Necropolis05.08.2016, Dieter Schmidt

Im Test: Auf zum Nabel der Welt

Necropolis (ab 25,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist ein Spiel für Mechanik-Puristen. Es versucht gar nicht erst grafische Unzulänglichkeiten zu kaschieren, sondern kokettiert sogar frech mit dem minimalistischen Look. Das wäre auch nicht das Problem – wenn die Mechanik nicht stellenweise versagen würde.

Anfangs noch faszinierend

Zunächst sei hier noch einmal festgehalten, dass es sich bei Necropolis um ein typisches Indie-Spiel handelt, welches statt durchdesignter Räume lieber prozedural generierte Level mit konsequentem Tod anbietet, um Entwicklerzeit zu sparen. Mein erster „Run“ war durchaus faszinierend. Dass mir das Spiel nur die wesentlichen Dinge wie Gegner, Tonkrüge, Kisten und Fallen vor den Latz knallt, hat mich nach den ersten Minuten überhaupt nicht gestört, schließlich prescht man eher durch die prozedural generierten Level hindurch. Und so weiß man sofort, wo man was suchen muss. Nach weiteren Durchgängen keimte leichte Enttäuschung auf, da das Spiel lediglich gleiche Versatzstücke zufallsgeneriert aneinander kettet, so dass man relativ schnell die ersten Areale in und auswendig kennt. Wer sich hier trotzdem verloren fühlt, darf Kreide als Orientierungshilfe nutzen. Außerdem habe ich taktisch ziemlich viel falsch gemacht und all meine Diamanten für Heiltränke ausgegeben. Stattdessen muss man die Zutaten der Gegner aufsammeln, Heilgegenstände selber mit dem simplen Handwerksystem herstellen und seinen Schatz den Göttern opfern, um seine Lebensenergie zu stärken. Und weil man sehr viele Diamanten dafür aufwenden muss, heißt die Devise: Sammeln, sammeln, sammeln. Jede Kiste, jeder Gegner, jede Ratte und jeder Tonkrug werden somit wertvoll. Wer also weit kommen will, lässt quasi keinen einzigen Raum aus.

Viel Grind, kleine Vorteile 

Man kann zwar Erfolge in das nächste Spiel retten, diese bieten aber kaum Vorteile an.
Was nach ein paar Toden außerdem einleuchtet: Man muss Nebenaufgaben lösen, für deren Erledigung man einen Erfahrungspunkt bekommt, mit dem man sich Wissen aneignen kann. Vor jede Reise zum Nabel der Welt (Necropolis), kann man sich ein Buch aussuchen und dessen Inhalt anwenden (wie zum Beispiel Fallschaden verhindern, mehr Wumms in die Schläge bringen oder mehr Lebensenergie aus den Heiltränken ziehen) . So nimmt man also nach dem eigenen Ableben dennoch die Erfahrungspunkte mit ins nächste Spiel und kann sich bessere Fähigkeiten zuschustern. Das finde ich super. Nichts ist so demotivierend wie in dem tollen Enter the Gungeon ins Gras zu beißen und ohne ein kleines Erfolgserlebnis wieder starten zu müssen. Leider bringen die Bücher meines Erachtens nicht all zu viel. Nach zehn Partien komme ich trotz starker Bücher auch nicht weiter.

Minimalistisch wohin das Auge reicht

Auch in punkto Mechanik bleibt Necropolis puristisch: Die Feinde besitzen in der Regel nur zwei Angriffsarten. Schwerter, Kurzschwerter, Kampfhammer und Speere besitzen zwar unterschiedliche Animationen, allerdings beschränkt man sich auf einen Standardangriff, eine Komboattacke und eine Sprungattacke, die allesamt nicht wirklich toll sind, aber ihren Zweck erfüllen. Sprich: Man sieht auch beim Gegner frühzeitig, was für einen Angriff man erwarten kann. Und wenn mein schwerer Kampfhammer niedersaust oder ich eine Sprungattacke ausführe, fällt mein Widersacher erst einmal zu Boden, während ich zum zweiten Schlag ansetze. Auch sehr positiv: Man hat das „Friendly fire“ nicht ausgestellt und wer sich geschickt bewegt, veranlasst, dass sich Gegner gegenseitig schlagen oder in Fallen laufen. Außerdem dürften die Wesen noch nie etwas vom Friedensnobelpreis gehört haben.  Manchmal kann man einfach nur abwarten, wie sich zwei verfeindete Clans auslöschen. Und sollte man doch einmal auf stärkere Gegner treffen, so kann man diese mit einer Spruchrolle einfrieren oder gar als Freund für die eigenen Zwecke einspannen. Aber mächtige Zauber müssen erst durch eine Identifikationsspruchrolle lesbar sein. Hat man diese nicht, so führt man Zauber aus oder schluckt Tränke, ohne zu wissen, was passieren wird. Und da man auch negative Wirkungen eingebaut hat, sollte man diesbezüglich nicht unbedacht vorgehen. So weit, so gut.

Warum Necropolis dann doch versagt

Im Eifer des Gefechts bei größeren Gegnergruppen wird es sehr konfus.
Und nun kommt der Part, den sich die Entwickler hätten sparen können. Je nach Zufall respawnen Gegner wieder. Mal hat man Glück und während eines Durchlaufs hält sich das in Grenzen und mal kommt man kaum voran, weil immer wieder Feinde aus dem Nichts im Rücken auftauchen. Wie ich das hasse! Und dann hat man zumindest in der PC-Fassung das Problem der Tastenbelegung, die man nicht verändern kann. Wer beim Zurückweichen den Mittelfinger auf der S-Taste hat, wird sich den kleinen Finger brechen, wenn er per Steuerungstaste einen Ausweichsprung nach hinten machen will. Aber Necropolis sollte man ohnehin mit dem Controller spielen. Was mir aber partout nicht einleuchten will und für diverse Tode und Frustmomente gesorgt hat, ist das Anvisieren. Wenn man einen anvisierten Feind über den Jordan schickt, wählt das Spiel automatisch ein nächstes Ziel aus – was auch eine flüchtende Ratte sein kann, während man der heransausenden Axt den ungeschützten Rücken entgegenstreckt. Katastrophal! Wie oft musste ich schon konfus aus dem Kampfgeschehen flüchten und mich wieder ordnen. Ständig wechselt der Anvisierungspunkt hin oder her.  Ganz einfache Lösung: Will man einen anderen Gegner beharken, drückt man eine dafür vorgesehen Taste, die Zeit friert ein und man kann sich dann in aller Ruhe einen Feind aussuchen. Gleiches sollte auch beim Ableben der Feinde passieren, die so ganz nebenbei auch Dark-Souls-Allüren mit dem Vorbild teilen und stupide gegen Treppenabsätze oder Felsen laufen, statt diese zu umgehen. 

Kooperativ durchaus passabel

Und nach dem ganzen Frust, kommt dann am Ende die Einsicht, dass das Spiel überhaupt nichts für Solisten ist. Sobald man einen Freund einlädt, wird die Gegneranzahl nicht (wie man es annehmen sollte) angepasst, nein, zu zweit kommt man nicht nur wesentlich weiter, es macht kooperativ wesentlich viel mehr Spaß. Jeden im Rücken auftauchenden Gegner kann der Partner auch übernehmen. Zusätzlich muss man sich gut absprechen, da die eigenen Schwerthiebe auch dem Freund schaden. Und während man vorher in Dark-Souls-Manier vorsichtig versucht hat, einzelne Schafe von der Herde zu trennen, kann man kooperativ viel rabiater und effektiver voranschreiten.

Fazit

Ja, mein Herz pumpt. Natürlich ist es spannend, nach zwei Stunden unentwegtem Kampf einem Elitesoldaten entgegenzutreten. Dafür sorgt der konsequente Tod.  Aber ich habe es nach ein paar Stunden satt, die immer wieder gleichen Versatzstücke mit den gleichen Anfangsgegnern zu durchkreuzen, ohne dass ich sichtlich weiter vorankomme. Denn das Wissen in Form der Bücher hilft mir dabei nicht wirklich weiter. Das demotiviert. Wie leicht hätte man hier eine Teleportation einbauen können, die alle fünf Level den Spieler weiterbringt. Und dann kann man gleich die Ausrüstung vom Vorgänger-Ich einsammeln.  Zwar sind die Waffen, Kämpfe und Animationen sehr zweckgebunden und funktionieren mechanisch auch gut und die sonderbaren Wesen sind untereinander auch im Clinch, aber das Anvisieren und die respawnenden Gegner, die im Rücken auftauchen, sind klare Designfehler. Ich hatte einen zufriedenstellenden Durchlauf und bin kurz vor dem Ende des fünften Levels gestorben. Zwei Stunden guter Unterhaltung. Aber Necropolis sollte man ohnehin nur mit Freunden angehen. Man kommt viel schneller voran und muss  sich gut positionieren, da eigene Angriffe den Partner ebenfalls in Mitleidenschaft ziehen. Dennoch verfliegt nach spätestens zehn Stunden die Motivation, die Zufallsmaschine wieder anzuschmeißen.

Pro

intensive Gefechte dank permadeath
Gegner schlagen sich gegenseitig
Fallen und Spruchrollen fügen Feinden hohen Schaden zu
kooperativ durch Absprachzwang spaßig
physikalisch korrekte Hiebgeschwindigkeit

Kontra

zufallsgenerierte Versatzstücke statt toller Welt
viel zu kleine Fortschritte durch das Wissen
sehr hakelige Anvisierungsmechanik
respawnende Gegner

Wertung

PC

Necropolis macht vieles richtig, aber respawnende Gegner, wiederkehrende Versatzstücke und mechanische Unzulänglichkeiten lassen den Spielspaß schnell im Sand verlaufen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.