Orborun30.09.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Eine runde Sache?

Da Sega keine „Rollenspiele“ mehr entwickelt, müssen es eben die Indies richten: In Orborun vom litauischen Team Tiny Lab Productions kullern keine Affen, sondern putzige Roboter durch wild verdrehte Rampen und Schraubenzieher. Herrscht ähnlich starke Suchtgefahr wie bei Super Monkey Ball?

Nicht zu stoppen!

Als Microsoft die Xbox 360 startete, gab es zwei gänzlich unerwartete Highlights. Ich spreche nicht von den Grafikbomben, welche die Hardware-Fähigkeiten beweisen sollten. Es geht um zwei kleine, aber feine Spiele, die die aufblühende Sparte der Arcade-Spiele beflügelten und mich länger an die Konsole fesselten als manch großer Titel. Einer davon war natürlich Geometry Wars: Retro Evolved. Der zweite hieß Marble Blast Ultra und inszinierte unheimlich knifflige Kugel-Labyrinthe in futuristischem Design. Tiny Lab Productions möchte das Prinzip auf Steam wieder aufleben lassen und schickt einen tanzenden Roboter ins Rennen, der mich auf Anhieb fast so süchtig gemacht hat wie im Jahr 2006.

Fast wie in der Wasserrutsche: In einigen Highspeed-Tunnels kommt ein gutes Geschwindigkeitsgefühl auf.
Das Prinzip ist simpel: Der zur Kugel zusammengeklappte Roboter kullert unaufhörlich vorwärts und muss durch ein glühendes Labyrinth aus Röhren, Sprüngen, Loops und Halfpipes navigiert werden. Anders als bei Super Monkey Ball neigt man in Orborun nicht den Untergrund, sondern steuert die Murmel direkt. Die Strecken erinnern ein wenig an den Saturn-Titel Scorcher – hier sind sie allerdings noch viel durchgeknallter aufgebaut. Als Spieler kann ich lediglich mit dem Analogstick (oder Tasten) nach links und rechts lenken – das war‘s. Beschleunigen oder Abbremsen ist nicht drin; Beschleunigungsfelder, Rampen und andere Feinheiten machen das flotte Spiel trotzdem zu einer angenehm kniffligen und abwechslungsreichen Herausforderung. Auf einigen ebenen Flächen klappt sich der Robo übrigens aus und läuft ein Stückchen zu Fuß weiter.

Tony Hawk trifft WipEout

Manchmal kullere ich auch durch Portale oder muss geschickt von der Bande abprallen, ohne meinen knuffigen Schützling zu zerdeppern. Die eingestreuten Rätsel beschränken sich auf kleine Wegfindungs-Kniffe und alternative Abzweigungen – der Rest dreht sich einfach nur um Reflexe, Voraussicht und geschicktes Schlängeln durch die zahlreichen Fallen und Rampen. Bei ihrem Design haben sich die Entwickler viel Mühe gegeben: Wenn man blitzschnell durch die glühenden Tunnel rauscht, gelangt man ähnlich flott in einem von Reflexen bestimmten Rausch wie in WipEout. Die schwungvolle Drum-n-Bass-Mucke unterstützt das Spielgefühl ideal.

Maschinelle Menschmaschine: Die freischaltbaren Robos tanzen nach Abschluss einer Strecke einen coolen Electric Boogie.
Leider wiederholen sich die wenigen Stücke viel zu schnell. Auch anderswo macht sich die spartanische Ausstattung bemerkbar. Die aus wenigen Bausteinen bestehenden Drahtgitter-Kulissen wirken trotz minimalistischer Eleganz extrem schlicht und es gibt keine anspornende lokalen oder weltweiten Bestenlisten. Nicht einmal die Kurven sind vernünftig abgerundet, sondern besitzen an den Schnittstellen merkliche kleine Huckel. Auch Online-Duelle wie in Marble Blast Ultra fehlen hier. Für den Steam-Release hätten die Entwickler das von iOS und Android stammende Orborun also ruhig noch ein wenig mehr aufmotzen sollen. Vielleicht fehlte es dem „Tiny Lab“ einfach an der nötigen Manpower. Ein paar motivationssteigernde Extras gibt es aber immerhin: Dazu gehören freischaltbare Kugel-Dekorationen sowie der lokale Splitscreen-Modus für vier Spieler. Außerdem lassen sich einzelne Levels mit höherer Punktzahl und Wertungen von bis zu drei Sternen perfektionieren.

Fazit

Hach, ist das schön: Endlich wieder wie im Rausch über schmale Stege, durch wilde Loopings und Schrauben flitzen. Völlig fokussiert auf die Aufgabe, so dass die Welt um mich herum verschwindet. Orborun ist Arcade-Spaß in Reinkultur: Als ich eigentlich nur mal schnell hineinschnuppern wollte, konnte ich so schnell nicht wieder aufhören. Es ist einfach unheimlich befriedigend, mit der putzigen Robo-Kugel durch all die coolen, teil richtig halsbrecherischen Loops, Schrauben und Halfpipes zu düsen und den besten Weg auszutüfteln. In einigen Punkten treibt das Spiel seinen Arcade-Minimalismus aber zu sehr auf die Spitze: Es gibt keinerlei anspornende Bestenlisten, keinen Online-Multiplayer und viel zu wenige Musikstücke. Auch den sehr schlicht gehaltenen Kulissen sieht man ihre Herkunft von mobilen Plattformen an – nicht einmal die kurvigen Röhren wurden vernünftig abgerundet! Trotzdem hat mich seit dem guten alten Marbles! Balance Challenge kein Kugelspiel mehr so an den Controller gefesselt. Die Bahnen, Stunts und Sprünge sind motivierend designt und ausbalanciert. Auch WipEout- und Skating-Fans sollten in die schnellen verdrehten Kurse hineinschnuppern.

Pro

Sucht erregende Mischung aus Kugelspiel und Endlos-Renner
ausgefeilte Kurse
wahnsinnige Loops, Halfpipes und Sprünge
tolles Geschwindigkeitsgefühl
Puzzle-Einlagen mit Teleportern sorgen für Abwechslung
coole Robo-Kugeln
treibender sphärischer Drum and Bass passt prima
lokaler Splitscreen-Modus für bis zu vier Spieler

Kontra

weder lokale noch weltweite Bestenlisten
Kurven und gekrümmte Bahnen sind leicht eckig
Hintergründe extrem minimalistisch und karg
wenige Lieder wiederholen sich zu schnell
kein Online-Multiplayer

Wertung

PC

Simpel, aber fesselnd: Die wild verdrehten Kugel-Kurse von Orborun machen süchtig - trotz arg minimalistischer Aufmachung und einem Mangel an Features.

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