Neu? Nicht ganz!
Apropos übersichtliches Benutzer-Interface: Wer den Football Manager schon länger spielt, wird sich vielleicht noch an die Version 2009 erinnern. Dort war zum letzten Mal eine vertikale Navigationsleiste zu sehen, die ein Jahr später im Rahmen von mehr Übersicht und einer horizontalen Reiternavigation fallen gelassen wurde. Die Wiedereinführung dieser Navigationsform sorgt definitiv für ein schnelleres Erreichen der relevanten Themenbereiche wie Terminplan, Training, das Trainer-Team usw. Allerdings finden sich auch einige Bereiche darunter, die für mich nicht so wichtig sind wie z.B. die U19-Mannschaft, so dass ich mir letztlich eine Individualisierungs-Option wünsche, um mich wirklich auf das konzentrieren zu können, was für mich als Coach Bedeutung hat. Und je nachdem könnte sich das auch auf die dynamische Anpassung des "Tracksuit-Tactical-Systems" auswirken. Aber das ist zumindest derzeit noch Zukunftsmusik bzw. eine Herausforderung, der sich die Modding-Community annehmen wird, dank derer man die fehlenden Logos und Spielerbilder einfach integrieren kann.
Die Interviews auf dem Weg zum Platz sind neu und können ebenso wie andere Antworten oder Gespräche Auswirkungen nach sich ziehen.
Bei den hier noch wichtiger gewordenen Spieler bzw. Teamgesprächen, Interviews und Möglichkeiten mit den Medien zu interagieren, um entweder seine Schützlinge über positive PR zu pushen oder die Gegner mit negativen Aussagen nervös zu machen, gibt es wenige Fortschritte. Zwar wird man nun auch ab und an im Spielertunnel auf dem Weg zur Trainerbank kurzfristig mit Fragen konfrontiert. Und man kann auch vom Spielfeldrand versuchen, auf die Mannschaft oder einzelne Spieler per Zuruf Einfluss zu nehmen und sie z.B. beruhigen oder anstacheln, wenn es die Situation erfordert. So sehr ich vor allem die Zuruf-Option zu schätzen weiß, hätte ich mir allerdings gewünscht, dass es bei den Standard-Spielergesprächen mehr Optionen gäbe. Nicht nur, dass die Spieler zu häufig mit den gleichen Problemen auf mich zukommen und man daher schnell weiß, wie man sich aus brenzligen Situationen entfernen kann. Manchmal landet man immer noch durch eine Antwort, deren Intention eine ganz andere war, in Teufels Küche - im schlimmsten Fall droht ein genervter Spieler die gesamte Mannschaft mit in sein Moraltal zu ziehen. Andererseits gibt es einem einen weiteren Motivationsschub, wenn alles funktioniert und ein Spieler in einer Formkrise nach einem Gespräch unter vier Augen sein Herz in die Hand nimmt und unerwartet zum neuen "Aggressive Leader" wird. Zusätzlich wäre es allerdings wünschenswert, wenn man auf Sachen, die man über die Presse erfährt, Bezug nehmen und direkt mit dem Spieler darüber sprechen könnte. Ein Beispiel: Einer meiner Spieler gibt in einem Interview zu Protokoll, dass ich als Coach in der Kabine in der Halbzeit laut geworden bin. Nun kann ich ihn aber nicht darauf ansprechen und ihm klarmachen, dass ich seine Wortwahl nicht so gut finde. Ein weiteres: Aus der Presse erfahre ich, dass sich ein Spieler wohl im Team und im Verein fühlt. Jetzt wäre es klasse, wenn ich mit ihm in diesen emotionalen Hochphasen mit ihm sprechen könnte, um ihn vielleicht längerfristig an den Verein zu binden, ohne die zwar realistischen, aber stets ungeachtet solcher Emotionen laufenden Vertragsverhandlungen über mich ergehen lassen zu müssen.
Differenziertes Scouting
Auch wenn die Matchdarstellung besser aussieht als bisher, bleibt sie hoffnungslos unzeitgemäß.
Bevor es zu Vertragsverhandlungen kommen kann, in denen man sich über einige Verhandlungsrunden annähert, wobei man als Coach stets die finanziellen Vorgaben des Vorstands/der Club-Besitzer beachten muss, ist allerdings Scouting angesagt. Es sei denn, man möchte die Katze im Sack kaufen und den Beratern gutgläubig vertrauen. Doch dies ist hier noch unratsamer als in den Vorgängern, da das gesamte Scout-System umgearbeitet wurde. Anstatt wie früher einen Spieler zu beobachten und dann im Wesentlichen alles über ihn zu wissen, sind die Ergebnisse von vielen Faktoren abhängig: Wie gut ist der Scout im Allgemeinen? Wie gut kennt er sich mit dem Gebiet aus, aus dem der Spieler unter Beobachtung stammt. Und zu guter Letzt führen häufige Beobachtungen desselben Athleten zu verfeinerten Ergebnissen.
Andererseits liegt das Gute häufig so nah: Wer sich entweder die richtige Unterstützung in Form von Assistenten, Jugendtrainern usw. holt oder sich selbst die Mühe macht, seine Jugendabteilung auf Vordermann zu bringen, kann auf einige Vorteile bauen. Talente aus eigenen Reihen sind günstiger und können bei entsprechendem Erfolg mit viel Gewinn weiter verkauft werden, wenn man es nicht schaffen sollte, dauerhaft auf einem internationalen Niveau zu spielen, das für die Nachwuchs-Kicker natürlich auch irgendwann das Ziel ist. Hier folgt der FM ebenso den gegenwärtigen Tendenzen wie bei Financial-Fair-Play-Vorgaben und sonstigen Vorgaben von UEFA oder FIFA.
Die Ohnmacht des Trainers
Schön: Meine Ansprache zeigt Wirkung - zumindest bei einigen Spielern.
Hat man schließlich alle Einstellungen hinter sich gebracht, sein Team heiß gemacht und die Taktik festgelegt, geht es auf den Platz. Traditionell ein Schwachpunkt der Serie, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Dank Motion Capturing, verbesserten Lichteffekten, unterschiedlichen Stadien, graduierlicher Verschmutzung von Trikot, Stutzen oder Hosen sowie zahlreichen kleinen Verbesserungen, ist die Matchdarstellung ansehnlicher als je zuvor. Die schlechte: Sie ist ungeachtet der ausgewählten Kameraperspektive immer noch meilenweit davon entfernt, zeitgemäß zu sein. Doch auch wenn die Ballführung mitunter unrealistisch ist, die Animationen beim Tackling unsauber laufen oder der Torwart gelegentlich theatralisch abhebt und jenseits echter Schwerkraft-Einwirkung fällt, ist die Immersion enorm hoch. Denn die im Hintergrund laufende Berechnung gibt mir das Gefühl, wirklich einem Team zuzuschauen, das versucht, meine Vorgaben umzusetzen. Einem Team, das aus Individualisten besteht, deren Stärken und Schwächen trotz der mitunter minimalistischen Grafik überzeugend dargestellt werden. Einem Match, bei dem auch mal Abseitstore zählen, während zu Toren führende Nicht-Abseits-Positionen abgepfiffen werden - Schiris sind auch nur Menschen.
Denn auch wenn hinter den mitunter sparsam animierten Figuren letztlich nur akribisch recherchierte Zahlenwerte stehen, ist die Authentizität enorm hoch. Dank der Gespräche, die man mit den Figuren ggf. geführt hat und dank der Zeit im Allgemeinen, die man mit dem Team, dem Training und allem verbracht hat, was sonst noch mit der Mannschaft zu tun hat, wurden die Pixelmännchen zu Persönlichkeiten. Klar: Man braucht etwas Fantasie - oder zumindest einen besonderen Grad der Fußball-Leidenschaft. Doch dann leidet man mit seinen Spielern, man jubelt mit ihnen, man möchte sie auf und neben dem Platz aufbauen, wenn es nicht so gut läuft und manchmal möchte man jeden einzelnen Akteur nehmen und durchschütteln. In diesen Momenten sitze ich gebannt vor dem Schirm, rege mich über Fehlpässe auf, balle die Faust bei einem Tor oder raufe mir die Haare, wenn der Pfosten getroffen wird. Ich versuche über Rufe von der Seitenlinie noch etwas Einfluss zu nehmen, zu der Mannschaft durchzudringen und muss feststellen: Der Trainer ist doch die ärmste Sau - und kein anderes Spiel kann „Emotion Fußball“ in virtueller Form so sehr vermitteln wie der Football Manager.