Im Test: Ein grausames Todesurteil
Alone in the Dark gilt als Gründer des Survival Horrors, auch wenn erst Resident Evil den Begriff prägte und dem Genre zum Durchbruch verhalf. Und obwohl die einst ruhmreiche Reihe in den letzten Jahren mit dem durchwachsenen Alone in the Dark (2008) und der unterirdischen Verfilmung von Uwe Boll deutlich Federn lassen musste, beweist Atari mit Illumination jetzt vor allem eins: Schlimmer geht immer!
Ich Narr. Ich dachte tatsächlich, dass mit Bolls Kinofilm die einst ruhmreiche Marke „Alone in the Dark“ ihren Tiefpunkt erreicht hätte. Jetzt weiß ich: Ich lag sowas von daneben! Denn verglichen mit dem, was Atari und Entwickler Pure FPS hier mit Illumination abliefern, ist die Verfilmung ein Oscar-Kandidat. Selbst das grausige Resident Evil: Operation Raccoon City, das thematisch mit Koop-Ansätzen sowie Action aus der Schulteransicht einen ähnlichen Ansatz verfolgte und ebenfalls zum massiven Imageschaden einer Horror-Marke beigetragen hat, schlägt sich neben diesem teuflischen Machwerk sogar halbwegs passabel.
Wo soll ich bloß anfangen? Vielleicht damit, dass es bis auf den Namen null Bezüge zu den bisherigen Spielen oder Ereignissen der Reihe gibt. Aus dem Action-Adventure mit morbider Gruselatmosphäre ist hier endgültig eine seelenlose Dumpfbacken-Ballerei geworden, bei der man sich nicht einmal Sprecher leisten konnte. Stattdessen wird der Spieler mit Texttafeln für den pseudo-erzählerischen Rahmen zugemüllt. Und die haben es in sich: Es ist schon eine kleine Kunst, so viele Rechtschreib- und Grammatikfehler auf so kleinen Feldern unterzubringen. Manchmal hat man sich die Babelfisch-Übersetzung sogar komplett gespart und bleibt einfach bei englischen sowie französischen Vorlagen oder mischt einfach ein paar Sprachen zusammen. Hmmm, ist das vielleicht ein bewusst eingestreutes
Das Verlegen von Stromkabeln kann schöne Nebeneffekte mit sich bringen.
linguistisches Rätsel? Dann hätte man inhaltlich neben der strunzlangweiligen Action und redundanten Suchaufgaben ja doch noch mehr zu bieten als gedacht, denn ein besser designtes Puzzle als dieses Sprachwirrwarr wird man im gesamten Spiel nicht finden.
Stattdessen beschränken sich die Aufgaben meist darauf, mehrere Batterien, Stromkabel oder Sprengladungen zu suchen, um irgendeine Maschinerie in Gang zu setzen. Spätestens hier wird man sich über das beschränkte „Inventar“ ärgern, mit dem man selbst in der Solo-Kampagne leben muss. „Mehr Batterien nicht durchführen“. „Sie können keine weiteren Sprengladungen nicht durchführen“. Oder etwas verständlicher ausgedrückt: Ihr könnt nicht mehr als einen Gegenstand rumschleppen. Und das wird spätestens dann lachhaft, wenn man zwei Hälften eines Siegels nur getrennt aufsammeln und zum Ziel befördern darf, nachdem man zuvor schon zwei komplette Siegel in den virtuellen Taschen unterbringen konnte.
Meist trifft man auf die gleichen Gegnertypen - viel Auswahl gibt es nicht.
Aber Logik zählt ohnehin nicht zu den Stärken des Spiels – übrigens genauso wenig wie die extrem dünnen Waffensounds, die hölzernen Animationen, das lächerliche Figuren- und Gegnerdesign oder die erschreckend fade Kulisse. Zum einen ist das KI-Verhalten bemerkenswert: Die Widersacher, von denen es kaum Variationen gibt, können nur im Licht verletzt werden. Und was machen sie? Sie torkeln wie hirnamputierte Motten mit Lemmingsyndrom immer schön zielgerichtet von der sicheren Dunkelheit in den gefährlich hellen Schein – sofern sie den Weg finden, denn oft genug bleiben die Deppen an Objekten hängen. Aber zurück zur Logik, denn obwohl selbst schimmerndes Feuer in Tonnen die Angreifer verwundbar macht, ist der Lichtkegel unserer Taschenlampe wirkungslos. Tja, da hätten sich die vier spielbaren Charaktere wohl besser mal das Exemplar von Alan Wake ausgeborgt...
Obwohl die vier Klassen Jäger, Hexe, Ingenieur und Priester starke Unterschiede zwischen den erbärmlich modellierten Figuren andeuten, spielen sich doch alle verdammt ähnlich und es gibt nur ein paar nicht nennenswerte Unterschiede zwischen Bewaffnung und Fähigkeiten. Während man als Hunter z.B. auf einen übermächtigen Flammenwerfer zurückgreifen kann, verschießt man als Hexe Energieblitze oder wirbelt als Priester mit dem „Zorn Gottes“ herum.
Jeder Charakter lässt sich außerdem dank eines Rangsystems und Erfahrungspunkten mit der Zeit aufwerten. So verbessert man z.B. die Ausdauer bei Rennen, die maximale Gesundheit sowie die Durchschlagskraft von Schusswaffen und Spezialfähigkeiten. Erreicht man höhere Ränge, darf man irgendwann außerdem bis zu vier statt der anfänglichen zwei Inventarplätze mit Knarren oder zusätzlichen Begabungen füllen. Ja, das ist ganz nett, wenn auch peinlich präsentiert. Vielleicht wäre es aber besser gewesen, Pure FPS hätte sich selbst ein paar mehr Fähigkeiten-Upgrades spendiert als dem Spiel – das Studio hätte es definitiv nötiger!
Der Flammenwerfer wird (zu) gut mit Munition versorgt ist und ist übermäßig stark.
Denn abgesehen davon, dass man inhaltlich hier nur spaßfreie Grütze abliefert, benötigt man offenbar auch technisch noch viel Nachhilfe – vor allem im Audiobereich. Denn neben den Problemen mit der Kollisionsabfrage, bei denen Gegner teilweise durch Objekte wie Türen oder Pfeiler hindurch kommen, werden kurze Soundtrack-Schleifen mitunter abrupt ausgeblendet. Manchmal fehlen die Soundeffekte sogar komplett. Ich habe noch nie derart stillen Explosionen beiwohnen dürfen, die selbst der Mute-Taste einer Fernbedienung ernsthafte Konkurrenz bereiten. Dazu gesellen sich vor allem beim Spielstart Ladezeiten jenseits von Gut und Böse, die mich schon vermuten ließen, das Spiel sei komplett abgestürzt. Was man dann im Gegenzug für die lange Warterei geboten bekommt, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Auf Bildern wirkt die Kulisse durchaus schummrig, Horror-Atmosphäre kommt aber für keine Sekunde auf.
Über ein ordentliches Balancing haben sich die Entwickler keine großen Gedanken gemacht. Zwar werden für die Einzelspieler-Kampagne vier Schwierigkeitsgrade geboten, aber dabei hat man wohl nicht bedacht, dass man in diesem Modus tatsächlich nicht länger zu viert als Team unterwegs ist, sondern sich alleine den pausen- und wahllos auftauchenden Gegnern stellen muss. Die Folge: Schon auf der mittleren Stufe ist man dem aggressiven Monster-Mob meist hilflos ausgeliefert, wenn er von allen Seiten heranstürmt und ständig Nachschub aus heiterem Himmel erscheint. Hinzu kommt, dass es innerhalb der einzelnen Level (12 Abschnitte mit jeweils 15-30 Minuten Spielzeit, verteilt auf drei Kampagnen) keine Speicher- oder Rücksetzpunkte gibt. Neigt sich die Gesundheit dem Ende und man findet vor der nächsten Attacke keines der zufällig platzierten Heilpakete, geht es wieder komplett an den Anfang des jeweiligen Abschnitts zurück – da ist Frust vorprogrammiert. Versucht man sich gezwungenermaßen am leichtesten Schwierigkeitsgrad, wird aus dem Frust schnell Langeweile, denn hier hatte ich stellenweise sogar das Gefühl, die Entwickler haben einfach die Platzierung von Gegnern vergessen, definitiv jedoch neben so vielen anderen Dingen die Realisierung einer ordentlichen Balance.
Fazit
Bei Atari scheint Hopfen und Malz jetzt endgültig verloren zu sein! Wie um Himmels Willen kann man so unfassbar bescheuert sein, überhaupt mit dem Gedanken zu spielen, eine solche Total-Katastrophe wie Alone in the Dark: Illumination zu veröffentlichen? Ist denen denn gar nichts mehr heilig? Selbst ein letztes Restfünkchen an Respekt für die eigene geschichtsträchtige Marke ist wohl mittlerweile zu viel verlangt – vielleicht auch deshalb, weil die Reihe ursprünglich von Infogrames zum Leben erweckt wurde und man jetzt noch ein letztes Mal mit dem bekannten Namen abkassieren will. Bei diesem technisch wie inhaltlich erschreckend miesen Machwerk, das der Serie wohl endgültig den Todesstoß verpassen dürfte, saß ich manchmal sprachlos vor dem Bildschirm: Einen solch gigantischen Haufen Müll sieht man eben nicht alle Tage! Beruhigend ist lediglich, dass ich trotz mehrmaliger Suche keinen Mitspieler für Online-Partien finden konnte. Aber falls doch jemandem bei der Shop-Seite aus Versehen der Finger auf der Maus abgerutscht sein sollte: Es gab in der jüngeren Vergangenheit vermutlich kaum einen besseren Anlass, das Rückgaberecht von Steam in Anspruch zu nehmen.
Pro
add_circle_outline es läuft....irgendwie
add_circle_outline vier Charakterkla...wen juckt das noch?
add_circle_outline freischaltbare Fähigkeiten (...die hätten eher die Entwickler gebraucht)
add_circle_outline wird offenbar kaum gespielt (...weil sich zum Glückk keine Mitspieler finden lassen)
Kontra
remove_circle_outline null Horror-Atmosphäre
remove_circle_outline grenzdebile KI mit Wegfindungsproblemen
remove_circle_outline kaum Gegnervariationen
remove_circle_outline grausiges Spiel-/Leveldesign mit dummen, redundanten Aufgaben
remove_circle_outline übermächtiger Flammenwerfer
remove_circle_outline Klassen spielen sich alle sehr ähnlich
remove_circle_outline schlecht ausbalancierter Schwierigkeitsgrad
remove_circle_outline extrem dünne Waffensounds
remove_circle_outline mit Fehlern überhäufte, teils unvollständige Lokalisierung
remove_circle_outline häufige Audio-Bugs (fehlende Effekte, Musik-Abbrüche)
remove_circle_outline Story quasi nicht vorhanden
remove_circle_outline Taschenlampe hat keinen Effekt auf Gegner
remove_circle_outline extrem begrenztes „Inventar“
remove_circle_outline zufällige und deutlich sichtbare Respaws der Monster
remove_circle_outline keine Controller-Unterstützung
remove_circle_outline hölzerne Animationen
remove_circle_outline hässliche Kulissen und Menüs
remove_circle_outline keine Sprachausgabe
remove_circle_outline lange Ladezeiten (wofür eigentlich?)
remove_circle_outline keine Rücksetz
remove_circle_outline oder Speicherpunkte
remove_circle_outline lächerliches Figurendesign
remove_circle_outline geringer Umfang
remove_circle_outline selbst geschenkt zu teuer, für knapp 30 Euro erst recht
remove_circle_outline massiver Imageschaden für die Marke
Wertung