Im Test: Das etwas andere Miami
Neuanfang im schwülen Süden
Klar, die Spiele-industrie kann das Rad nicht ständig neu erfinden. Und doch gibt es doch immer wieder erfrischende Titel, deren Szenarien bisher kaum beackert wurden: A Golden Wake vom kleinen Entwickler Grundislav Games gehört definitiv dazu. Obwohl die niedrige Auflösung und das klassische Pixel-Design auf den ersten Blick wie eine Hommage an alte Klassiker anmutet, steckt in dem Titel ein modernes Abenteuer mit einem erzählerischen Fokus. Obwohl ich mir Schöneres vorstellen könnte als in die Rolle eines Immobilienmaklers zu schlüpfen, hat das ungewöhnliche Szenario sofort mein Interesse geweckt: Als der aufstrebende Alfie Banks von seinen Kollegen mit einem hinterlistigen Trick aus der Immobilienfirma gemobbt wird, verlässt er kurzerhand New York und macht sich auf in den gelobten Süden.
Turbo-Kapitalismus in den Zwanzigern
Nachdem der aufgeschlossene und zielstrebige Alfie sich schon am ersten Tag mit einigen wichtigen Köpfen der Baubranche angefreundet hat, soll ich ihm auf der Karriereleiter nach oben verhelfen. Dazu muss ich mir zunächst durch beeindruckende Verkäufe einen Namen machen. Umgesetzt ist das z.B. in einem Minispiel, in dem ich einigen Kandidaten ein passendes Heim vermittle. Ein potentieller Käufer will seine Ruhe in einem abgeschiedenen Anwesen, eine wohlhabende Philantropin möchte der Gemeinschaft im pulsierenden Zentrum helfen.
Viel Persönlichkeit pro Pixel
Apropos Dialoge: Die Vertonung ist ähnlich professionell wie in den Cognition-Spielen und verleiht Figuren wie dem gesprächigen Händler Doc Dammers oder Alfies neuem Chef George Merrick viel Persönlichkeit – trotz einiger etwas hölzern formulierter Passagen. Dialoge spielen hier eine wichtige Rolle, da es leider nur wenige und zu leichte Inventar- und Umgebungsrätsel gibt. Stattdessen muss ich mich immer wieder in Unterhaltungen geschickt anstellen, um die Laune eines Käufers einzuschätzen oder ein Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken. Interessant wird es z.B., wenn ich ähnlich wie in House of Cards die Presse für mein Unternehmen einspannen soll. Eine Redakteurin zeigt sich nach anfänglichem Zögern für Geschäfte bereit, verlangt aber selbstverständlich eine Gegenleistung.
Geld macht nicht immer glücklich
Zu meinem Geschäft gehört zu Beginn auch unangenehme Drecksarbeit wie das „Zurückklauen“ gestohlener Konstruktionspläne oder das Vergraulen eines widerspenstigen Grundstücksbesitzers, der einem Großprojekt im Wege steht. Beides ist allerdings nicht sonderlich anspruchsvoll umgesetzt: Im einem Haus muss ich z.B. im Wimmelbild-Stil auf Baumängel klicken, um sie einzukreisen. Beim Öffnen eines Tresors funkte sogar ein Bug dazwischen – trotz richtiger Kombination konnte ich ihn erst mit einem neuen Spielstand öffnen. Zum Glück darf man jederzeit so viele Speicherstände wie gewünscht anlegen.
Fazit
A Golden Wake beweist, wie erfrischend es sein kann, wenn ein Entwickler ins kalte Wasser springt und sich an ein unverbrauchtes Szenario wagt. Das Abenteuer des gescheiterten New Yorkers Alfie Banks in der Boom-Stadt Miami hat mich sofort neugierig auf der Hintergründe gemacht. Hier erlebt man den blitzschnellen Wandel des verschlafenen Küstennests in eine Großstadt am eigenen Leib, eingebettet in eine unterhaltsame Geschichte und interessanten Figuren. Highlights sind die in die Geschichte eingeflochtenen Dialogrätsel und unternehmerischen Winkelzüge. Davon abgesehen bieten die zu leichten Rätsel aber kaum eine Herausforderung. Auch manche Minispiele in dem realtiv kurzen Adventure sind zu simpel aufgebaut oder lassen sich nur fummelig bedienen. Trotzdem fand ich es schön, nach dem Trubel des Weihnachtsgeschäfts gemütlich in das erzählerisch starke Abenteuer abzutauchen.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Faszinierender Einblick ins boomende Miami der Zwanziger Jahre - es mangelt allerdings an anspruchsvollen Rätseln.
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