Im Test: Alte Adventure-Liebe rostet nicht
Zurück in die Achtziger
Ein mysteriöser Mord. Eine Leiche. Und zwei Agenten, die ein bisschen an das Mulder-Scully-Gespann aus Akte X erinnern und das grausame Verbrechen im kleinen Städtchen Thimbleweed Park aufklären sollen. Das ist die Ausgangslage im neuen Retro-Adventure von Ron Gilbert und Gary Winnick, die schon gemeinsam bei Lucasfilm Games an kultigen Abenteuern von Maniac Mansion bis The Secret of Monkey Island gearbeitet haben. Die mit Rätseln garnierte Suche nach der Wahrheit spielt sich dabei genauso wie die Klassiker: Dank des SCUMM-Systems (Script Creation Utility for Maniac Mansion) steht einem erneut die bekannte Auswahl aus neun Verben zur Verfügung, die man mit den Piktogramm-Gegenständen im Inventar und / oder Interaktionen mit der Umgebung anwenden sowie kombinieren darf. Dabei funktioniert die Point'n'Click-Steuerung des Cursors sowohl mit Maus als auch mit dem Controller.
Pixelhass vs. Pixelliebe
Training für die Lachmuskeln
Selbstverständlich kommt der Humor nicht zu kurz, wie man es von Ron Gilbert kennt und erwartet. Schon wenn man innerhalb der ersten zehn Minuten auf zwei Klempner-Damen in Taubenkostümen trifft, die als „Pigeon Brothers“ firmieren und über seltsame Signale schwadronieren, wird klar: Das hier wird kein übliches Detektiv-Adventure im Stil von Agatha Christie, sondern eher eins der durchgeknallten Art. Und man wird nicht enttäuscht: Obwohl die Suche nach der Wahrheit stellenweise durchaus düstere Züge annimmt, dominieren abgedrehte Situationen, herrlich geschriebene Dialoge und zahlreiche Referenzen an Spiele sowie die Pop-Kultur der Achtziger. Schaut man sich etwa bei der Vorstellung des fiesen Clowns Ransome im Zirkuszelt um, wird man viele bekannte Gesichter von den Edisons über Guybrush Threepwood bis hin zu Grün Tentakel entdecken. Das ist Nostalgie pur, die einen über das gesamte Abenteuer begleitet – sei es in Form von Postern, Entdeckungen (wie einer Kiste voller roter Heringe), Dialogoptionen („Ich verkaufe diese Lederjacken“) oder Schauplätzen. Ganz klar, dass selbst die Kettensäge nicht fehlen darf! Ob es dieses Mal auch Benzin gibt?? Die zahlreichen Seitenhiebe haben es ebenfalls in sich: Nimmt man z.B. eine zerbrochene Ketchup-Flasche vorsichtig auf, merkt die Figur anschließend an, dass man in einem Adventure von Sierra-Online jetzt schon gestorben wäre. Allerdings sei gesagt, dass man auch hier vorzeitig auf einem Game-Over-
Überhaupt lässt Gilbert keine Gelegenheit aus, die Adventure-Konkurrenz von damals durch den Kakao zu ziehen – und sei es nur durch subtile Andeutungen auf dem Schild eines Friseurladens, auf dem es heißt: „Hair Today, Gone Tomorrow“ (King's Quest VI lässt grüßen). Doch auch sein ehemaliger Arbeitgeber bekommt in Form der fiktiven Videospielfirma MmucasFlem ordentlich sein Fett weg. Darüber hinaus wird hin und wieder die vierte Wand aufgebrochen und die Figuren sprechen den Spieler direkt an. Ohne Witz: Ich habe in letzter Zeit selten so viel gelacht, gekichert und gegackert wie hier! Ich habe mich tatsächlich wieder so gefühlt, als würde ich als Jugendlicher an meinem C-64 sitzen und den grandiosen Knobelspaß im Stil von Maniac Mansion genießen. Hinsichtlich Humor und Story ist Thimbleweed Park für mich das, was ich damals eigentlich bei Broken Age erwartet, von Tim Schafer und Double Fine aber leider nicht so recht bekommen habe.
Clevere Rätsel für Anfänger und Profis
Fünf Freunde – mehr oder weniger
Neben dem Agenten-Duo, das neben dem Fall auch noch persönliche Interessen zu verfolgen scheint, gesellen sich noch drei weitere Charaktere hinzu, die man übernehmen kann. Dabei handelt es sich um die junge Spiele-Programmiererin Delores, den ständig fluchenden „Arschloch-Clown“ Ransome und einen...nun...Begleiter der übernatürlichen Sorte. Wie bei Maniac Mansion lässt sich jederzeit zwischen den Figuren umschalten – es sei denn, es handelt sich um spielbare Rückblicke oder ein Wechsel wird aus anderen guten Gründen künstlich, aber durchaus nachvollziehbar verhindert. Dabei verfolgt jeder Charakter seine eigenen Interessen, die im jeweiligen Notizbuch festgehalten werden. Praktisch: Die Aufzeichnungen dienen gleichzeitig als kleine Orientierungshilfe, da die aktuellen Ziele wie bei einer Checkliste dargestellt und abgehakt werden.
Großartige Implementierung von Backer-Belohnungen
Knobeln auf der Konsole
Mittlerweile konnten wir auch in die Umsetzung für die Xbox One reinschauen und uns mit dem Controller durch Thimbleweed Park rätseln. Dabei ist die Steuerung zwar nicht ganz so komfortabel wie mit der Maus, aber immer noch gut gelungen und funktioniert präzise. Wer wie ich damals schon Maniac Mansion am C-64 mit dem Joystick gespielt hat, wird sich fast wieder heimisch fühlen, auch wenn das Steuerungskonzept heute mehr Komfort-Möglichkeiten bietet als damals. Genau wie mit dem Nager lassen sich die Figuren auch hier per Doppelklick beschleunigen und für hervorgehobene Verben übernimmt die X-Taste die Funktion der rechten Maustaste für eine direkte Ausführung des Befehls. Schön auch, dass man mit den unteren Schultertasten (Triggern) direkt zwischen den Charakteren hin- und herwechseln darf. Die oberen werden dagegen zum Durchschalten von Hotspots genutzt, mit denen die Suche nach Hinweisen in den Pixelkulissen etwas leichter fallen dürfte. Übrigens steht die Controller-Variante selbstverständlich auch für PC-Spieler als alternative Steuerungsmethode zur Verfügung. Technisch muss man auf der Xbox One im Vergleich zum PC-Vorbild keine Abstriche in Kauf nehmen - hach, wäre das doch nur immer so. Von daher ist Thimbleweed Park auch für Rätselfreunde mit Konsole ein Hit und ein schöner Trip zurück in die Vergangenheit des klassischen Point'n'Click-Adventures!
Fazit
Thimbleweed Park ist einfach nur pure Liebe für alle Freunde des klassischen Adventures! Es ist mit seinen zahlreichen Referenzen zum einen eine gelungene Hommage an die alten Meisterwerke von Lucasfilm Games bzw. LucasArts und die Pop-Kultur der Achtziger – wer hier als alter Abenteuer-Hase nicht genüsslich in den Wellen der Nostalgie badet, der hat kein Herz! Gleichzeitig begeistert es selbst mit Qualitäten, durch die sich die Kult-Spiele von damals ausgezeichnet haben: Ron Gilbert und Gary Winnick setzen mit großartigen Rätseln, unterhaltsamen Dialogen, schrulligen Charakteren, jeder Menge Humor und einer herrlich abgedrehten Geschichte alle Hebel in Bewegung, damit Thimbleweed Park in einem Atemzug mit Lucasfilm-Klassikern wie Maniac Mansion, Zak McKracken & Co genannt werden kann. Ich würde es jedenfalls tun, selbst wenn mir die Pixel-Optik teilweise etwas zu viel des Retro-Guten ist, die spielbaren Figuren inhaltlich nur sehr oberflächlich miteinander verbunden sind und ich auch im Deutschen lieber die „echte“ klassische Verbenleiste von damals vorgefunden hätte. Trotzdem hat dieses Kickstarter-Projekt nicht nur als Spieler, sondern auch als Unterstützer alle meine Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, teilweise sogar übertroffen. Und das macht Thimbleweed Park trotz oder wegen der Retro-Zeitreise ins Jahr 1987 selbst im modernen 2017 zu einem sehr guten Adventure.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Mit dem Controller rätselt es sich zwar nicht ganz so komfortabel wie mit der Maus, trotzdem ist Thimbleweed Park auch auf der Xbox One ein großartiges Oldschool-Abenteuer mit Witz und Charme, aber ohne Melone.
PC
Ron Gilbert hat es immer noch drauf: Thimbleweed Park ist ein großartiges, witziges, durchgeknalltes und charmantes Retro-Adventure wie zu den besten Zeiten von Lucasfilm Games!
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