den Gefechten des Öfteren "Kriegsgefangene" zurück, die von Infanteristen gefangengenommen werden können und eine Ladung "Öl" (oder andere Ressourcen je nach Basisausbau und Forschung) versprechen.
Basisbau und Forschungswirrwarr
Das angenehm vielschichtige Ressourcensystem verleitet zu einer aggressiven und expansiven Vorgehensweise, um nicht den Kürzeren zu ziehen. Das Verschanzen in der eigenen Basis ist kaum möglich, da keine Mauern gebaut werden können und man stetig auf mehr Rohstoffe angewiesen ist, da bestehende Quellen versiegen. Als Verteidigungseinrichtungen lassen sich MG-/Artillerie-/Luftabwehr-Türme hochziehen und es ist sogar möglich, Superwaffen wie Raketen mit Nuklearsprengköpfen abzufangen.
So weit, so gut, aber was mich stört, ist die chaotische Struktur des Forschungs- und Upgrade-Systems, das auf viel zu viele unterschiedliche Gebäude verteilt wurde - oftmals wirkt es so, dass noch irgendwelche Forschungsupgrades mit in das Gebäude gequetscht wurden, weil woanders kein Platz mehr war. Und da neue Technologien für die Einheiten eine immens wichtige Rolle spielen, ist es umso ärgerlicher, dass alles so verteilt, verstreut und uneinheitlich ist. So können z.B. bei der US-Army sowohl im Hauptgebäude als auch in der leichten Fahrzeug-Fabrik und der Waffenfabrik spezielle Upgrades für Fahrzeuge erforscht werden. Warum nicht an einem Ort? Ein Tech-Tree-Bildschirm für Infanterie, Fahrzeuge oder Luft-Einheiten mit allen Truppen- und Upgradeypen hätte sofort das Durcheinander gelöst. Bei StarCraft 2 ist es zwar ähnlich (gerade bei den Protoss), aber bei Act of Aggression ist es die Masse an Forschungsmöglichkeiten und die seltsam verteilte Struktur, die es so unnötig unübersichtlich macht.
Schwaches Interface
Auch die Benutzeroberfläche lässt in der Beziehung zu wünschen übrig und versteckt Informationen über Gebäude, Verbesserungen und Einheiten lieber in Textform, anstatt die relevanten Details übersichtlich darzubieten. Stichpunkte und Icons wären viel angebrachter gewesen und hätten den Einstieg erleichtert - gerade bei den temporeichen Gefechten. Dass solche Zusatzinformationen einfach unterzubringen sind,
Drei Fraktionen auf dem Schlachtfeld
Obgleich sich die Fraktionen Kartell, US-Army und Chimera nicht so sehr unterscheiden wie ihre Pendants aus Grey Goo oder StarCraft 2, spielen sich die einzelnen Streithähne durchaus verschieden. Die vertrauteste Fraktion dürfte wohl die US-Army sein, da sie weitgehend bekannte Vehikel und Kämpfer ins Gefecht schickt. Marines, Scharfschützen, Humvees, diversen Stryker-Varianten, M1A2 Abrams, Little Birds, F-35B Lightning II und der granatenstarke Raketenwerfer HIMARS sind u.a. mit von der Partie und
Technologisch fortgeschrittener ist die Chimera - eine von den Vereinten Nationen gegründete Task-Force. Ihre Einheiten lassen sich durch eine Vielzahl von Upgrades gezielter an den Gegner anpassen. Zu ihren Einheiten gehören z.B. ADS, Puma, Pantsir, Rhino oder Soldaten mit Exo-Skeletten und optionaler Selbstregenerationsfunktion. Noch fortschrittlicher ist das Kartell, das auf Railguns und Fahrzeuge oder Helikopter mit optischer Tarnvorrichtung (z.B. Comanche) setzt. Trotz der technologischen Möglichkeiten setzt das Kartell eher auf Hit-an-Run-Attacken und verfügt nicht über so schlagkräftige Artillerie wie die US-Truppen, die fast mehr als zwei Kartenausschnitte weit feuern kann.
Von taktischer Tiefe …
Obwohl sich alle Einheiten prinzipiell in die Kategorien Infanterie, Anti-Infanterie, Mörser, Luftabwehr, Panzerjäger, schwere Panzer, Helikopter und Co. unterteilen lassen, muss man sich zunächst die Stärken und Schwächen der Truppen (und ihrer zahlreichen Upgrade-Möglichkeiten) einprägen und das geschieht am besten in Einzelspieler-Gefechten oder dem Mehrspieler-Modus. Hierbei liegt ein durchweg logisches Schere-Stein-Papier-Prinzip zugrunde. Die Einheiten-Balance ist noch nicht hundertprozentig perfekt, aber weitgehend in Ordnung und recht kompromisslos - vor allem wenn wenige Mörser ganze Infanteriehorden ausschalten oder Bomber einen Heidenspaß mit zu eng fahrenden Panzerverbänden haben. Da jeder Fraktion knapp über zwei Dutzend Einheiten und zahlreiche Upgrades zur Verfügung stehen (allein über 30 Upgrades bei der US-Army), ist die taktische Tiefe für ein Spiel dieser Gattung wirklich vorbildlich und bietet mehr Tiefgang als Grey Goo oder Act of War. Ich würde mir nur wünschen, dass sich die Einheiten - gerade die fitzeligen Infanteristen - optisch deutlich voneinander unterscheiden könnten.
… und fortgeschrittenen Features
Vorbildlich ist, dass die Einheiten eine intelligente Formation einnehmen können (rechte Maustaste gedrückt halten) und man im Steuerungsmenü einstellen kann, ob sich gemischte Einheiten-Verbände mit gleicher Geschwindigkeit fortbewegen sollen oder nicht - was sie brav machen und im Schneckentempo daherjuckeln, wenn Infanteristen und Humvees gemeinsam unterwegs sind. Auf Mikro-Management wird kaum Wert gelegt - es gibt z.B. keine Spezialfähigkeiten von Einheiten, die man mit Mausklicks auswählen kann wie bei StarCraft. Dafür schwächelt das Spiel in anderen Bereichen. Abgesehen davon, dass man die Einheiten nicht auf Patrouille schicken kann, gewinnen die Truppen im Verlauf des Gefechts nicht an Erfahrung. „Helden“ fehlen ebenso. Wie die Einheiten auf Beschuss reagieren sollen, kann man ebenfalls nicht einstellen. Zudem ist mir die Kamera ein bisschen zu nah am Geschehen und gewährt zu wenig Übersicht. Es gibt zwar den tollen Drohnen-Modus, der wichtige Elemente und Einheiten farblich hervorhebt, aber weiter rauszoomen darf man dort unverständlicherweise nicht.
Kampagne zum Vergessen
Act of Aggression bietet zwei Kampagnen für drei Fraktionen - die US-Army bleibt außen vor (Spekulation: Erweiterung). In der ersten Kampagne, die zehn Missionen lang ist, dreht sich alles um Chimera und im zweiten Feldzug, der lediglich fünf Einsätze umfasst, wechselt man die Seiten und darf das Karell spielen. Abgesehen davon, dass die Kampagnen nicht als ein Tutorial fungieren, bleiben sie weit von der Qualität von
Besser, aber nicht viel, sind die Missionen. Das Spiel spult das typische Repertoire aus Basisbau, Basiszerstörung, Einheiten (z.B. LKWs) beschützen, Forschungszentren einnehmen und halten, VIPs retten, Flughafen einnehmen und Co. ab. Etwaige Bonusziele sind zu erfüllen, werden jedoch nicht belohnt. Unterschiedliche Schwierigkeitsgrade fehlen ebenso, was es gerade Einsteigern nicht leicht macht, denn prinzipiell sind die computergesteuerten Gegner nicht zu unterschätzen, da sie zumeist clever auf die ankommenden Einheiten reagieren und selbst gegen größere Verbände brauchbare Mittel finden. In der Kampagne kommen noch geskriptete Ereignisse,
Tolle Gefechte und Multiplayer-Duelle
Während die Kampagne allerhöchstens Mittelmaß ist, kann man wesentlich mehr Spaß im Gefecht gegen oder mit KI-Spielern oder im Mehrspieler-Modus haben. Es können Partien für bis zu acht Spieler erstellt werden (Auswahl via Server-Browser). Derzeit stehen 18 Karten zur Verfügung - zumeist symmetrisch gestaltet und für zwei oder vier Spieler. Gewertete Duelle bzw. Rang-Gefechte gegen automatisch ermittelte Gegner gibt es in den Varianten 1-vs-1 und 2-vs-2. Und erst in den Einzelgefechten oder den Multiplayer-Duellen kristallisiert sich heraus, dass die Gefechte wirklich Tiefgang besitzen, unterschiedliche Vorgehensweisen möglich sind und aggressives Vorgehen belohnt wird. Seine wahren Stärken zeigt Act of Aggression erst spät bzw. abseits der Kampagne.
Fazit
Ich habe mich wirklich auf Act of Aggression gefreut. Auf ein klassisches Echtzeit-Strategiespiel mit Basisbau, dem Sammeln von Rohstoffen und einer aggressiven Grundauslegung. All das wird auch geboten, jedoch läuft vieles schief, obwohl der Kern eigentlich genau richtig ist. Die Schlachten machen prinzipiell Spaß, bieten taktischen Tiefgang aufgrund der drei Fraktionen sowie zahlreicher Upgrades und auch Tempo sowie Actionanteil stimmen, während das Rohstoffsystem mit zu dem Besten gehört, was es in dem Bereich gibt. Warum schafft es Act of Aggression dann nicht zu überzeugen? Da wäre zunächst die völlig langweilig inszenierte und belanglose Kampagne mit Hauruck-Einstieg. Die Missionen gehen zwar in Ordnung, setzen aber keine Akzente und wirken wie lieblose Standardware. Und neben fehlendem Erfahrungssystem und Funktionen für die Einheiten stört mich das unstrukturierte Menü, die überall verteilten Forschungsoptionen sowie die fehlende Klarheit bei den Beschreibungen - das hatten StarCraft 2 oder Grey Goo wesentlich besser gelöst. Mit der Übersicht in den Gefechten ist auch so eine Sache, da die optischen Unterschiede vieler Einheiten eher klein sind, die Kamera zu nah am Geschehen bleibt und selbst bei der gut gemeinten Drohnen-Sicht mit farblichen Hervorhebungen fehlt der nötige Rauszoom-Faktor. Als ich zunächst mit der höchstens mittelprächtigen Kampagne anfing, verlor ich schnell das Interesse und die Hoffnung auf packende Echtzeit-Gefechte. Erst im Gefecht gegen die Computergegner und im Multiplayer zeigt das Spiel seine Stärken in Sachen Einheitenvielfalt und krachenden Schlachten.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Kampagne und Interface: Pfui! Gefecht und Multiplayer: Hui! Act of Aggression ist trotz toller taktischer Schlachten ein Wechselbad der Gefühle.
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