Test: 4PM (Adventure)

von Benjamin Schmädig



4PM (Adventure) von Bojan Brbora
Sechs Stunden in dreißig Minuten
Entwickler:
Publisher: -
Release:
10.07.2014
Erhältlich: Digital (Steam)
Spielinfo Bilder Videos
New York, so scheint es jedenfalls, vier Uhr nachmittags. Warme Sonnenstrahlen brechen mit unendlicher Ruhe durch die Aluminiumstreben eines Gerüsts. Ich nähere mich der Installation, die hoch über der Straße die Buchstaben des Firmenlogos trägt, dann wird das Bild schwarz. Ein Fallen und ein makaberes Knacken – dann erwache ich am Morgen desselben Tages in meinem Bett.

"Guten" Morgen!

Ich stecke in der Haut von Caroline, deren Dilemma gleich um zehn deutlich wird, als sie mit Mühe auf die Beine kommt: Das Bild torkelt mit jedem langsamen Schritt, leere Flaschen liegen offen auf den Möbeln, nicht einmal ihre eigene Stimme versteht sie klar und deutlich. Welch ein starker Ansatz! Zumal ich die Torturen der Protagonistin durch spielerische Einschränkungen am eigenen Leib erfahre.

Und welch eine schwache Ausführung, bei der ich nur wenige Szenen erlebe, in denen mein Tun meist aus dem Anklicken vorgeschriebener Auslöser besteht. In einer Erinnerung an die letzte Nacht muss ich binnen kurzer Zeit den Weg auf die Toilette finden. Im Büro schleiche ich mich von dannen, wenn der Chef nicht hinschaut – auf einem geraden Gang, den er unveränderlich auf und ab patrouilliert.

Diese viel zu knappen Situationen sind schwache Minispiele. Kleine Ideen wollen mich zwar ins Geschehen einbinden, die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten rauben aber jede Illusion. So kann ich mich ohne Bewegungsfreiheit nur von einem Computer zum nächsten klicken – und muss irgendwann zur Flasche greifen, um die nächste Szene auszulösen.
I do.
I do.
Zuvor könnte ich am Computer einen Text eingeben, das registriert der Vorgesetzte aber gar nicht. Dabei dreht sich in diesem Moment alles um Carolines Produktivität am Arbeitsplatz.

Sechs Stunden in 30 Minuten

4PM ist das Experiment eines Studenten der britischen National Film and Television School: Bojan Brbora wollte seine achtjährige Filmerfahrung in einer interaktiven Form weiterentwickeln. Tatsächlich trägt die Umsetzung des Skripts von Stefan Kaday eine filmische Handschrift, wenn z.B. Rückblenden neugierig machen und Carolines Vergangenheit beleuchten.

Doch nicht einmal die cineastische Inszenierung gelingt dem Filmemacher. Carolines Charakter tritt aus ihren wenigen Zeilen etwa kaum hervor und im wichtigen Finale wirkt ein abrupter Übergang von normaler Gesprächslautstärke in ein vorwurfsvolles Bellen befremdlich.

Und bevor man weiß, wo die Geschichte eigentlich hin geht, bevor ich Empathie für die Hauptfigur empfinden konnte, da komme ich schon auf dem Dach an und Brbora bei seiner Auflösung. Er beendet sein gerade mal halbstündiges Schauspiel mit einer Unterhaltung, in der ich zwar verschieden reagieren, aber nur ganz zum Schluss zwischen zwei Enden wählen darf. Emotional beteiligt war ich an keinem von beiden.

Kommentare

GrinderFX schrieb am
Und die Reihe der nur noch Schrottsteamspiele setzt sich fort.
Lord Hesketh-Fortescue schrieb am
LePie hat geschrieben:Gemach, damit, dass es als Spiel versagt, habe ich mich schon lange abgefunden. Aber gerade beim Ende hatte ich den Eindruck, der Herr Regisseur würde sich generell an Ratgeber der Sorte "M.N. Shyamalan: How to Make No Meaning Look Meaningful - A Basic Guide to Artsy Filmmaking" heften.
Klar, das ist auch als Drama ganz ganz schwach. Ich habe dennoch den Eindruck, dass er sich da gerade in dem Bestreben, mehr Möglichkeiten zu haben, letztlich in ein kreatives Korsett und eine Sackgasse manövriert hat, was durch das abstruse Überdramatisieren und die Bedeutsamkeits-Brechstange beim Finale dann vergeblich übertüncht werden sollte (aber letztlich nur noch peinlicher wirkt). Das Konzept geht jedenfalls vorne und hinten nicht auf, weder spielerisch noch filmisch, da sind wir uns einig.
LeKwas schrieb am
Gemach, damit, dass es als Spiel versagt, habe ich mich schon lange abgefunden. Aber gerade beim Ende hatte ich den Eindruck, der Herr Regisseur würde sich generell an Ratgeber der Sorte "M.N. Shyamalan: How to Make No Meaning Look Meaningful - A Basic Guide to Artsy Filmmaking" heften.
Lord Hesketh-Fortescue schrieb am
LePie hat geschrieben:
inami hat geschrieben:Die "Geschichte" ist sowas von unterirdisch, sogar nicht katastrophaler als die Grafik
Dem stimme ich zu. Ich kann kaum glauben, dass da wirklich ein gelernter Kurzfilmregisseur und Drehbuchautor hinter stecken sollen. [...]
...der das ganze Faszinosum "Spiel" offensichtlich keinen Deut begriffen und verinnerlicht hat. Hätte er sich mal von all dem störenden interaktiven Ballast befreit, dann hätte er sich vermutlich etwas besser dieser (durchaus interessanten) Thematik auf filmischem Wege nähern können. Aber nein, es musste ja ein narratives, interaktives Dingsbums werden, noch dazu im bequemen Fahrwasser anderer Titel, die das leider wesentlich besser und origineller gemacht haben. Schade, wenn man sich bei derlei verkrampften Amalgamierungsversuchen - statt die (zumindest theoretisch denkbaren) Synergieeffekte aus Film und Spiel freizusetzen - dermaßen selbst kreativ beschneidet. Klassischer Schuss nach hinten, würd ich sagen.
Naja, wenn es nach dem Schauen eines maximal 30-minütigen LPs KEINEN EINZIGEN Grund gibt, selbst Hand an das Teil anzulegen, dann hat der Entwickler irgendwas ganz gründlich falschgemacht.
LeKwas schrieb am
inami hat geschrieben:Die "Geschichte" ist sowas von unterirdisch, sogar nicht katastrophaler als die Grafik
Dem stimme ich zu. Ich kann kaum glauben, dass da wirklich ein gelernter Kurzfilmregisseur und Drehbuchautor hinter stecken sollen.
Besonders das Ende: "Wendungen, wir brauchen noch viel mehr Wendungen!"
schrieb am