Axiom Verge15.05.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Klassisch oder altbacken?

Ori ist euch zu modern? Shantae zu bunt und albern? Entwickler Thomas Happ will Retro-Fans die volle Ladung Metroid-Flair verschaffen, inklusive grobpixeligem Düster-Design wie auf dem (S)NES. Wir überprüfen, wie sich das klassische Action-Adventure im Vergleich zur modernen Konkurrenz schlägt.

Pixelige Hommage an Metroid

Komplett klassisch bleibt das Spieldesign übrigens nicht: Nach einem Unfall in einem Labor wacht ein Wissenschaftler in einer geheimnisvollen Alien-Welt auf, die aber nicht nur von bizarren Kreaturen, sondern auch von flackernden Pixelfehlern heimgesucht wird. Ich will nicht zu viel verraten, aber die Glitches sind kein rein kosmetisches Element, sondern auf coole Weise ins Spieldesign eingebunden. Ist dies ein entfernter Planet? Eine entfernte Zukunft? Oder eine komplexe Computersimulation? Dieser Frage muss ich im Laufe des Abenteuers auf den Grund gehen, während ich durch Unmengen unterirdischer Gänge laufe. Im Metroid-Stil eröffnen mir gefundene Waffen und Fähigkeiten neue Abschnitte: Mit dem höheren Sprung z.B. erreiche ich ein Anhöhe, ein technisches Gadget lässt mich durch Wände beamen und auch die bereits erwähnten Pixelfehler bringen mich an neue Orte. Geheimnisvoll wirken auch die großen humanoiden Robo-Gesichter, die an futuristischen Streben aus der Wand ragen. Nach und nach erfahre ich, wie sie mit der Welt verbunden sind und an welche Orte ich mich möglichst nicht wagen sollte (die ich natürlich trotzdem prompt erforsche).

Vorsicht, Laser-Igel!
Die Welt ist derart groß, dass man Dutzende von Stunden darin verbringen kann – leider gestaltet sich der Aufenthalt dort oft fade. Im Gegensatz zu Ori oder Shantae fühlte sich die Erkundung meist wie Arbeit an. Ein Grund dafür ist die karge Kulisse. Retro-Flair schön und gut, aber die minimalistischen Felsquadrate wiederholen sich derart häufig, dass es auf Dauer einfach nur schrecklich öde wirkt. Ab und zu ändert sich die Farbpalette oder es wuchern kleine Alien-Pflanzen im Hintergrund – insgesamt tut sich aber viel zu wenig, um den Spaß am Entdecken anzufachen.

Hölzerne Handhabung

Ein weiteres Manko ist die altbackene Steuerung: Mein Held läuft von Haus aus recht langsam und beschleunigt trotz der Analogsticks nur digital, wodurch sich Sprungsequenzen deutlich weniger schwungvoll und intuitiv anfühlen als z.B. in Ori. Auch die Kämpfe gestalten sich ein wenig mühsam: Meine Figur beherrscht standardmäßig kein Dauerfeuer und anders als in Hell Yeah! kann ich nicht frei mit dem rechten Stick zielen. Stattdessen darf ich nur in acht Himmelsrichtungen ballern. Solche Einschränkungen sind vor allem dann nervig, wenn ich wieder einmal hunderte von Metern zurück laufen muss und mir auf dem Weg dorthin die zähen Standard-Gegner wiederauferstanden sind. Solche Trips arten oft in Fleißarbeit aus: Ich weiß schließlich genau, dass ich den grell kreischenden Mini-Drachen mehrmals aus seiner Höhle locken muss, um ihm jeweils zwei gut platzierte Schüsse auf Kopf und Schwanzspitze zu verpassen. Wenn die Prozedur aber alle paar Meter mehrere Sekunden in Anspruch nimmt, ist das auf Dauer nicht gerade spannend.

Nicht nur karg, sondern auch anstrengend für die Augen: In manchen Levels heben sich Held, Gegner und Projektile farblich kaum vom Hintergrund ab.
Auch die Bossmonster wie eine runzlige Raupe sehen zwar bedrohlich aus, entpuppen sich meist aber als riesige Kugelschwämme mit nur wenigen Angriffsmustern. Habe ich erst einmal die passende Deckung hinter einer Plattform gefunden, muss ich nur noch minutenlang auf die Schwachstellen feuern und ab und zu springen. Durch den zweiten Endgegner bin ich sogar einfach hindurchgerutscht, um ihn hinterrücks mit Kugeln einzudecken. Der Koloss kann sich schließlich nicht einmal nach rechts umdrehen.

Vielfältige Hilfsmittel

Für Motivation sorgen die gelungenen Waffen und Fähigkeiten: Während ich über Plattformen hüpfe, bearbeite ich allerlei mysteriöse Biester mit den mannigfaltigen Energiegewehren: Ich schleiche mich von unten an eine Koralle heran, damit mich keine der durch die Luft trudelnden Sporen erwischt und zerlege die Killerpflanze schließlich mit ein paar Nahkampf-Blitzen. Komme ich nicht direkt an einen Gegner heran, nutze ich die praktische Schrapnell-Kugel. Einfach abfeuern, ein zweites Mal den Knopf drücken: Schon zersplittert das Projektil und erwischt auch in engen Winkeln versteckte Gegner und Schalter. An ein Pendant zur kleinen Metroid-Kugel für schmale Durchgänge hat der Entwickler ebenfalls gedacht. Untermalt wird das Geschehen von klassisch zirpenden Chiptune-Melodien.

Wer ist hier der Boss? Das Bearbeiten der fetten Kugelschwämme ist ähnlich unterhaltsam wie die damalige Sitcom.
Manche davon haben mich mit ihrem mysteriösen Synthetik-Gesang sofort in Entdecker-Stimmung versetzt, andere stören dagegen mit schrillen Piepstönen. Auch das Warnsignal für knappe Energie hätte man besser umsetzen können als mit einem nervtötenden Dauerpiepsen, das aber immerhin noch im Takt der Musik abgespielt wird. Besonders begabte Spieler können übrigens im Hauptmenü einen Speedrun-Modus nutzen. Um gleiche Voraussetzungen zu schaffen, werden dann manche der Räume nicht mehr per Zufall generiert. Auf Youtube finden sich bereits Durchgänge in unter 50 Minuten.

Fazit

Wenn man gerade erst durch die zauberhaft designte Welt von Ori gehüpft ist, wirkt Thomas Happs konservative Interpretation des Metroid-Themas ziemlich altbacken. Die Rahmenhandlung um den rätselhaften Schauplatz hat zwar sofort mein Interesse geweckt, die kargen Kulissen machen die Erforschung des weitläufigen Höhlensystems mitunter aber schrecklich eintönig. Die zahlreichen Waffen und Fähigkeiten sind aber schön mit all den versteckten Kammern der Welt verwoben. Besonders gut gefallen mir die Pixelfehler, die ich geschickt zu meinem Vorteil einsetzen kann. Wenn sich die Freude über neue Gadgets gelegt hat, macht sich wieder Monotonie breit. Auch die zähen Kämpfe mit der altbackenen Steuerung lassen keine flüssigen Spielrhythmus aufkommen. Wer sich mit dem sperrigen Retro-Fokus anfreunden kann, bekommt trotzdem eine solide und äußerst umfangreiche Metroid-Hommage. Ich bleibe lieber bei den zahlreichen Konkurrenztiteln, die das klassische Prinzip mit modernerem Spieldesign aufwerten.

Pro

geheimnisvolle Rahmenhandlung
massenhaft sinnvoll eingebundene Waffen und Extras
große Welt voller geheimer Kammern
absichtliche Grafikfehler werden spielerisch gut genutzt
einige hypnotisch-exotische Chiptune-Stücke... 

Kontra

karge Pixelkulissen wiederholen sich ständig
altbackene Digital-Steuerung fühlt sich zu träge an
simpel gestrickte Bosskämpfe gegen Kugelschwämme
mühsamer Kampf gegen zähe respawnende Standard-Gegner
...aber auch nervig piepsende Lieder und Soundeffekte
schwache Farbkontraste strapazieren die Augen

Wertung

PC

Die umfangreiche Metroid-Hommage besitzt coole Gadgets, leidet aber unter einer altbackenen Umsetzung in punkto Design und Steuerung.

PlayStation4

Die umfangreiche Metroid-Hommage besitzt coole Gadgets, leidet aber unter einer altbackenen Umsetzung in Punkto Design und Steuerung.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.