Rakuen23.05.2017, Alice Wilczynski

Im Test: Bittersüße Reise zwischen zwei Welten

Vor sechs Jahren schickte Freebird Games Spieler mit To the Moon auf eine gefühlvolle Reise, die vor allem aufgrund des tollen Soundtracks berühren konnte. Dieser entstand in Zusammenarbeit mit Laura Shigihara, die sich mit Rakuen nun an ihrem eigenen Adventure versucht. Ob man mit Hilfe des RPG-Makers auch heute noch Emotionen wecken kann, lest ihr im Test.

Point&Click mit charmanten Rätseln

 

Bei To The Moon störte Ben damals vor allem die mangelnde Interaktion. Trotz der thematischen sowie optischen Überschneidungen ist Rakuen allerdings ein vollwertiges Point&Click-Adventure. Zwar wird die Geschichte erneut hauptsächlich über Texteinblendungen vermittelt, aber Shigihara schafft es, die zahlreichen

Die Rätsel wurden toll mit der Spielumgebung und Geschichte verknüpft.

Rätsel so in die Umgebung und die Hintergrundgeschichten der Charaktere zu integrieren, dass man sofort eins mit der Spielwelt wird. Trotz der Limitierungen des RPG-Makers gibt es kleine Schleichpassagen, man muss Farben oder Töne kombinieren, indem man die Tierwelt beobachtet und besonders wichtig: Man muss eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen und genau hinhören, um den Herzenswunsch jedes Patienten zu erfüllen.

Denn die Geschichte dreht sich zunächst um den tristen Krankenhausalltag eines kleinen Jungen, dessen Mutter ihm regelmäßig aus dem Buch „Rakuen“ vorliest, um ihn aufzuheitern. Dieses magische Buch gewährt den beiden Zugang zu einer farbenfrohen Parallelwelt, in der sie zahlreiche Abenteuer erleben, die alle Auswirkungen auf den

In der farbenfrohen Welt von Rakuen kann man den tristen Krankenhausalltag hinter sich lassen.

Krankenhausalltag haben. Der Moment, in dem die beiden zum ersten Mal Rakuen betreten, wird zusammen mit dem tollen Soundtrack und dem abwechslungsreichen Artdesign unheimlich bewegend inszeniert. Lief man vorher noch durch die heruntergekommenen Krankenhauskorridore und  beobachtete die gestressten Krankenschwestern, steht man plötzlich inmitten einer farbenfrohen Insel voller Blumen, saftigem Grün und quirligen Affen-Wesen. In diesem Moment taucht man tief ein in die Gefühlswelt des kleinen Patienten: Endlich wieder mal einen glücklichen Moment spüren.

Das Spiel mit den Emotionen

 

Neben dem abwechslungsreichen und nicht zu leichtem Rätseldesign, beweist Shigihara vor allem Fingerspitzengefühl für das Spiel mit den Emotionen. Immer wieder musste ich mit den Tränen kämpfen: Von der ersten herzlichen Umarmung der Mutter, untermalt von sanften Streichern, über das bedrohliche Pochen der Krankenhausuhren und dem verstörenden  Ambient-Sound verstorbener Seelen, bis hin zur überschwänglichen Freude eines Fußes, dem ich nach der Erkundung eines Höhlensystems seinen Wunsch nach mehr Licht erfüllen konnte. Endlich wird mal wieder nicht gerätselt, um sich sein eigenes Genie zu beweisen, viel mehr steckt stets eine emotionale Motivation dahinter.  Sorgt man z.B. zunächst noch dafür, dass ein Schwein den Weg freisprengt, wird man sehr bald mit den tragischen Hintergrundgeschichten der Patienten rund um Verlust und Vernachlässigung, konfrontiert. Diese traurigen Momente werden aber in umso glücklichere, erfüllende

Zusammen ist man weniger allein.

Momente verwandelt, wenn man sich erfolgreich zwischen beiden Welten bewegt hat, um jemandem zu helfen. Wenn der Bären-Vater seiner Tochter endlich wieder ein Schlaflied trällert, nachdem man seinen tragischen Werdegang nachverfolgt hat und das Liebespaar wieder vereint ist und ihr Lied anstimmt, fühlt man sich wie in einem Disney-Film, den man selbst beeinflussen durfte.

Integration schlägt Innovation

 

Rakuen nutzt für seine Geschichte zwar viele Motive, die man bereits aus Filmen oder Büchern kennt. Und auch gewisse Hol-und Bringdienste, die einen immer wieder an dieselben Punkte im Krankenhaus und in der Fantasiewelt bringen können nerven. Doch was einem nicht jedes Medium bietet, ist eine glaubhafte Welt, die immer wieder zu berühren vermag. Bei jedem Bewohner, jeder Pflanze und jeder Murmel hat man das Gefühl, dass es einen Grund für diese Platzierung gab. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte zu erzählen, anstatt nur Teil eines Feature-Katalogs zu sein. Um die neun Stunden rätselte ich mich durch Tropfsteinhöhlen, servierte Tee am Hofe eines Blüten-Königs, erkundete die Insel-Welt der affenartigen Leebles, entdeckte mit Schaufel und Spitzhacke Geheimgänge. Und trotz der einfachen Grafik wurde jeder Schauplatz mit unheimlich viel Liebe zum Detail gestaltet.

 

Fazit

Wie schon To the Moon, schickt auch Rakuen Spieler auf eine bittersüße Reise in zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vor allem die Schicksale der Patienten, deren Emotionen stets von dem tollen Soundtrack untermalt werden, machen das Erlebnis zu etwas Besonderem. Jedes Rätsel und jeder Gegenstand der Spielwelt wird geschickt mit den individuellen Geschichten verknüpft. Dadurch ist man stets motiviert das nächste Ziel zu erreichen, um eine zerrüttete Familie zu vereinen oder dem erkrankten Protagonisten endlich seinen Herzenswunsch zu erfüllen. Rakuen zeigt vorbildlich, wie man mit den eingeschränkten Möglichkeiten des RPG-Makers ein unheimlich berührendes Erlebnis auf den Bildschirm zaubert.

Pro

Tolle Integration von Geschichten und Rätseln in die Spielwelt
Alle Charaktere haben eine berührende Hintergrundgeschichte
Interessanter Wechsel zwischen tristem Krankenhaus und farbenfroher Fantasiewelt
Atmosphärischer Soundtrack und Sounddesign
Tolles Artdesign mit liebevollen Details

Kontra

Manchmal gibt es langweilige Hol-und Bringdienste
Thematik der individuellen Geschichte sind nicht besonders einzigartig

Wertung

PC

Erzählerisch und emotional sehr überzeugende Reise zwischen zwei Welten, mit clever integrierten Rätseln und einem zauberhaften Soundtrack.

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